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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Christus - Haupt des Universums; Verbindung mit Ch. seit Schöpfungsbeginn; Ambrosius (Anthropozentrismus); Unterschied: Zugehörigkeit zu Kirche; Hymnus (Kolosser); Ch: in, durch, auf ihn hin (en, dia, eis,)

Kurzinhalt: Christus ist also das Haupt der geschaffenen Welt, noch bevor er Haupt der Kirche ist... Diese anfängliche Zugehörigkeit zu Christus unterscheidet sich von der Zugehörigkeit zur Kirche:

Textausschnitt: 2. Christus, Haupt des geschaffenen Universums

71a Wir haben über das Geheimnis der Erlösung nachgedacht. Dabei ist uns aufgegangen, daß es schon vor der geheimnisvollen Verbindung der Kirche, die Frucht der Erlösung ist, eine Verbindung zwischen den Menschen, ja zwischen der ganzen Schöpfung und Christus gegeben haben muß. Diese Verbindung besteht schon seit Schöpfungsbeginn und ist, obwohl sie vom Teufel ständig bekämpft und behindert wurde, nie erloschen. (Fs)

Von Anfang an ist alles für den Menschen erdacht und gewollt. Alle Dinge sind deshalb in den Dienst des Menschen gestellt, alle Dinge finden im Menschen Sinn und Ausdruck, um Gott zu loben. Alle Dinge existieren gleichsam als gestufte Teilhabe an der Daseinsfülle, die in der menschlichen Natur enthalten ist. Dieser Anthropozentrismus wird zum Beispiel vom hl. Ambrosius klar ausgedrückt:

"Der sechste Tag ist zu Ende, und die Erschaffung der Welt mit der Herstellung des Meisterwerks, des Menschen, ist beendet. Er herrscht über alles, was lebt, und ist gleichsam die Krone des Universums und die höchste Schönheit alles Geschaffenen."

"... in quo principatus est animantium universarum et summa quaedam universitatisetomnismundanaegratiacreaturae"(Exameron VI, 10,75). Aber alle Menschen sind von Ewigkeit her in Christus, dem Erlöser, erdacht und gewollt, von Anfang an ihm nachgebildet, auf ihn ausgerichtet und eng mit ihm verbunden. (Fs)

Christus ist also das Haupt der geschaffenen Welt, noch bevor er Haupt der Kirche ist. Jeder Mensch gehört Ihm an, noch bevor er von seinem Geist erreicht und umgewandelt wird. Jeder Mensch ist in gewisser Weise sein Spiegelbild, noch bevor er an seinem göttlichen Leben teilhat. (Fs) (notabene)

71b Diese anfängliche Zugehörigkeit zu Christus unterscheidet sich von der Zugehörigkeit zur Kirche:

- weil sie von Anfang an besteht und für ihre Fortsetzung keine Zustimmung des Einzelnen oder der Gemeinschaft erfordert;
- weil sie universelle Wirklichkeit ist und alle einbezieht, nicht nur die Getauften oder diejenigen, die den Glauben angenommen haben;
- weil sie unauslöschlich ist; nicht einmal das auflehnende Verhalten des Menschen kann bewirken, daß er nicht derjenige ist, der er in der Wahrheit seines Wesens ist, d.h. ein wenn auch verblichenes und geschändetes Bild des Herrn. (Fs)

72a Gewiß ist eine solche Zugehörigkeit zu Christus in dieser vergänglichen und sündebefleckten Welt nur unvollständig und anfanghaft und will von der Heilskraft vervollkommnet und sublimiert werden. Sie ist gleichsam der Entwurf eines Bildes, das verfeinert werden will, damit es das, was es ist, besser ausdrücken und ein Meisterwerk werden kann. Aber der Ansatz ist authentisch, er ist schon in allen Menschen vorhanden, und keine Gewalt des Bösen ist imstande, ihn vollständig zu zerstören. (Fs)

Jedes Ding, jeder Mensch wird schon mit dem Kennzeichen des Herrn Jesus geboren, das seinem Wesenskern aufgeprägt ist. Jedes Ding, jeder Mensch wird aber auch unter der "Herrschaft" des Bösen geboren ("...der Tod ist zur Herrschaft gekommen", sagt Paulus, vgl. Röm 5,17). Deshalb kann sich dieser Ansatz von Ebenbildlichkeit nicht bis zur Inbesitznahme, besser, bis zur vollen Ausspendung des göttlichen Lebens entwickeln. Das ist das Geheimnis der Ursünde. Das erlöste Leben (das durch die Taufe geschenkte neue Leben, das Leben in der Kirche oder das Leben in der Gnade) befreit den Menschen von der schweren Unterdrückung des Bösen und erlaubt ihm, seine wahre Natur als "lebendige Ikone Christi" zu verwirklichen; es läßt ihn immer mehr in der Verbundenheit und in der Ebenbildlichkeit mit seinem Erlöser wachsen. (Fs)

72b Wie man sieht, wird der Mensch, der ernsthaft als Christ lebt, wirklich "mehr Mensch", das heißt, er verwirklicht voll seine ursprüngliche und unauslöschliche Natur des "Bildes", das immer mehr "Abbild", Gott "ähnlich" (vgl. Gen 1,26) werden will. (Fs) (notabene)

72c Die Gemeinde zur Zeit der Apostel verkündete freudig diese Wahrheit, die die Grundlage und Zusammenfassung des ganzes Christentums ist, in einem Hymnus, den Paulus im Brief an die Gläubigen von Kolossä wiedergegeben hat:

Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes,
der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.
Denn in ihm (en autO) wurde alles erschaffen
im Himmel und auf Erden,
das Sichtbare und das Unsichtbare,
Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten;
alles ist durch ihn (di autou) und auf ihn (eis auton)
hin geschaffen.
Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand.

73a
Er ist das Haupt des Leibes,
der Leib aber ist die Kirche.
Er ist der Ursprung,
der Erstgeborne der Toten;
so hat er in allem den Vorrang.
Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm
(en autO) wohnen,
um durch ihn (di autou) alles auf ihn hin (eis auton)
zu versöhnen.
Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus
führen,
der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut
(Kol 1,15-20). (Fs)

Anmerkungen

- Die Rede ist von dem geliebten Sohn, das heißt vom Eingeborenen des Vaters, der uns durch sein Blut die Erlösung, die Vergebung der Sünden erlangt hat. (Fs)

- Der Hymnus ist symmetrisch in zwei Strophen geteilt, die erste handelt von der Schöpfung, die zweite betrifft die erlöste Schöpfung, das heißt die Kirche. (Fs)

- Die Rolle Christi in beiden Bereichen wird durch die Angabe der dreifachen Ursächlichkeit ausgedrückt: in, durch, auf ihn hin (en, dia, eis,). (Fs)

- In beiden Strophen wird klar dargestellt, daß die Rolle als "Haupt" oder "Prinzip" über die "Gesamtheit" ausgeübt wird. Die "Gesamtheit" im geschaffenen Universum und im erlösten Universum (der Kirche) umfaßt auch die Welt der himmlischen Mächte. (Fs)

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