B. Lonergan, Methode in der Theologie
Neben "Einsicht" liegt mit "Methode in der Theologie" ein weiteres Hauptwerk B. Lonergans in
deutscher Sprache vor.
Originalausgabe: "Method in Theology"
Übersetzt und herausgegeben von + Johannes Bernhard, mit einem Nachwort
von Giovanni B. Sala SJ. Benno Verlag, Leipzig 1991.
Aus dem Buch:
Einführung: s. unten
Nachwort von Giovanni B. Sala SJ
Einführung von B. Lonergan
"Eine Theologie vermittelt zwischen einem
kulturellen Grundgefüge und der Bedeutung wie auch dem Stellenwert einer Religion
innerhalb dieses Grundgefüges. Der klassische Begriff der Kultur war normativ: zumindest
de jure gab es nur eine Kultur, die zugleich universal und beständig war. Nach ihren
Normen und Idealen sollten die 'Unkultivierten' trachten, ob die Jugend oder das einfache
Volk, ob die Eingeborenen oder die Barbaren. Außer diesem klassischen gibt es noch den
empirischen Kulturbegriff, der das Ganze jener Sinngehalte und Werte umfaßt, die eine
Lebensart prägen. Diese Kultur kann für Generationen unwandelbar gültig bleiben, mag
sich in langsamer Entwicklung befinden oder in rascher Auflösung.
Wenn der klassische Kulturbegriff dominiert, wird die
Theologie als eine Errungenschaft von Dauer verstanden, und dann spricht man über ihr
Wesen. Stellt man sich die Kultur jedoch empirisch vor, dann wird die Theologie als ein
fortschreitender Prozeß erkannt, und man schreibt über ihre Methode.
Methode ist aber nicht bloß ein Regelwerk, dem jeder
peinlich genau zu folgen hat. Sie ist vielmehr der Rahmen für schöpferische
Zusammenarbeit. Sie hat die verschiedenen Bündel von Arbeitsgängen herauszustellen, die
von den Theologen bei ihren unterschiedlichen Aufgaben auszuführen sind. Eine Methode
unserer Zeit hätte diese Aufgabe im Kontext der modernen Natur- und
Geisteswissenschaften, der zeitgenössischen Philosophie, der Geschichtlichkeit, des
gemeinschaftlichen Praxisbezugs und gemeinsamer Verantwortlichkeit zu konzipieren.
Innerhalb einer solchen Theologie der Gegenwart stehen wir vor acht ganz bestimmten
Aufgaben: Forschung, Interpretation, Geschichte, Dialektik, Fundamente, Lehre, Systematik
und Kommunikation.
Wie jede dieser Aufgaben zu bewältigen ist, wird mehr
oder weniger detailliert in den neun Kapiteln behandelt, die den zweiten Teil dieses
Buches bilden. Der erste Teil befaßt sich mit allgemeineren Themen, die die Voraussetzung
für den zweiten Teil bilden. Dazu gehört die Methode, das menschlich Gute, der
Sinngehalt, die Religion sowie funktionale Spezialisierungen. Von diesen Themen erklärt
das letztgenannte, wie wir zu unserer Liste der acht unterschiedlichen Aufgaben gekommen
sind.
Was wir zu sagen haben, ist ganz allgemein als Modell zu
verstehen. Mit Modell meinen wir nicht etwas, das kopiert oder imitiert werden müßte.
Unter einem Modell ist weder eine Beschreibung der Wirklichkeit noch eine Hypothese über
die Wirklichkeit zu verstehen. Es ist einfach ein verständlicher, ineinandergreifender
Verbund von Begriffen und Beziehungen, den man zweckmäßigerweise zur Hand haben sollte,
wenn es darum geht, die Wirklichkeit zu beschreiben oder Hypothesen aufzustellen. Wie ein
Sprichwort, so ist auch ein Modell etwas, das man im Sinn behalten sollte, wenn man eine
Situation bestehen oder eine Aufgabe anpacken will.
Dennoch meine ich nicht, daß ich bloß Modelle anbiete.
Ganz im Gegenteil hoffe ich, daß der Leser in dem, was ich sage, mehr als bloße Modelle
finden wird; doch liegt es an ihm, das zu befinden. Das erste Kapitel über die Methode
stellt heraus, was jeder bei sich selbst als dynamische Struktur des eigenen kognitiven
und ethischen Seins entdecken kann. Soweit er diese Struktur findet, wird er auch etwas
entdecken, das einer radikalen Revision nicht offensteht; denn diese dynamische Struktur
ist die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Revision. Überdies sind die folgenden
Kapitel in der Hauptsache Weiterführungen des ersten Kapitels und setzen dieses voraus.
Sie ergänzen es, indem sie die Aufmerksamkeit auf weitere Aspekte, umfassendere
Implikationen oder zusätzliche Anwendungen lenken. Wie jedoch jeder die im ersten Kapitel
aufgezeigte dynamische Struktur in sich selbst finden muß, so hat er sich auch über die
Gültigkeit der weiteren Zusätze in den folgenden Kapiteln selbst zu vergewissern. Wie
ich schon sagte, bietet die Methode keine Regeln, denen man blind zu folgen hätte,
sondern einen Rahmen für eigene Kreativität.
Wenn ich auch hoffe, daß viele Leser in sich selbst
jene dynamische Struktur, die ich beschreibe, entdecken werden, wird dies anderen
vielleicht nicht gelingen. Ich möchte diese Leser bitten, nicht daran Anstoß zu nehmen,
daß ich die Heilige Schrift, die Ökumenischen Konzilien, päpstliche Enzykliken und
andere Theologen so selten und sparsam zitiere. Ich schreibe keine Theologie, sondern
über die Methode in der Theologie. Ich befasse mich hier nicht mit den Inhalten, die von
Theologen dargelegt werden, sondern mit den Arbeitsgängen, die Theologen ausführen.
Die Methode, die ich aufzeige, ist meiner Ansicht nach
nicht nur für römisch-katholische Theologen bedeutsam; doch überlasse ich den
Mitgliedern anderer Glaubensgemeinscharten die Entscheidung darüber, ob und in welchem
Maße sie die hier vorgelegte Methode anwenden wollen." (S. 11 f.)
|