Vorbereitende Übungen Vorbereitende Übungen(1) Konzentriere dich fünf Minuten lang auf einen einzigen Gedanken. Frage dich anschließend, ob es dir gelungen ist und was sich dabei ereignet hat. Beschreibe die Erfahrung. (2) Suche dir irgendein Referat oder einen Aussatz aus, die du in der letzten Zeit geschrieben hast. Sieh dir noch einmal die flüchtigen Notizen an, die du am Anfang des ursprüglichen Entwurfes geschrieben hast; arbeite dich die verschiedenen Änderungen, Hinzufügungen und Streichungen bis zur Endversion durch. Achte auf die dabei entdeckten Sackgassen, auf die Einsichten, wenn die Dinge zusammenstimmten, die Frustration, wenn du keinen Weg aus dem Durcheinander finden konntest, und auf die Freude, wenn es dann ganz fertig vorlag. (3) Was geht in deinen Gedanken vor sich, wenn du studierst? Wirst du manchmal abgelenkt? Was für eine Art von Tätigkeit ist das Tagträumen? (4) Zähle schriftlich alle geistigen Tätigkeiten auf, die du in deiner eigenen inneren Erfahrung wahrnehmen kannst. Es scheint eine wesentliche Verpflichtung auf uns zu liegen auf der Höhe unserer Zeit zu leben. Die Grundlagen unserer Philosophie müssen den Herausforderungen und der Höhe unserer Zeit gewachsen sein. Der gegenwärtige Zustand der Philosophie ist als Ödland beschrieben worden, als eine Krise und Katastrophe. Sie ist gewiss durch tiefe Unstimmigkeiten und ziemliche Verwirrung geprägt. Um unsere Zeit aber beurteilen zu können, müssen wir uns im Klaren sein, woher wir kommen, wo wir uns gegenwärtig befinden und was für Erfolge und Misserfolge Ausdruck unsere heutigen Kultur sind. Wir möchten hier einen Überblick über die drei Bedeutungsstufen bei Lonergan bieten, wie sie sich geschichtlich[1] entfaltet haben, nicht um auf die Unzahl der Höhen und Tiefen der Philosophiegeschichte in allen Einzelheiten aufmerksam zu machen, sondern auf die geistigen Grundlagen, die all dieser Verschiedenheit zugrunde liegen. Man kann verschiedene Stufen unterscheiden; sie sind Entwicklungsstufen. Unsere Analyse wird uns bei der Bestimmung der verschiedenen Muster dieser Entwicklung und der Entdeckung hilfreich sein, dass wir uns, als eine Weltkultur, im Übergang von einer Welt des Common Sense[2] und der Theorie in das Zeitalter der Interiorität, der dritten Stufe der Bedeutung, befinden. Unsere Grundlagen müssen sich von der Interiorität herleiten und nicht von der Welt des Allgemeinverstandes und der Theorie. Unsere erste Analyse ist geschichtlich, insofern wir die geschichtlichen Entwicklungsstufen untersuchen. Sie sollte jedoch auch persönlich sein, insofern jeder von uns diese Stufen in seiner eigenen intellektuellen Biographie erfahren kann. Wir gehen als bewusste, denkende und handelnde Menschen hervor, indem wir uns von Familie und Gesellschaft jene Denkart aneignen, die wir "Common Sense" nennen wollen. Unsere erste schmerzvolle Begegnung mit der Welt der Theorie findet üblicherweise in der Auseinandersetzung mit Mathematik, Geometrie, Algebra oder mit einer der Naturwissenschaften statt. Wenn wir dann mit dem Studium der Naturwissenschaften, der Philosophie, Theologie, Mathematik oder einer der Spezialisierungen innerhalb dieser Sachgebiete fortfahren, gewöhnen wir uns allmählich an die dünne Luft der Theorie. Später fragen wir uns vielleicht, ob uns die Theorie die letzte Wahrheit bieten kann und ob es etwas jenseits der Theorie gibt. Und so werden wir zur Interiorität herangeführt. Die letzten Abschnitte dieses Kapitels werden uns mit dieser neuen Möglichkeit bekannt machen, indem sie unsere Aufmerksamkeit vom Inhalt, was wir wissen, hin zu jenen Tätigkeiten verlagern, wodurch wir etwas wissen. Unser Ziel ist dann, dass wir Kenntnis davon erlagen, was um uns vor sich geht, damit wir aus Fehlern lernen, Möglichkeiten ergreifen und unser eigenes Denken im Hinblick auf die dritte Bedeutungsstufe mit allem, was sie verspricht, neu ausrichten können. [1] Methode in der Theologie, 95-109 [2] Anm. d. Übs.: Der Übersetzer von "Methode in der Theologie" übersetzt den englischen Begriff "Common sense" mit "Allgemeinverstand (so etwa im langen Zitat zu Beginn dieses Kapitels), der Übersetzter von "Einsicht" mit "Common Sense". Im englischen "Common sense", als Fachausdruck verwendet, klingt etwas von der im deutschen Sprachraum wenig bekannten schottischen "Common sense"-Philosophie an. Aus Gründen einer begrifflichen Übereinstimmung mit Lonergans Hauptwerk im Deutschen folge ich der Übersetzung von "Einsicht". |