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Autor: Scheffczyk, Leo

Buch: Katholische Glaubenswelt

Titel: Katholische Glaubenswelt

Stichwort: Katholizität, katholisch; Vermittlung des Katholischen an die Welt 1; subjektive Erwartungshaltung an die Kirche; fragwürdiger Konformismus

Kurzinhalt: ... Erwartungshaltung gegenüber der Kirche, die so lange vorhält, als sie von der Realität der Kirche ... nicht enttäuscht wird... Wenn die Eigengestalt und das spezifische Wesen nicht mehr sichtbar werden, müssen sich schließlich auch die Christen ...

Textausschnitt: d. Die Vermittlung des Katholischen an die Welt

20b Das Bemühen um die Wahrung der Identität darf nicht mit einer internen Selbstbetrachtung verwechselt werden, die man heute der auf sich selbst reflektierenden Kirche zum Vorwurf macht. Es muss auch im Dienste einer werbenden Verständnisvermittlung des Katholischen an die Welt stehen, d. h. einen gewissen missionarischen Auftrag (im weiteren Sinne) zu erfüllen suchen. (Fs)
20c Die Darstellung des Katholischen der Welt gegenüber steht heute fast ausschließlich unter dem Zwang zur Anpassung und zur Selbstkritik, die manchmal schon einer Selbstverachtung nahe kommt.1 Dabei ist allerdings nicht zu erkennen, dass die so angesprochene "Welt" von diesen Grundeinstellungen wesentlich betroffen würde. Man handelt auf dieser Seite, wie ein launiger Journalist einmal bemerkte, entsprechend dem in einem Volkslied anklingenden Grundsatz: "Jetzt gang i ans Brünnele; trink aber net", d. h. man bringt solcher Anpassung eine gewisse unverbindliche Aufmerksamkeit entgegen, ohne doch von ihr innerlich betroffen zu werden. (Fs)

21a Dabei ist nicht einmal garantiert, dass die so erweckten Sympathien der öffentlichen Meinung tiefer wurzeln und beständig bleiben. Sie kommen nämlich aus einer subjektiven Erwartungshaltung gegenüber der Kirche, die so lange vorhält, als sie von der Realität der Kirche, zu der nicht nur ihr "mystisches" Wesen und ihre ethischen Forderungen, sondern auch ihre immer wieder zutage tretenden Menschlichkeiten gehören, nicht enttäuscht wird. Wo aber die Kirche einmal die Tiefenschicht ihres Glaubens hervorkehrt oder wo sie mit wesentlichen ethischen Forderungen an die Öffentlichkeit dringt, erfolgt nicht selten ein Meinungsumschwung, der die ganze Vordergründigkeit des Einverständnisses der Welt mit der Kirche offen legt. (Fs)

21b Solche abrupten Wendungen und Enttäuschungen sind unvermeidlich, wenn die Kirche der Welt nicht ein beständiges, ungeschminktes, von Höhen und Tiefen gekennzeichnetes Bild ihrer selbst vorhält, das nicht immer gefällig wirken kann, das aber plausibel erscheinen muss. Bei dem angesichts des heutigen Pluralismus herrschenden Nebeneinander von entgegenstehenden Weltauffassungen und Welthaltungen kommt es nicht unwesentlich auf die Vermittlung der eigenen Plausibilitätsstruktur an. Darunter ist die innere Konsistenz und Sinnhaftigkeit wie die äußere Durchsichtigkeit oder Transparenz des betreffenden geistigen Gebildes zu verstehen. Soziologisch betrachtet kann sich unter konkurrierenden Weltauffassungen und Religionen eine bestimmte Einzelform nicht als diffuses Mischwerk empfehlen und halten, sondern nur als innerlich konsistente und äußerlich festumschriebene Größe, die als gefügte Gestalt erscheint, ohne dabei die Offenheit zu anderen hin preisgeben zu müssen. Von daher ist es fraglich, ob eine christliche Gemeinschaft ihre Plausibilitätsstruktur nur im welthaften Engagement, im säkularen Interesse und in weltimmanenter Zukunftsorientierung ausformen kann. Ein solcher Konformismus mag zwar in das Ensemble menschlicher Kräfte eine weitere Stimme einbringen. Aber es ist darin jedenfalls keine originelle und eigenartige Stimme. Wenn die Eigengestalt und das spezifische Wesen nicht mehr sichtbar werden, müssen sich schließlich auch die Christen die Frage gefallen lassen: "Warum soll man eigentlich Psychotherapie oder Rassenfriedensparolen noch in christlicher Verpackung kaufen, wenn man sie um die Ecke in weltlicher haben kann, die immerhin doch noch ein bisschen mehr à la mode ist?"2 Darum ist auch die Warnung nicht in den Wind zu schlagen, dass eine völlige Verlagerung des christlichen Interesses in den sozialen Prozess hinein die Selbstpreisgabe der christlichen Kirchen befördern könnte.3 (Fs)

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