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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Methode in der Theologie

Titel: Methode in der Theologie

Stichwort: Funktionale Spezialisierung; Dialektik; Bekehrung - Zusammebruch (breakdown); Zerstörung kultureller Leistung; Auflösungsprozeß -> Erhaltung seiner Folgerichtigkeit: Spaltung, Unverständnis, Verdächtigung, Mißtrauen, Feindseligkeit, Haß, Gewalt

Kurzinhalt: Überdies bedeutet die Eliminierung eines echten Teils der Kultur die Verstümmelung eines früheren Ganzen, wodurch das Gleichgewicht gestört und der Rest entstellt wird im Bemühen um Kompensation.

Textausschnitt: Zusammenbrüche (eü)

26/X Neben der Bekehrung gibt es aber auch Zusammenbrüche. Was vom einzelnen, von der Gemeinschaft, von der Kultur langsam und mühselig aufgebaut wurde, kann zusammenbrechen. Kognitive Selbst-Transzendenz ist weder eine Idee, die leicht zu fassen ist, noch ein Datum unseres Bewußtseins, das leicht zugänglich und verifizierbar ist. Werte üben zwar eine gewisse esoterische Herrschaft aus, aber wiegen sie auf Dauer schwerer als Sinnenlust, Reichtum und Macht? Zweifellos hatte die Religion ihre Zeit, aber ist diese Zeit inzwischen nicht vorbei? Ist sie nicht lediglich ein illusorischer Trost für schwächere Seelen, ein Opium, das die Reichen verteilen, um die Armen zu beruhigen, oder die mythische Projektion der eigenen Größe des Menschen auf den Himmel? (247; Fs) (notabene)

27/X Anfangs werden nicht alle Religionen, sondern nur manche als illusorisch erklärt, werden nicht alle, sondern nur einige moralische Vorschriften als ineffektiv und nutzlos verworfen, wird nicht alle Wahrheit, sondern nur manche Form von Metaphysik als bloßes Gerede abgetan. Diese Negationen können wahr sein, dann sind sie ein Versuch, den Niedergang aufzuhalten und auszugleichen. Sie können aber auch falsch sein, und dann sind gerade sie der Anfang vom Niedergang. In diesem Fall wird irgendein Teil der kulturellen Leistung zerstört. Er hört auf, vertrauter Bestandteil der eigenen kulturellen Erfahrung zu sein. Er wird in eine vergessene Vergangenheit entschwinden, um vielleicht einmal von Historikern wiederentdeckt und rekonstruiert zu werden. (247f; Fs)

28/X Überdies bedeutet die Eliminierung eines echten Teils der Kultur die Verstümmelung eines früheren Ganzen, wodurch das Gleichgewicht gestört und der Rest entstellt wird im Bemühen um Kompensation. Zudem wird eine solche Eliminierung, Verstümmelung und Entstellung natürlich als Fortschritt bewundert, wobei die offenkundigen Übel, die sie hervorbringen, nicht etwa durch Rückkehr zur irregeleiteten Vergangenheit behoben werden, sondern durch weitere Eliminierung, Verstümmelung und Entstellung. Hat ein Auflösungsprozeß erst einmal begonnen, so wird er durch Selbstbetrug überdeckt und durch seine innere Folgerichtigkeit weiter erhalten. Das bedeutet aber nicht, daß er auf einen einzigen einförmigen Ablauf festgelegt ist. Verschiedene Nationen, verschiedene Gesellschaftsklassen und verschiedene Altersgruppen können unterschiedliche Teile vergangener Errungenschaften zur Beseitigung auswählen, unterschiedliche Verstümmelungen bewirken und unterschiedliche Entstellungen hervorrufen. Der zunehmenden Auflösung entsprechen dann zunehmende Spaltung, Unverständnis, Verdächtigung, Mißtrauen, Feindseligkeit, Haß und Gewalt. Der Sozialkörper wird dadurch auf vielfache Weise auseinandergerissen, wobei seine kulturelle Seele zu vernünftigen Überzeugungen und verantwortungsbewußten Verpflichtungen unfähig wird. (248; Fs) (notabene)

29/X Denn Überzeugungen und Verpflichtungen beruhen auf Tatsachen- und Werturteilen; solche Urteile wiederum beruhen weithin auf Glaubensüberzeugungen. Es gibt in der Tat nur wenige Menschen, die nicht sehr bald zu dem, was sie bisher geglaubt haben, Zuflucht nehmen müssen, wenn man sie in fast allen Punkten unter Druck setzt. Nun kann aber eine solche Zuflucht nur dann wirksam sein, wenn die Glaubenden eine festgefügte Front bilden, und wenn intellektuelle, moralische und religiöse Skeptiker eine kleine und bislang nicht einflußreiche Minderheit sind. Aber deren Zahl kann wachsen, ihr Einfluß steigen und ihre Stimmen können den Buchmarkt, das Erziehungssystem und die Massenmedien beherrschen. Dann beginnt Glauben nicht mehr für, sondern gegen die intellektuelle, moralische und religiöse Selbst-Transzendenz zu arbeiten. Was einst ein ansteigender, aber allgemein geachteter Kurs war, bricht als Seltsamkeit einer überholten Minderheit in sich zusammen. (248; Fs) (notabene)

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