Autor: Voegelin, Eric Buch: Anamnesis Titel: Anamnesis Stichwort: Bewusstsein als Kraftzentrum; 'Erhelltseins'; bewusstseinstranszendente Prozesse, Schöpfungsmythus Kurzinhalt: Ich, Wille als Kraftzentrum (Energiequantum) , Bewusstsein von Vergangenheit u. Zukunft; Erinnerung, finite Erfahrung als Modell einer bewusstseinstranszendenten; Mythos als finites Symbol Textausschnitt: () Das 'Strömen' ist ein Grenzphänomen; das Bewußtsein als Ganzes strömt nicht. ... Und es ist mir zweifelhaft, ob das Bewußtsein überhaupt die Form des Ich hat oder ob nicht vielmehr das Ich ein Phänomen im Bewußtsein ist. Man braucht die psychoanalytischen Untersuchungen über das Ich und das Es keineswegs in ihren Resultaten zu akzeptieren, um anzuerkennen, daß Freud hier gewisse Grundverhältnisse des Seelenlebens in ihren allgemeinen Zügen richtig gesehen hat.
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Der positive Ansatzpunkt für die Beschreibung der Struktur des Bewußtseins dürfte im Phänomen der Aufmerksamkeit und der Zuwendung von Aufmerksamkeit zu suchen sein. Das Bewußtsein scheint ein Kraftzentrum zu haben, dessen Energie in die verschiedenen Dimensionen des Bewußtseins gerichtet werden kann, um Prozesse der Konstitution in Gang zu bringen. Diese Energie ist offenbar finit,
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Dieses Kraftzentrum, was immer seine Natur sei, befindet sich in einem Prozeß, und zwar in einem Prozeß, der nicht von außen zu beobachten ist, wie eine Gestirnbewegung oder der Zerfall eines Kristalls, sondern den Charakter des inneren 'Erhelltseins' hat; d. h. er läuft nicht blind, sondern ist in seinen inneren Dimensionen von Vergangenheit und Zukunft erlebbar. Das Problem von Vergangenheit und Zukunft als Bewußtseinsdimensionen ist wohl zu unterscheiden von der 'äußeren' Vergangenheit und Zukunft.
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das Mißverständnis, daß es ein Zeitproblem 'an sich' gebe, losgelöst vom Prozeß einer Substanz. Ich erinnere nicht etwas, was 'in der Vergangenheit' liegt, sondern weil ich unter dem Titel 'Erinnerung' - manchmal unter dem Energieeinsatz meiner Aufmerksamkeit, manchmal in weniger durchsichtigen Prozessen von sogenannten 'freien Assoziationen' etc. - meinen abgelaufenen Bewußtseinsprozeß präsent haben kann, habe ich Vergangenheit. Und ich projektiere nicht 'in die Zukunft',
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Da bewußtseinstranszendente Prozesse nicht von innen erfahrbar sind und da zur Bezeichnung ihrer Strukturen keine Symbole zur Verfügung stehen als die bei Gelegenheit von anderen finiten Erfahrungen entwickelten, ergeben sich Ausdruckskonflikte, die - wenn nicht die einzige - so doch die wichtigste Wurzel der Mythenbildung sind. Ein Mythensymbol ist ein finites Symbol, das für einen transfiniten Prozeß 'transparent' sein soll. ____________________________
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