Autor: Ratzinger, Joseph Buch: Im Anfang schuf Gott Titel: Im Anfang schuf Gott Stichwort: Schöpfung, Schöpfungslehre; Verschwinden der Schöpfungsbotschaft in Katechese, Predigt und auch Theologie; Beispiel Kurzinhalt: Der Leser erfährt hier: »Begriffe wie Selektion und Mutation sind intellektuell viel redlicher als der Schöpfungsbegriff« (S. 433). »>Schöpfung< als kosmischer Plan ist ein zu Ende gekommener Gedanke« (ebd.). »Der Schöpfungsbegriff ist damit ein ... Textausschnitt: 9a Die Bedrohung des Lebendigen durch das Werk des Menschen, von der heute allenthalben die Rede ist, hat dem Thema Schöpfung eine neue Dringlichkeit gegeben. Paradoxerweise ist aber gleichzeitig ein nahezu völliges Verschwinden der Schöpfungsbotschaft in Katechese, Predigt und auch Theologie festzustellen.1 Die Schöpfungsberichte werden versteckt; ihre Aussage gilt als nicht mehr zumutbar. Auf dem Hintergrund dieser Situation habe ich mich im Frühjahr 1981 entschlossen, in vier Fastenpredigten im Münchener Liebfrauendom eine Schöpfungskatechese für Erwachsene zu versuchen. Dem vielfach an mich herangetragenen Wunsch nach Veröffentlichung in Buchform konnte ich damals nicht entsprechen, weil die Zeit fehlte, die von verschiedenen Seiten freundlich erstellten Tonbandnachschriften durchzuarbeiten. In den folgenden Jahren ist mir von meiner neuen Aufgabe her der Notstand des Schöpfungsthemas in der heutigen Verkündigung noch deutlicher geworden, so daß ich mich nun doch gedrängt fühlte, die alten Manuskripte wieder hervorzuholen und sie für den Druck zu bearbeiten, wobei der Grundcharakter unverändert geblieben ist und die Grenzen in Kauf genommen wurden, die mit dem Typus der Predigt gegeben sind. Ich hoffe, daß das kleine Buch ein Anstoß dafür sein kann, daß andere es besser machen und daß so die Botschaft vom Schöpfergott wieder den ihr gebührenden Rang in unserer Verkündigung erhält. (Fs) (notabene Fußnote)
Fußnote:
* Für das praktische Aufgeben der Schöpfungslehre in einem einflußreichen Strang moderner Theologie möchte ich nur zwei bezeichnende Beispiele nennen. In dem bekannten, von J. Feiner und L. Vischer herausgegebenen »Neues Glaubensbuch. Der gemeinsame christliche Glaube« (Basel-Zürich 1973) versteckt sich das Schöpfungsthema in einem »Geschichte und Kosmos« überschriebenen Kapitel, das seinerseits dem mit »Glaube und Welt« überschriebenen vierten Teil des Buches zugehört, dem »Die Frage nach Gott« (1. Teil), »Gott in Jesus Christus« (2. "Eil), »Der Neue Mensch« (3. Teil) vorangehen. Wagt man schon nach dieser Plazierung nicht mehr viel Positives zu erhoffen, so übertrifft der von A. Dumas und O. H. Pesch verantwortete Text die schlimmsten Befürchtungen. Der Leser erfährt hier: »Begriffe wie Selektion und Mutation sind intellektuell viel redlicher als der Schöpfungsbegriff« (S. 433). »>Schöpfung< als kosmischer Plan ist ein zu Ende gekommener Gedanke« (ebd.). »Der Schöpfungsbegriff ist damit ein irrealer Begriff« (435). »Schöpfung bedeutet Berufung für den Menschen — was sonst dazu noch gesagt werden mag, auch in der Bibel, ist nicht die Botschaft von der Schöpfung selbst, sondern ihre teilweise mythologische, apokalyptische Formulierung« (435f.). Ist es zu hart geurteilt, wenn man sagt, das weitere Verwenden der Vokabel »Schöpfung« laufe unter diesen Voraussetzungen auf ein semantisches Betrugsmanöver hinaus?
Weniger kraß formuliert findet man dieselbe reduktionistische Position wieder in: La foi des catholiques. Catéchèse fondamentale (Le Centur ion, Paris 1984). Das 736 Seiten starke Werk widmet dem Schöpfungsthema ganze fünf Seiten. Sie finden sich hier im dritten Teil »Une humanité selon l'Evangile« (Teil 1: Une foi vivante; Teil 2: La révélation chrétienne). Schöpfung wird folgendermaßen definiert: »Ainsi, en parlant de Dieu comme créateur, on affirme que le sens premier et dernier de la vie se trouve en Dieu meme, present au plus intime de notre etre...« (356) Auch hier verliert die Vokabel »Schöpfung« vollständig ihren originären sprachlichen Sinn. Überdies werden in einer vom übrigen Text abgehobenen Drucktype, die sonst für ergänzende Zitate oder zusätzliche Texte verwendet wird, die »gängigen Einwände gegen Schöpfung« in vier Punkten dargeboten, worauf der normale Leser (wozu ich mich zähle) im Text keine Antwort findet - es sei denn die, daß er Schöpfung zu Daseinssinn uminterpretieren müsse. Mit solch »existentieller« Reduktion des Schöpfungsthemas tritt aber ein ungeheuerer (wenn nicht totaler) Wirklichkeitsverlust des Glaubens ein, dessen Gott jedenfalls mit der Materie nichts mehr zu schaffen hat. ____________________________
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