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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: F1_076 - Die Seele in ihrer Vereinigung mit dem Körper

Stichwort: F1_076a4ad1; Mensch - Seele (noch andere Formen?); Definition: S. als "die Wirklichkeit eines natürlichen, gegliederten Körpers, der in Möglichkeit Leben hat"; Bild: Licht, Leuchtendes -> S., Körper; Bewegung - Seele

Kurzinhalt: Daher ist es klar, daß in dem, dessen Wirklichkeit die Seele ist, auch die Seele mit einbegriffen ist, wie man ja auch sagt: die Wärme ist die Wirklichkeit des Warmen, und das Licht ist die Wirklichkeit des Leuchtenden; nicht als ob das Leuchtende ...

Textausschnitt: Zu 1. Aristoteles sagt nicht einfach, die Seele sei "die Wirklichkeit eines Körpers", sondern "die Wirklichkeit eines natürlichen, gegliederten Körpers, der in Möglichkeit Leben hat"; und von einer solchen Möglichkeit "wird die Seele nicht zurückgewiesen". Daher ist es klar, daß in dem, dessen Wirklichkeit die Seele ist, auch die Seele mit einbegriffen ist, wie man ja auch sagt: die Wärme ist die Wirklichkeit des Warmen, und das Licht ist die Wirklichkeit des Leuchtenden; nicht als ob das Leuchtende etwas für sich wäre ohne das Licht, sondern weil es durch das Licht leuchtend ist. Ebenso sagt man auch: die Seele ist "die Wirklichkeit eines Körpers" usw., weil durch die Seele der Körper sowohl Körper, als auch gegliedert, als auch in Möglichkeit Leben habend ist. Die erste Wirklichkeit ist aber in Möglichkeit in Hinsicht auf die zweite Wirklichkeit, d. h. die Tätigkeit [45]. Von einer solchen Möglichkeit nämlich wird die Seele 'nicht zurückgewiesen', d. h. nicht ausgeschlossen.1 (Fs; tblStw: Seele) (notabene)

Zu 2. Die Seele bewegt den Leib nicht durch ihr Sein, sofern sie mit dem Leib als Form vereint ist, sondern durch ihre Bewegkraft,2 deren Tätigkeit voraussetzt, daß der Leib durch die Seele bereits in die Wirklichkeit gesetzt ist, so daß die Seele durch die Bewegkraft der bewegende Teil und der beseelte Leib der bewegte Teil ist. (Fs)

Zu 3. In der Stoffwelt sehen wir verschiedene Stufen der Vollkommenheit: Sein, Leben, sinnliches und verstandliches Erkennen. Stets ist aber das Folgende, das über das Vorhergehende kommt, das Vollkommenere. Die Form also, die dem Stoff nur den ersten Vollkommenheitsgrad gibt, ist die unvollkommenste; die Form jedoch, die sowohl den ersten als auch den zweiten, den dritten usw. verleiht, ist die vollkommenste und dennoch unmittelbar mit dem Stoff verbunden. (Fs)

Zu 4. Avicenna hat behauptet, die substantiellen Formen der Grundstoffe blieben unversehrt in dem Gemischten zurück. Die Mischung aber geschehe, sofern die einander entgegengesetzten Beschaffenheiten der Grundstoffe auf einen mittleren Grad gebracht würden. — Das ist jedoch unmöglich. Denn die verschiedenen Formen der Grundstoffe können nur in verschiedenen Stoffteilen sein, für deren Verschiedensein man Ausdehnungen annehmen muß, ohne die der Stoff nicht teilbar sein kann.3 Nun findet sich aber ein der Ausdehnung unterworfener Stoff nur im Körper. Verschiedene Körper können jedoch nicht an demselben Orte sein. Daraus folgt, daß die Grundstoffe im Gemischten der Lage nach geschieden sind. Und so ist es keine wahre Mischung, die auf das Ganze geht, sondern eine Mischung dem Augenschein nach, die die kleinsten nebeneinanderliegenden Teile umfaßt. (Fs)

Averroes aber war der Auffassung, die Formen der Grundstoffe seien wegen ihrer Unvollkommenheit in der Mitte zwischen den substantiellen und den akzidentellen Formen; sie nähmen daher ein Mehr und Weniger an, würden darum in der Mischung abgeschwächt und auf eine mittlere Stärke herabgesetzt; und es bilde sich aus ihnen eine einzige Form. — Das ist aber erst recht unmöglich. Denn das substantielle Sein eines jeden Dinges steht in Unteilbarkeit, und jede Zugabe oder Wegnahme ändert die Art wie bei den Zahlen (Aristoteles) [45a]. (Fs)

Deshalb ist es unmöglich, daß irgendeine substantielle Form ein Mehr oder Weniger annimmt. — Nicht weniger unmöglich ist es, daß es ein Mittleres gibt zwischen Substanz und Akzidens. Deshalb muß man mit dem Philosophen sagen, daß die Formen der Grundstoffe nicht in Wirklichkeit, sondern der Kraft nach im Gemischten bleiben. Es bleiben nämlich die den Grundstoffen eigenen Beschaffenheiten, wenn auch in geminderter Stärke; und in diesen ist die Kraft der grundstofflichen Formen enthalten. Eine derartige Mischungsbeschaffenheit ist dann die eigentliche Zubereitung auf die substantielle Form des gemischten Körpers, z. B. auf die Form des Steines oder auf jedwede Seele [46]. (Fs)

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