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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Anamnesis

Titel: Anamnesis

Stichwort: Aristoteles, metalepsis: noetische Erfahrung, mysterien (Phaidon. Bakchen ); Partizipieren als Phänomen d. Vergangenheit

Kurzinhalt: Problem der Vergegenständlichung durch Noese; Problem des Partizipieren: Verhältnis Wissen -> Gegenstand: Relation zwischen Wahrheitsstufen des Partizipierens

Textausschnitt: Dem Platonisch-Aristotelischen Philosophieren liegt nicht nur der Mythos der Primärerfahrung voraus, sondern auch die Symbolik einer, wahrscheinlich sehr differenzierten, pneumatischen Erfahrung vom Göttlichen. Wenn die klassische Noese den Logos des Bewußtseins zu optimaler Klarheit bringt, legt sie den Logos eines Realitätsbereiches aus, den Platon als Initiation in die Mysterien identifiziert. Der 'Bakchos', der im zitierten Diktum sowohl der Gott ist wie auch der dem Gott anverwandelte Mensch, wird bei Aristoteles zum 'Nous', der sowohl der göttliche ist, wie auch der menschliche, der am göttlichen partizipiert. Auch löst sich die Identität des Realitätsbereiches nicht auf, wenn wir, die Mythensymbolik noch weiter zurückschiebend, seinen Logos zur Klarheit bringen und an die Stelle von 'Bakchos' oder 'Nous' den Grund (aition) setzen.
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(6) Die 'Vergegenständlichung' bezieht sich also nicht auf das Partizipieren selbst, sondern auf die Wahrheitsdifferenz, die sich im Prozeß des begehrenden Suchens nach Einsicht in das richtige Verhältnis zum Grund ergibt. Wenn ein Jeremias das Volk tadelt, weil es 'falsche Götter' hat, dann schwankt er zwischen den beiden Annahmen, daß die falschen Götter Nicht-Götter seien (Wahrheitsfrage) und daß sie zwar falsch aber doch Götter seien (Partizipationsfrage). Auch das Partizipieren geringerer Durchsichtigkeit ist noch Partizipieren; und die noetische Bewußtseinshelle der Spannung zum Grund ist nicht mehr als Partizipieren. Es gibt keinen archimedischen Punkt, von dem her Partizipieren selbst zum Gegenstand werden könnte. (293; Fs)
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(8) Das Absinken eines Partizipierens geringerer Wahrheit zu einem Phänomen der Vergangenheit spielt sich im Bewußtsein konkreter Menschen ab, die Wahrheit suchen und sie finden. Das Bewußtsein, daß aus diesem Prozeß ein 'neuer Mensch' hervorgeht, ist alt, wenn auch das Bedürfnis, den Prozeß zu beschreiben, erst spät in der Geschichte die Symbolform der Autobiographie als literarische Gattung hervortreibt. Der Ursprungsort der Geschichte ist menschliches Bewußtsein, das eine Phase seines Suchens nach der Wahrheit vom Grund in die Distanz der Vergangenheit rückt. Da das Suchen sich jedoch in Gesellschaft abspielt - denn die Ausgangssituation kann immer nur ein tradierter Wissensstand sein, der als unbefriedigend empfunden wird -, erzeugt das persönliche Geschichtsfeld ein soziales. Für die Strukturierung eines solchen Feldes durch neues Partizipationswissen sind die menschlichen Typen charakteristisch, die Platon im Symposion entwickelt hat. Den Menschen des mythischen Partizipationswissens nennt er in der Sprache der Epiker den Sterblichen (thnetos), der den unsterblichen Göttern gegenübersteht. Den neuen Menschen, der in der erotischen Spannung zu seinem Seinsgrund lebt, nennt er den daimonios aner, d. h.

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