Autor: Borst, Arno Buch: Digitale Bibliothek Band 14: Propyläen, Weltgeschichte Titel: Religiöse und geistige Bewegungen im Hochmittelalter Stichwort: Franziskaner, Dominikaner, Franz, Valdes, Dominikus, Katharer Kurzinhalt: Papst Innocenz III., Armutsbewegung, Albigenserkrieg, Gregor IX., Konventualen, Predigerorden, Thomas (Ochse), frühes 13. Jahrhundert Textausschnitt: ... Ob sich der religiöse und geistige Inhalt wirklich in irdische, körperschaftliche Formen fassen ließe, das wurde dem Jahrhundert allerdings rasch zur quälendsten Frage.
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Als Hugolin ein Jahr nach Franzens Tod ab Gregor IX. Papst wurde, erklärte er Franzens Testament für nicht bindend und erhob Franz zur Ehre der Altäre. Das mag man kluge Politik nennen; es war das Eingeständnis eines ausweglosen Zwiespalts.
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Den Dominikaner Thomas von Aquin nannten Zeitgenossen halb bewundernd, halb befremdet den stummen Ochsen; denn dieser Orden, der 'das Geschaute anderen übermitteln' wollte, war sehr still und sehr stark. Es gibt kein zweites mittelalterliches Beispiel für diese intensive Verquickung von geistiger Zucht und religiöser Bewegung, von Idee und Institution, von Kontemplation und Aktivität.
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Beide zusammen verwandelten die Struktur der Kirche, beide zusammen sprengten die Isolierung der Mönche von den Laien, beide zusammen verknüpften das evangelische Leben mit der katholischen Lehre, die religiöse mit der geistigen Bewegung neu und nachhaltig. Beide gaben alte Sicherungen preis, als sie sich für Armut und Predigt freimachten; beide lieferten sich dem irdischen Treiben aus, um wirken zu können. In dieser Idee der Bettelorden lag so viel sammelnde und sprengende Kraft, daß sich die ganze Kirche auf die neuen Orden stützen konnte, daß aber auch die Ketzerei künftig aus den Reihen der Bettelmönche kam. Nach ihnen schien im Mittelalter keine Steigerung des Mönchtums mehr möglich; aber mit ihnen kam jene Rastlosigkeit und Labilität ins spätere Mittelalter, die zu großen Expansionen und Explosionen führte. Schon im frühen 13. Jahrhundert war die neugewonnene Synthese gefährdet, nicht nur, weil sie nicht mehr in einem einzigen Orden Gestalt gewann, sondern mehr noch, weil sie sich überhaupt nicht verkörperte und eine Aufgabe blieb. Man begreift, daß beide Bettelorden sich mit Vehemenz auf die offenen Fragen warfen. ____________________________
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