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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Kirche, Ekklesiologie: Johannes (Evangelium, Briefe, Offenbarung); coinonía, "Welt" (seitens der Welt Verfolgung), Opfer Christi (Heilige Geist, Taufe, Eucharistie) , Einwohnung Christi (Weinstock), Sendung (Heilskreis); Babylon, Rom - Frau, Kirche

Kurzinhalt: [ecclesía] ... dieser Terminus fehlt im vierten Evangelium völlig. Dasselbe stellten wir bei den Lukasschriften fest. Es zeigt an, daß den frühen Christengemeinden noch bewußt war, daß dieses Wort nicht von Jesus verwandt worden war. Im dritten Brief ...

Textausschnitt: III. EKKLESIOLOGISCHE SYNTHESE

167a Wir wollen jetzt die Lehre des Evangeliums und der Briefe des Johannes zusammenfassen und eine Synthese der vom Neuen Testament gelieferten Elemente erstellen. (Fs)

Bemerkenswert ist, daß der Terminus "ecclesía" Johannes wohlbekannt ist. Er verwendet ihn in seinem dritten Brief mehrmals. Aber dieser Terminus fehlt im vierten Evangelium völlig. Dasselbe stellten wir bei den Lukasschriften fest. Es zeigt an, daß den frühen Christengemeinden noch bewußt war, daß dieses Wort nicht von Jesus verwandt worden war. Im dritten Brief hat diese Vokabel wie in der Offenbarung des Johannes nur die Bedeutung von "örtlicher Gemeinde". (Fs)

A) Das Evangelium und die Johannesbriefe

Wir wollen nur die wichtigsten Daten des ekklestologischen Denkens dieser Schriften beleuchten. (Fs)

1. Die "coinonía"

167b Die Kirche ist eine "coinonía" (communio), die durch den gemeinsamen Glauben entsteht, die Verkündigung des Heilsereignisses voraussetzt und letztlich die göttlichen Personen miteinbezieht: "Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus" (1 Joh 1,3). Jesus im gemeinsamen Glauben anzunehmen macht aus dieser "Communio" von Menschen eine Familie von Söhnen und Töchtern: "allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden" (Joh 1,12). (Fs)

168a Die Gläubigen, das heißt diejenigen, die in diese Communio der Erkenntnis und Liebe mit Christus und mit Gott eingetreten sind, besitzen schon das ewige Leben, das für Johannes eine im kirchlichen Leben bereits vorhandene Wirklichkeit ist (vgl. Joh 3,36; 5,24; 17,3). (Fs)

2. Die Gemeinschaft

Über die jüdische, völkische Gemeinschaft hinaus sind die "Kinder Gottes" in der einen Wirklichkeit des Opfers Christi versammelt: Jesus "sollte nicht nur für das Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln" (Joh 11,52). Zu beachten, daß diese Einheit von Gläubigen nicht als eine rein formale oder juridische Tatsache gesehen wird. Sie hat ihr wahres Vorbild und ihren eigentlichen Ursprung in dem Band, das den Vater und den Sohn im Geheimnis des dreifaltigen Lebens eint: "Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein ..." (Joh 17,21). (Fs)

Andererseits wird die Einheit der Kirche nicht nur als eine geheimnisvolle oder innere Tatsache betrachtet, sondern als Zeichen der Glaubwürdigkeit vor der Welt gewertet: " ... auch sie (sollen) in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast.... ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich" (Joh 17, 21.23). (Fs)

3. Die "Welt"

168b Diese Gemeinschaft ist genau abgegrenzt und gekennzeichnet. Außen ist die "Welt". Der Terminus bezeichnet in diesen Schriften einmal die erlösungsbedürftige Menschheit und sodann die dem Heilsplan des Vaters ständig widerstehenden Mächte. Die Beziehung zur letztgenannten Wirklichkeit kann nur Widerstand, Kampf und seitens der Welt Verfolgung bedeuten: "... die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen" (1 Joh 5,19). "Die Welt hat sie gehaßt, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin" (Joh 17,14). (Fs) (notabene)

168c "Wer die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater nicht" (1 Joh 2,15). In diesem Kontext werden die Verfechter der "Welt" beurteilt, die Johannes "Antichrist" nennt. Ihnen gegenüber ist die Haltung unerbittlich, selbst wenn es sich um Leute handelt, die unsere kirchliche Erfahrung geteilt haben: "Sie sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns" (1 Joh 2,19; vgl. den ganzen Abschnitt 1 Joh 2,18-29). (Fs)

169a Wenn auch der Kampf, den die Gläubigen zu bestehen haben, schwer ist und die Welt oftmals zu siegen scheint, darf die Kirche nicht den Mut verlieren, denn der Herr Jesus hat schon gesiegt: "In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt" (M 16,33). (Fs)

4. Das Opfer Christi

169b Die Kirche erwächst aus dem Opfer Christi, des wahren Osterlamms. Auf diesem Gedanken baut Johannes seine Erzählung über das Leiden und Sterben auf und ändert bewußt die Chronologie der Synoptiker. (Fs)

Er verwendet die Begriffe "Verherrlichung" und "Erhöhung", um das Ereignis herauszustellen, das die beginnende Erneuerung von allem ist. Dieses Ereignis umfaßt bei ihm zugleich den Tod und die Auferstehung: "Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen" (Joh 12,32). "Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn" (Joh 17,1). (Fs)

169c Das Opfer Christi erbaut die Kirche, weil aus ihm der Heilige Geist, die Taufe, die Eucharistie hervorgehen, die das vierte Evangelium als Grundbausteine der neuen Wirklichkeit bezeichnet. Mit der ihm eigenen Vorliebe für Symbolik und leise Anspielungen gelingt es Johannes, diese Theologie auch in seiner Beschreibung des Todes auf Golgota auszudrücken: "Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf (Joh 19,30). "... einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus" (Joh 19,34). Daß die Anordnung dieser drei Elemente nicht zufällig, sondern wohl überlegt ist, wird von folgender Aussage des 1. Johannesbriefes bestätigt: "Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut, und diese drei sind eins" (1 Joh 5,7-8). (Fs)

5. Die Einwohnung Christi

169d Johannes erkennt wie Paulus in den Gefangenschaftsbriefen ganz klar die tiefe Wirklichkeit der Kirche. Diese beruht auf dem Geheimnis der Einwohnung Christi von Nazaret in den Seinen und in dem geheimnisvollen Band, das Christus und die Christen zu einer unteilbaren Wirklichkeit macht. (Fs)

170a Während Paulus das Bild des "Leibes" verwendet, zieht Johannes das des "Weinstocks" vor: "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. ... Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen" (Joh 15,1-15). Das Bild setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste Teil erinnert an einen Vergleich, der schon von den Propheten für das Bundesvolk verwandt wurde (vgl. Jes 5,1-7; 27,2-6; Jer 2,21). Scheinbar ist das neue, wahre Israel der "Rest", den Gott sich seiner Verheißung nach vorbehalten wollte, um das Volk des neuen Bundes zu begründen, eine Anspielung auf Jesus. (Fs)

Der zweite Teil ist neu und bekundet die gegenseitige Einwohnung von Christus und den Gläubigen, die das Wesen der Kirche ausmacht. Das Leben der christlichen Gemeinschaft ist dasselbe wie das Leben des Erlösers. Es ist ausgeschlossen, sie voneinander zu trennen, will man nicht alles entleeren und verzerren. (Fs)

6. Die Sendung

170b Der letzte Begriff, der notwendig ist, um die Ekklesiologie des Johannes zu verstehen, ist die "Mission", die "Sendung": Die Kirche entsteht, lebt, ist zusammengefügt und entwickelt sich kraft der "Sendung". (Fs)

Das Wort "senden" ist eines der am häufigsten verwendeten Worte und bringt einen Grundgedanken des vierten Evangeliums zum Ausdruck. Im Griechischen sind es zwei Worte: "pempo" und "apostello"; aber es besteht zwischen ihnen kein wesentlicher Unterschied. (Fs)

170c Die erste Sendung, von der alles seinen Anfang nimmt, ist die des Jesus von Nazaret, des eingeborenen Sohnes Gottes. Von ihr ist die Rede in allen Schriften des Johannes. Ja, Christus bezeichnet Gott in diesen Texten mit der sterotypen Formel "o pempsas me pater" ("der Vater, der mich gesandt hat"). Diese Sendung verläuft in einem "Heilskreis" und endet wieder beim Vater:
"Vom Vater bin ich ausgegangen
und in die Welt gekommen;
ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater" (Joh 16,28). (Fs)

171a Die erste Sendung hat die zweite zur Folge, die des Geistes, den der Auferstandene aus der Mitte des göttlichen Lebens sendet: "Der Beistand, den ich euch vom Vater aus senden werde" (Joh 15,26). Mit der Sendung des Geistes wird die Sendung der Zwölf vervollständigt, die die Kirche als Heilsgemeinschaft leiten: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" (Joh 20,21). Die Gemeinschaft der Gläubigen ist ein Netz dieser aufeinanderfolgenden Sendungen, die alle ihren Ursprung im Heilsplan des Vaters haben. Selbst der unaussprechliche Schwung der Liebe, mit dem der Vater sein ganzes Leben dem Sohn überträgt, geht auf die Schöpfung über und schenkt der Kirche immer von neuem das Dasein. (Fs)

Anhang: das Buch der Offenbarung

171b Eine kurze Bemerkung zur Ekklesiologie der "Offenbarung," eines Buches, dessen Hauptthema die Kirche ist, die gleichsam als Einsatz im Spiel der kosmischen Auseinandersetzung zwischen Gott und dem Teufel dargestellt wird. Die menschliche, irdische Phase dieses Kampfes, der alles menschliche Verstehen übersteigt, ist die dramatische Auseinandersetzung zwischen der Kirche und der römischen Macht (möglicherweise vor dem Hintergrund der Verfolgung unter Nero oder Domitian). (Fs)

Röm ist die "große Hure" (17,1), das Tier mit sieben Köpfen: "Die sieben Köpfe bedeuten die sieben Berge" (17,9). Sie dürstet und ist betrunken vom Blut der Zeugen Jesu (17,6). Aber der wahre Grund dieses bestürzenden Verhaltens der politischen Verantwortlichen ist die Aufreizung durch Satan. (Fs)

Ihr Triumph darf nicht erschrecken und Ärger erregen, weil sie ja schon zum Untergang bestimmt ist: Christus, der Auferstandene, "der König der Könige und Herr der Herren" (19,16), wird sie zerstören. (Fs)

Der Macht Roms, der "Welt" gegenüber ist die Kirche eine schwache Frau, leidet Geburtswehen, ist gezwungen zu fliehen. Aber ihre Leiden sind die einer Gebärenden, weil sie eine neue und herrliche Wirklichkeit gebiert. Gott rettet sie und bestimmt sie zum Sieg (vgl. 12,1-6). (Fs)

171c Nach der Zerstörung des Tieres wird eine Zeit des Friedens und Wohlstandes kommen (die "tausend Jahre": vgl. 20,1-6), aber die Prüfungen sind noch nicht zu Ende, weil der Teufel dann wieder zum Angriff übergehen (vgl. 20,7-9) und freie Hand haben wird bis zur Stunde des Gerichts und der Auferstehung (vgl. 20,11-15). Die Offenbarung des Johannes scheint also den Christen sagen zu wollen, daß alle Prüfungen auch hier unten einmal enden werden und daß es Zeiten der Ruhe gibt. Aber sie warnt auch, sich Illusionen zu machen: Vor dem Kommen des Herrn ist keine irdische "Ordnung" endgültig. Deshalb muß die Kirche immer bereit sein zu leiden, sie darf aber nie die Hoffnung verlieren, daß Gott immer Herr des menschlichen Schicksals ist (Vision von Kap. 4) und daß Christus von ihm alle Vollmacht empfangen hat und Sieger bleibt, was immer auch geschieht (Vision von Kap. 5). (Fs)

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