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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Das Böse; Sünde, Verdammnis, leere Hölle; Apokatastasis (Origenes), Hoffnung (Balthasar), Ambrosius; Freiheit - ewige Bestimmung;

Kurzinhalt: Unsere Freiheit ist im eigentlichen Sinn das erschreckende und herrliche Vorrecht, unsere ewige Bestimmung aufbauen zu können... Ohne Gott ist das Böse ein quälendes Rätsel, das uns unerbittlich festhält... gerade weil er über uns hinausgeht, läßt er ...

Textausschnitt: Das dunkle Geheimnis der Verdammnis

237b Es bleibt noch eine Frage übrig, die beängstigendste von allen: Ist es möglich, daß Gott eine Welt erschaffen wollte, in der vorgesehen ist, daß ein freies Geschöpf in die ewige Verdammnis gehen kann?
Die Existenz von geistigen Geschöpfen im endgültigen und ewigen Zustand des Unglücks ist psychologisch wirklich unerträglich. Es verwundert also nicht, daß selbst innerhalb der authentischen christlichen Reflexion oft versucht wurde, das Unbehagen dieses Ausblicks abzuschwächen. (Fs)

Das reicht von der gewagten Hoffnung auf die allgemeine "Apokatastasis" nach der Lehre des Origines, die am Ende alle Menschen zur Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer führt, bis zur jüngsten Hoffnung von Balthasars, daß die Hölle, die doch existiert, leer sei. Auch der hl. Ambrosius scheint der Meinung zu sein, daß für die Christen, die den Glauben bewahrt haben, selbst wenn sie Sünder waren, am Ende die Barmherzigkeit Gottes überwiegen wird. (Fs)

237c Siehe zum Beispiel:

"Num Deus Pater ipse qui contulit potest sua dona rescindere et quos adoptione suscepit eos a patemi affectus gratia relegare? Sed metus est ne iudex severior sit: considera quem habeas iudicem. Nempe Christo dedit Pater omne iudicium. Poterit ergo te ille damnare, quem redemit a morte, pro quo se obtulit, cuius vitam suae mortis mercedem esse cognoscit? Nonne dicet: 'Quae utilitas in sanguine meo, si damno quem ipse salvavi?' Deinde consideras iudicem, non consideras adovcatum. Potest iste severiorem ferre sententiam, qui interpellare non desinit, ut paternae reconciliationis in nos conferatur gratia?" (De Jacob et vita beata 1,6,26). (Fs)

"Kann denn Gott, der Vater, die Gaben, die er selbst verliehen hat, zunichtemachen und die von ihm Adoptierten aus der Gnade der väterlichen Liebe ausschließen? Aber da besteht die Befürchtung, daß der Richter zu streng sei: Bedenke, wen du zum Richter hast. Gewiß, der Vater hat Christus jedes Urteil überlassen. Kann er dich denn verurteilen, wenn er dich vom Tod losgekauft hat, wenn er sich für dich hingegeben hat, wenn er weiß, daß dein Leben der Lohn für seinen Tod ist? Wird er nicht sagen: Welchen Nutzen hat denn mein Blut, wenn ich den verurteile, den ich selbst gerettet habe? Du berücksichtigst die Tatsache, daß er Richter ist, und nicht die Tatsache, daß er Verteidiger ist. Kann er, der darauf besteht, daß die Gnade für die Versöhnung mit dem Vater verliehen wird, ein zu strenges Urteil fällen?"
238a Es wird gut sein, das Problem in seiner Gesamtheit anzugehen. Warum Menschen erschaffen, von denen man nicht nur die Schuld, sondern auch das Beharren in der Schuld und folglich die Verdammnis voraussieht? (Fs) (notabene)

Wir wären versucht, die Möglichkeit, daß Gott solche Menschen erschafft, zu verneinen, denn wir verstehen nicht, wie ihre Berufung ins Dasein mit Gottes Güte zu vereinen wäre. (Fs)

Es sei denn, man würde, näher betrachtet, sowieso von vornherein verneinen, daß es die Möglichkeit überhaupt gibt, daß ein Mensch nicht am Ende doch noch das Gute wählt. Beides aber würde bedeuten, dem Menschen in Wahrheit die Möglichkeit abzusprechen, über sein Schicksal zu entscheiden. (Fs)

238b Darum ist die konkrete Möglichkeit der Verdammnis notwendig, wenn man weiterhin die geschaffene Freiheit ihrem wahren Wesen nach zugestehen will. Denn die Freiheit des Menschen darf sich ihrem Wesen nach nicht auf die Möglichkeit beschränken, zwischen dem einen oder dem anderen Urlaubsort oder zwischen einer gestreiften oder einer getupften Krawatte wählen zu dürfen; auch nicht darauf, eine Ehefrau oder eine politische Partei zu wählen. Unsere Freiheit ist im eigentlichen Sinn das erschreckende und herrliche Vorrecht, unsere ewige Bestimmung aufbauen zu können. Soll es nicht nur dem Namen nach ein Vorrecht sein, muß es notwendigerweise die reale und konkrete Möglichkeit, sich für die Verdammnis zu entscheiden, einschließen. (Fs) (notabene)

239a Offensichtlich ist das Geheimnis der Verdammnis grundsätzlich mit dem Geheimnis der Freiheit verbunden, das vielleicht das einzige wahre Geheimnis des geschaffenen Universums ist. Kierkegaard sagte: "Daß Gott vor seinem Angesicht freiseiende Geschöpfe erschaffen kann, ist das Kreuz, das die Philosophie nicht zu tragen vermag, aber sie ist daran festgenagelt" (Tagebuch, Brescia 1948, Bd. I, S. 121). (Fs)

Kann man sich nicht vorstellen, daß möglicherweise alle gerettet werden? Genügt es nicht, die Existenz der Hölle zuzugeben? Ist unbedingt anzunehmen, daß auch jemand dort sein muß? Die geoffenbarte Lehre, die uns aufgibt, an die Möglichkeit unserer eigenen Verdammnis zu glauben, macht uns keine Zahlenangabe über die Verdammten. Ja, streng genommen, zwingt sie uns nicht einmal dazu, für wahr zu halten, daß einige Menschen tatsächlich hinkommen. Aber die Behauptung, die Hölle sei völlig leer, ist dennoch unvorsichtig und entbehrt jeder Grundlage. (Fs)

In erster Linie ist nicht zu erkennen, mit welchen Beweisführungen man diese Voraussicht tatsächlich für wahrscheinlich halten könnte. Da man keinen Beweisgrund "a posteriori" hat (auf den man wegen einer mangelnder Offenbarung eine direkte Untersuchung gründen könnte), stützt sich eine solche Ansicht mehr oder weniger unbewußt auf Beweisgründe "a priori" (wie die Barmherzigkeit Gottes, die Unmöglichkeit, eine wirkliche Todsünde zu begehen). Die Argumente "a priori" würden gegebenenfalls nicht nur die Nichtexistenz, sondern auch die Unmöglichkeit beweisen. Was wiederum mit der geoffenbarten Lehre unvereinbar ist. (Fs) (notabene)

239b Weil die Offenbarung so oft den Gedanken an die ewige Strafe in Erinnerung ruft, wird es besser sein, sich auf diese göttliche Pädagogik zu verlassen und sie nicht durch Vermutungen zu verwässern, die, so weit uns bekannt, nicht fundiert sind (vgl. G. Biffi, Linee di escatobgia cristiana, Mailand 1990, S. 60-61). (Fs)

Zusammenfassung

240a Selten wird uns so wie in diesem Fall unsere Unfähigkeit bewußt, den Knäuel zu entwirren, auf den wir unvermeidlich stoßen, und gerade in Bezug auf ein Thema, das uns auf existentieller Ebene ganz besonders interessiert. (Fs)

Aus unserer Untersuchung geht ganz klar hervor, daß die Wirklichkeit des Bösen jeden Menschen vor eine Entscheidung stellt: Entweder stützt er sich nur auf sich selbst und seine natürlichen Fähigkeiten, oder er öffnet sich der Glaubenserkenntnis und der geschöpflichen Zustimmung zu Gott. (Fs)
Im ersten Fall kann der Mensch keinen vernünftigen Grund für seine Befindlichkeit erkennen, aber er sieht ganz klar die vollkommene Unvernünftigkeit dessen. Und der Zustand einer Menschheit, die einem oft ungerechten, grundlosen und nutzlosen Leiden überlassen ist, kann nur als wirkliche Sinnlosigkeit gewertet werden. (Fs)

Im zweiten Fall wird die Verwirrung unseres Herzens gewiß nicht aufgehoben angesichts so vielen Leidens, so vieler Tränen, so vieler Bosheit, die die Unschuldigen überfällt. Aber es ist doch zu erwarten, daß alles einen Sinn und einen Zweck innerhalb einer höheren Ordnung hat, die wir nur erahnen können. Oder man hat es mit einem Gott zu tun, dessen Absichten zweifellos originell und unerklärlich sind und der für seine Welt einen Plan entworfen hat, den wir schwerlich verstehen können. (Kann man sich denn darüber wundern, daß Gott der Unendliche ist, weit entfernt von unserem Denken? "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken" (Jes 55,8), ließ er uns mitteilen. Aber dieses verstandesmäßige Unbehagen kann und soll verschwinden, das heißt, es soll in der lebendigen Gewißheit münden, daß wir eine höhere Gerechtigkeit erfahren werden und daß uns eine erfahrbare, zukünftige Glückseligkeit geschenkt wird). (Fs)

Es sei denn, man will es überhaupt nicht mit Gott zu tun haben. Dann droht das Böse in der Welt mit bedrückender Undurchsichtigkeit: Das bedeutet eine Verstümmelung des Verstandes, die mit der Verstümmelung des Lebens einhergeht, und das ist einfach eine Sinnlosigkeit. (Fs)

240b Ohne Gott ist das Böse ein quälendes Rätsel, das uns unerbittlich festhält. (Fs)


241a In Gott, in Christus, ist es Geheimnis, das heißt, es findet Raum in einem ewigen Plan, der uns staunen läßt und unser Begriffsvermögen übersteigt. Aber gerade weil er über uns hinausgeht, läßt er uns auf eine transzendente Rettung hoffen. (Fs)

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