Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Methode in der Theologie

Titel: Methode in der Theologie

Stichwort: Funktionale Spezialisierung; Dialektik: Struktur; 2 Ebenen (Operatoren - Material); Position - Gegenposition; Objektivierung des Horizonts; Material: Zusammenstellung, Vervollständigung, Vergleich, Reduktion, Klassifikation, Selektion

Kurzinhalt: Auf der höheren Ebene sind die Operatoren (operators)... Entwickle Positionen! Kehre Gegenpositionen um! Positionen sind Aussagen, die mit der intellektuellen, moralischen und religiösen Bekehrung vereinbar sind...

Textausschnitt: 5. Dialektik: Die Struktur

47/X Die Struktur der Dialektik weist zwei Ebenen auf. Auf der höheren Ebene sind die Operatoren (operators). Auf der unteren Ebene werden die Materialien gesammelt, mit denen operiert werden soll. Die Operatoren sind zwei Vorschriften: Entwickle Positionen! Kehre Gegenpositionen um! Positionen sind Aussagen, die mit der intellektuellen, moralischen und religiösen Bekehrung vereinbar sind; sie werden entwickelt, indem sie mit neuen Daten und weiteren Entdeckungen zu einem Ganzen zusammengefaßt werden. Gegenpositionen sind Aussagen, die mit der intellektuellen oder moralischen oder religiösen Bekehrung unvereinbar sind; sie werden umgekehrt, wenn die unvereinbaren Elemente beseitigt sind. (253; Fs) (notabene)

48/X Bevor man mit den Materialien operiert, müssen sie erst zusammengestellt, vervollständigt, verglichen, reduziert, klassifiziert und selektiert werden. Die Zusammenstellung umfaßt die ausgeführten Forschungen, die vorgeschlagenen Deutungen, die Darstellungen der Geschichtsschreibung und die Ereignisse, Aussagen und Bewegungen, auf die sie sich beziehen. Die Vervollständigung fügt wertende Deutung und wertende Geschichte hinzu; sie stellt die 'hunderteins guten Dinge'1, und das ihnen Entgegengesetzte heraus; sie ist Geschichte eher nach Art von Burckhardt als von Ranke.2 Der Vergleich untersucht die vervollständigte Zusammenstellung, um Affinitäten und Gegensätze herauszufinden. Die Reduktion findet die gleiche Affinität und den gleichen Gegensatz in vielfach unterschiedlicher Weise manifestiert; von den zahlreichen Manifestationen dringt sie zu der Wurzel vor, die ihnen zugrunde liegt. Die Klassifizierung bestimmt, welche dieser Quellen der Affinität oder des Gegensatzes aus dialektisch entgegengesetzten Horizonten entspringen und welche andere Ursachen haben. Die Selektion schließlich greift die Affinitäten und Gegensätze heraus, die auf dialektisch entgegengesetzten Horizonten beruhen, und übergeht andere Affinitäten und Gegensätze. (253f; Fs) (notabene)

49/X Nun aber wird diese Arbeit der Zusammenstellung, der Vervollständigung, des Vergleichs, der Reduktion, der Klassifizierung und der Selektion durch verschiedene Forscher ausgeführt, und diese werden von unterschiedlichen Horizonten aus tätig. Dementsprechend werden die Ergebnisse nicht gleichförmig sein. Aber der Ursprung dieses Mangels an Gleichförmigkeit wird dann offenkundig, wenn jeder einzelne Forscher daran geht, zwischen Positionen zu unterscheiden, die mit der intellektuellen, moralischen und religiösen Bekehrung vereinbar sind, und andererseits den Gegenpositionen, die entweder mit intellektueller oder moralischer oder religiöser Bekehrung unvereinbar sind. (254; Fs)

50/X Eine weitere Objektivierung des Horizonts wird erreicht, wenn jeder einzelne Forscher mit den Materialien operiert, indem er die Ansicht aufzeigt, die sich aus der Entfaltung dessen ergeben würde, was er als Positionen betrachtet hat, und aus der Umkehrung dessen, was er als Gegenposition angesehen hat. Und es gibt eine abschließende Objektivierung des Horizonts, wenn die Ergebnisse des soeben beschriebenen Vorgangs selbst als Materialien betrachtet werden, wenn sie dann zusammengestellt, vervollständigt, verglichen, reduziert, klassifiziert und selektiert werden, wenn Positionen und Gegenpositionen unterschieden und wenn Positionen entwickelt und Gegenpositionen umgekehrt werden. (254; Fs)