Autor: Augustinus Buch: Vom Gottesstaat, Buch 11-22 Titel: Buch 11, Ursprung der beiden Staaten in der Engelwelt Stichwort: 21. Gottes schöpferisches Wissen und Wirken Kurzinhalt: Sein Wissen wird nicht wie das unsere durch den Wandel der drei Zeiten, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, beeinflußt, denn «bei ihm ist kein Wechsel noch Schatten einer Veränderung». Seine Aufmerksamkeit geht nicht von einem Gedanken zum anderen ... Textausschnitt: 21. Gottes schöpferisches Wissen und Wirken
1/22 Denn was sonst sollten wir darunter verstehen, wenn es jedesmal heißt: «Gott sah, daß es gut war», als die Anerkennung des Werkes, das der göttlichen Kunst, nämlich der Weisheit Gottes, entsprach? Gott aber hat es keineswegs erst, als es geschaffen war, als gut erkannt, sondern im Gegenteil, er hätte nichts geschaffen, wäre es ihm nicht schon vorher bekannt gewesen. Wenn er also sieht, daß gut ist, was nie entstanden wäre, hätte er es nicht schon vor seiner Entstehung gesehen, so lehrt, nicht lernt er, daß es gut ist. Ja, Plato wagte noch mehr zu sagen, nämlich, Gott sei nach Vollendung des Weltalls entzückt vor Freude gewesen. Auch er war sicher nicht so töricht zu meinen, Gottes Glückseligkeit sei durch die Neuheit seines Werks vermehrt worden, sondern wollte auf diese Weise nur zum Ausdruck bringen, daß ihm das Werk in seiner künstlerischen Vollendung ebenso gefallen habe wie vorher in der künstlerischen Intuition. Denn das Wissen Gottes kennt keinerlei Wandlung, als ob in ihm sich anders ausnähme, was noch nicht ist, als was bereits ist oder was einmal war. Nicht auf unsere Weise blickt er auf Künftiges voraus oder auf Gegenwärtiges hin oder auf Vergangenes zurück, sondern auf andere, von unserer Art zu denken weit und hoch verschiedene. Denn sein Denken bewegt sich nicht wandelbar von diesem zu jenem, sondern ist ein gänzlich unwandelbares Schauen. Was zeitlich abläuft, was also, weil zukünftig, noch nicht ist, weil gegenwärtig, eben jetzt ist und, weil vergangen, nicht mehr ist, er erfaßt es alles in ruhender und ewiger Gegenwart. Er erfaßt es auch nicht anders mit den Augen als mit dem Geiste, denn er besteht nicht aus Leib und Seele; auch nicht anders jetzt, anders vorher, anders nachher. Sein Wissen wird nicht wie das unsere durch den Wandel der drei Zeiten, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, beeinflußt, denn «bei ihm ist kein Wechsel noch Schatten einer Veränderung». Seine Aufmerksamkeit geht nicht von einem Gedanken zum anderen über, sondern seine unkörperliche Anschauung hält alles zugleich wissend umfaßt. Denn er begreift die Zeiten ohne zeitliche Begriffe, wie er auch das Zeitliche bewegt ohne eigene zeitliche Bewegung. Ebenda also sah er, daß gut war, was er geschaffen, wo er sah, daß es gut war, es zu schaffen. Auch ward sein Wissen, als er's erschaffen sah, nicht verdoppelt oder irgendwie vermehrt, als wäre sein Wissen, bevor er's sichtbar schuf, geringer gewesen. Denn so vollkommen hätte er nicht schaffen können, wäre nicht sein Wissen so vollkommen gewesen, daß es durch Vollendung seines Werks keinen Zuwachs erfahren konnte. Wenn uns darum lediglich hätte mitgeteilt werden sollen, wer das Licht erschuf, hätte er genügt zu sagen: Gott schuf das Licht. Sollten wir auch erfahren, nicht nur wer es schuf, sondern auch wodurch er's schuf, genügte die Eröffnung: «Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht»; denn dadurch wird uns kundgetan, daß Gott es nicht nur erschaffen, sondern durch sein Wort erschaffen hat. Weil es uns aber hochnötig war, dreierlei über das Geschaffene zur Kenntnis zu nehmen, nämlich wer es geschaffen, wodurch er's geschaffen und weshalb er's geschaffen, hören wir: «Gott sprach Es werde Licht, und es ward Licht. Und Gott sah, daß das Licht gut war. » Fragen wir also, wer es geschaffen hat, lautet die Antwort: «Gott», fragen wir, wodurch er's geschaffen, hören wir: «Er sprach: es werde, und es ward», fragen wir, weshalb, heißt's : «Weil es gut war. » Kein Urheber erhabener als Gott, keine Kunst wirksamer als Gottes Wort, kein Beweggrund besser, als daß vom guten Gotte Gutes geschaffen werde. Auch Plato nennt diesen Beweggrund der Weltschöpfung den einzig wahren, nämlich daß vom guten Gotte gute Werke hervorgebracht werden sollten. Vielleicht hat er dies gelesen, oder es von anderen, die es lasen, vernommen, oder aber er hat selbst mit hellem Geistesauge Gottes unsichtbares Wesen an den Werken der Schöpfung geschaut und erkannt, oder endlich es von denen, die es geschaut, gelernt. (32ff; Fs)
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