Autor: Rhonheimer, Martin Buch: Natur als Grundlage der Moral Titel: Natur als Grundlage der Moral Stichwort: Humanae vitae; Kontrazeption, Sexualität, Keuschheit; Unterscheidung: prokreativer Sinngehalt - verantwortungsvolle Elternschaft Kurzinhalt: ... die Befürworter einer sittlichen Legitimität der Kontrazeption unter den katholischen Moraltheologen gehen ja in der Regel davon aus, daß die Kontrazeption das gleiche Ziel anstrebe, wie die natürliche Familienplanung ... Textausschnitt: Fußnote zu 115a:
[...] Es scheint mir von großer Wichtigkeit, die beiden Fragen nach dem prokreativen Sinngehalt der ehelichen Liebe (Zusammenhang zwischen ehelicher Liebe und Fortpflanzung) einerseits, und den Akten der Wahrnehmung verantwortlicher Elternschaft andererseits zu unterscheiden, was in der Diskussion nicht immer der Fall ist und zu Ungenauigkeiten führt. Die Kontrazeption zum Zwecke der prinzipiellen Ausschaltung der prokreativen Dimension der menschlichen Sexualität steht im Folgenden nicht zur Diskussion. Sondern einzig und allein die Frage nach der Sittlichkeit der Akte der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung, der Regulierung der Fruchtbarkeit also, unter der Voraussetzung, daß der prokreative Sinn der menschlichen Sexualität grundsätzlich anerkannt bleiben soll. Denn die Befürworter einer sittlichen Legitimität der Kontrazeption unter den katholischen Moraltheologen gehen ja in der Regel davon aus, daß die Kontrazeption das gleiche Ziel anstrebe, wie die natürliche Familienplanung, daß sie also nicht einer negativen Einstellung gegenüber dem prokreativen Sinn der ehelichen Liebe entspringe, sondern nur eine andere Methode zur verantwortlichen Regulierung dieser an sich unbestrittenen prokreativen Folgen der Sexualität sei. Es zeigt sich dann allerdings, daß diese Rechnung nicht aufgeht, d. h. daß auch eine in dieser Absicht praktizierte Kontrazeption schließlich zu einer anti-prokreativen Einstellung führt; das ist jedoch eine Folge der Kontrazeption, die zwar für die Erkenntnis ihrer anthropologischen und ethischen Fragwürdigkeit ins Gewicht fällt, nicht jedoch den Punkt bezeichnet, welcher den Grund dieser Fragwürdigkeit ausmacht.
115c Das Anliegen von HV stellt sich vor allem in den Kontext der zweiten Frage, wie Verantwortlichkeit in der Elternschaft auszuüben sei, um zum Schluß zu gelangen, daß dafür der Weg der künstlichen Empfängnisverhütung aus moralischen Gründen auszuschließen sei. Versuchen wir kurz den Weg dieser Argumentation zu skizzieren, indem wir diese gleichzeitig in die Ergebnisse der vorhergehenden Darlegungen einfügen und sie dadurch entsprechend näher beleuchten. (Fs)
115d Der Mensch ist dazu berufen, die Aufgabe der Weitergabe des menschlichen Lebens, als Mitwirken an der göttlichen Schöpferliebe, auf vernünftige und verantwortliche Weise wahrzunehmen, gleichsam als Interpret dieser Liebe und "sibi ipsi et aliis providens", also gemäß einer "ordinatio rationis" der "lex naturalis". Es handelt sich beim Menschen nicht um eine trieb- oder instinktgesteuerte, sondern um eine vernünftig-willentliche, und damit also: um verantwortliche Elternschaft. Das Maß seiner aktiven Mitwirkung an der göttlichen Weltregierung und somit seiner vernünftigen Teilnahme an der göttlichen Vorsehung bezüglich der Schaffung neuen menschlichen Lebens, die, obwohl der Mensch nur Mitwirkender ist, dennoch von seinem Mitwirken-Wollen abhängt, dieses Maß verleiht dem Menschen nicht die natürliche Neigung als solche mit ihren naturalen Antrieben, sondern die Vernunft. Der Akt der Weitergabe des menschlichen Lebens ist deshalb nicht ein Akt der Zeugungspotenz, sondern ein personaler Akt (ein "actus humanus"), ein Akt, der also wesentlich ein vernunftgeprägter Willensakt, oder, was im Falle der willentlichen Verbindung von Mann und Frau dasselbe ist: ein Akt menschlicher Liebe ist. (Fs)
[...]
117b Dabei lehrt nun die Enzyklika - und darin liegt ja der strittige Punkt - daß das einzig sittlich adäquate Mittel der Einschränkung oder Regulierung der Fruchtbarkeit die Enthaltsamkeit ist, während die "direkte, dauernde oder zeitlich begrenzte Sterilisierung des Mannes oder der Frau" sowie jede Handlung als unsittlich verurteilt wird, "die entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Verlauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel" (Nr. 14). (Fs)
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