Datenbank/Lektüre


Autor: Spaemann, Robert

Buch: Rousseau - Mensch oder Bürger

Titel: Rousseau - Mensch oder Bürger

Stichwort: Natur 5d; N.begriff v. Rousseau; de Bonald: Kritik am Naturbegriff;

Kurzinhalt:

Textausschnitt: 111a Ich möchte zum Abschluß nur noch kurz darauf hinweisen, daß die konterrevolutionäre Kritik des Vicomte de Bonald in der Kritik am Naturbegriff des 18. Jahrhunderts ihren Mittelpunkt hat. Mit dem ihm eigenen Blick für das Wesentliche bezeichnet er in seiner 1792 erschienenen >Théorie du pouvoir< die Gleichsetzung des Natürlichen mit dem Anfänglichen als das proton pseudos der revolutionären Naturtheorie, das so verschiedene Autoren wie Montesquieu, Holbach und Rousseau miteinander verbindet. Bonald hat noch einmal versucht, einen ideologischen Naturbegriff einzuführen, und vorgeschlagen, den anfänglichen Zustand als »état natif« vom »état naturel« zu unterscheiden. Der Indianer ist ein »homme natif«; Bossuet, Fénelon und Leibniz sind »hommes naturels«.29 (Fs)

112a Wenn Rousseau von der göttlichen Stimme spricht, die den Menschen aus dem »état naturel« herausruft, so hat diese Redeweise für Bonald keinen Sinn: Jene göttliche Stimme eben ist die Natur. Natur ist eine Abstraktion, ein »être de raison«, das weder Stimme noch Organ hat. Ihre Wirklichkeit ist eine rein rationale: der göttliche Plan. Inhalt dieses Plans aber ist die Selbsterhaltung alles Seienden. Repression ist natürlich, wenn sie im Dienste von Erhaltung steht. Die Unterordnung des Daseins unter die Bedingungen seiner Erhaltung kann nicht unnatürlich genannt werden. Deshalb ist die zivilisierteste Gesellschaft die natürlichste. Rousseaus »volonté générale« ist, richtig betrachtet, nichts anderes als die Natur der Erhaltungsordnung. Sie hat mit den Velleitäten der Subjektivität nichts zu tun. Es gibt auch bei Rousseau diesen bei ihm allerdings unspezifischen Gebrauch des Wortes Natur, im Sinne einer »Natur der Sache«. So heißt es im >Contrat social< an einer Stelle:

Wenn der Gesetzgeber sich über seinen Gegenstand täuscht, und ein Prinzip wählt, das verschieden von dem ist, das aus der Natur der Dinge hervorgeht,... dann wird der Staat nicht aufhören in Unruhe zu sein, bis er zerstört ist oder sich gewandelt hat und die unbesiegbare Natur ihre Herrschaft wieder aufgerichtet hat.30

113a Während die rousseausche Naturtheorie mit ihrem Pathos der Befreiung für die revolutionären Bewegungen bis zum Marxismus maßgebend wird, wird seine Sozialtheorie und ihr Begriff der »Natur der Sache« auf dem Wege über de Bonald bestimmend für die positivistische Theorie der Gesellschaft. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt