Autor: Augustinus Buch: Vom Gottesstaat, Buch 11-22 Titel: Buch 11, Ursprung der beiden Staaten in der Engelwelt Stichwort: 3. Nicht das Fleisch ist die Ursache der Sünde Kurzinhalt: Denn nicht darum weil er Fleisch besitzt, das dem Teufel abgeht, sondern weil er nach sich selber, also nach dem Menschen lebte, ist der Mensch dem Teufel ähnlich geworden Textausschnitt: 3. Nicht das Fleisch in die Ursache der Sünde
14/3/1 Sagt nun jemand im Hinblick auf die sittlichen Übelstände, das Fleisch sei Ursache aller Sünden, weil es die mit Fleisch behaftete Seele ist, die so schlecht lebt, hat er doch nicht die ganze Natur des Menschen sorgfältig ins Auge gefaßt. Wohl ist es wahr, daß «der vergängliche Leib die Seele beschwert», und deswegen sagt auch derselbe Apostel von diesem vergänglichen Leibe, den er vorher mit den Worten erwähnte: «Wenn auch unser äußerlicher Mensch verdirbt», die folgenden Sätze: «Wir wissen, daß wir, wenn unser irdisches Wohnhaus abgebrochen wird, einen Bau haben, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel. Und wir seufzen darüber, voll Verlangen, mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet zu werden, jedoch so, daß wir, damit bekleidet, nicht nackt erfunden werden. Denn dieweil wir noch in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, da wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollten, auf daß das Sterbliche verschlungen werde vom Leben.» Wir werden also in der Tat vom vergänglichen Leibe beschwert; da wir jedoch wissen, daß als Ursache dieser Beschwernis nicht die Natur und das Wesen des Leibes, sondern seine Vergänglichkeit in Frage kommt, wollen wir nicht des Leibes beraubt, sondern mit Unsterblichkeit bekleidet werden. Wenn das geschieht, wird der Leib noch dasein, aber uns nicht mehr beschweren, weil er dann nicht mehr vergänglich ist. fetzt also « beschwert noch der vergängliche Leib die Seele, und die irdische Behausung drückt nieder den vieles erwägenden Sinn. » Doch die da meinen, alle Übel der Seele stammten vom Leibe, befinden sich im Irrtum. (157f; Fs)
14/3/2 Vergil freilich scheint in folgenden klangvollen Versen die Ansicht Platos wiederzugeben, wenn er dichtet:
«Feurig nennt' ich die Kraft und himmlisch den Ursprung der Seelen,
wenn nur nicht der Leiber beschwerliche Lasten sie drückten,
und die irdisch-todverfallenen Glieder sie schwächten.» Indem er sodann zu verstehen geben will, daß die vier bekannten Gemütsstörungen, Begierde, Furcht, Freude und Schmerz, als Wurzeln aller Sünden und Laster vom Leibe herkommen, fügt er hinzu:
«Darum ist Furcht ihr Teil, Begierde, Schmerz auch und Freude,
schauen nicht auf zum Licht, im düsteren Kerker verschlossen.» (158; Fs)
14/3/3 Doch unser Glaube lehrt anders. Denn die Vergänglichkeit des Leibes, die die Seele beschwert, ist nicht die Ursache der ersten Sünde, sondern ihre Strafe, und nicht das vergängliche Fleisch hat die Seele sündig gemacht, sondern die sündige Seele machte das Fleisch vergänglich. Mögen auch aus dieser Verderbnis des Fleisches manche Lockungen zur Sünde, ja auch sündhafte Begierden selber entspringen, so darf man doch nicht alle Fehler eines bösen Lebens dem Fleische zur Last legen, sonst müßte ja der Teufel von ihnen allen frei sein, da er kein Fleisch hat. Aber obwohl man den Teufel keinen Hurer oder Trunkenbold nennen und ihn auch sonst keines der Laster bezichtigen kann, die zur Fleischeslust gerechnet werden, zu denen er freilich insgeheim auch rät und anstachelt, ist er doch im höchsten Grade hochmütig und neidisch. Diese Laster halten ihn dermaßen im Bann, daß er um ihretwillen in den Kerkern der dämmerigen Luft eingesperrt und zur ewigen Verdammnis bestimmt ist. Und eben diese Laster, die im Teufel die Herrschaft haben, teilt der Apostel dem Fleische zu, das der Teufel gewiß nicht hat. Denn er sagt, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Neid seien Werke des Fleisches; aber Haupt und Wurzel all dieses Bösen ist der Hochmut, der auch ohne Fleisch im Teufel regiert. Wer ist auch mehr als er den Heiligen feind? Wer gehässiger gegen sie, erbitterter, eifersüchtiger, neidischer? Und all das ist er ohne Fleisch. Nur darum also kann man hier von Fleischeswerken reden, weil es Werke des Menschen sind, den der Apostel, wie ich sagte, als Fleisch bezeichnet. Denn nicht darum weil er Fleisch besitzt, das dem Teufel abgeht, sondern weil er nach sich selber, also nach dem Menschen lebte, ist der Mensch dem Teufel ähnlich geworden. Auch der wollte ja nach sich selber leben, als er «nicht in der Wahrheit bestand» und nicht aus dem, «was Gottes ist», sondern aus seinem Eigenen Lüge redete, er, der nicht nur ein Lügner, sondern auch der Vater der Lüge ist. Er zuerst hat ja gelogen, und wie die Sünde, so ist auch die Lüge von ihm ausgegangen. (158f; Fs)
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