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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Erlöser, Erlösung - Heilsgrund (Christus: warum heilbringend?); 2 Perspektiven (Osten - Westen): Wiederherstellung d. Ebenbildlichkeit (Menschwerdung) - W. d. Gerechtigkeiten (Kreuz, Auferstehung)

Kurzinhalt: Die zweite theologische Perspektive (die wie die synoptische Katechese und noch mehr die Paulusbriefe auch von den Schriften der apostolischen Gemeinde ausgeht) stellt das Heilswerk als eine Wiederherstellung der verletzten Gerechtigkeit und eine ...

Textausschnitt: 2. Der Heilsgrund

62b Die zweite Frage ist schwieriger und läßt uns tiefer in den Kern des Geheimnisses eindringen. Das ganze Christus-Ereignis ist heilbringend, angefangen von der Menschwerdung bis zu seiner Erhöhung in der Herrlichkeit und seinem verborgenen Leben als Gott. Aber warum ist es heilbringend? Wodurch hat diese Geschichte einen besonderen Heilswert?
Die Überlegung der Kirchenväter und der großen Theologen zeigt uns zwei Zugänge zum Verständnis des Geheimnisses, ohne zu beanspruchen, daß damit das Verständnis ausgeschöpft ist. (Fs)

a) Der erste Grund, der aus der Reflexion des Apostels Johannes herrührt und vor allem von den griechischen Vätern vertieft wurde, will den Heilswert der Menschwerdung unterstreichen. Ausgehend von der Voraussetzung, daß der Zustand des Verfalls und Niedergangs des Menschen auf den Verlust der Gottesebenbildlichkeit und der Vergöttlichung zurückgeht, sieht diese theologische Richtung die Wiederherstellung und Erlösung gerade in dem Wiedererlangen der Eigenschaft als lebendige "Ikone" der Gottheit, die der Mensch im ursprünglichen Plan Gottes besitzt, und in seiner Rückführung in den Zustand des Sohnes, der an der Natur des Vaters teilhat. (Fs)

62c Das Wort, das vom menschlichen Sein so Besitz ergreift, daß die göttliche Person darin eingeht, bringt innerhalb unserer geschichtlichen Grenzen wahrhaft und konkret das Menschenbild zurück, das dem unveränderten Willen des Vaters entspricht und deshalb "gerecht" ist. Mit dem lebendigen Abbild Gottes, das durch Jesus, den neuen Adam, gegeben ist, Beziehung aufnehmen; seine gelebte Erkenntnis, seine Liebe und seine Gnade im eigenen Leben wirken lassen; sein Geheimnis, ("theandrico", das heißt Gott und Mensch zu sein) wenn auch bruchstückhaft widerspiegeln: das bedeutet, aus dem Zustand der Ungerechtigkeit, der Knechtschaft des Bösen, der Sterblichkeit in den Zustand der Gerechtigkeit, der geistigen Freiheit, des ewigen Lebens überzugehen. (Fs)

63a Es ist zu beachten, daß sich die heilbringende Menschwerdung nicht auf den Beginn des irdischen Lebens des Gottessohnes beschränkt: Die menschliche Natur wird in ihrer ganzen geschichtlichen Befindlichkeit von Verfall und Sterblichkeit - mit einer einzigen Ausnahme: der Schuldhaftigkeit - angenommen, so daß das Wort Fleisch wird, indem es während seiner gesamten irdischen Lebensspanne sukzessive unser ganzes Geschick und damit körperliche Anstrengung, Traurigkeit, Angst, Leiden und den Tod teilt. Die Stunde des Leidens, des Kreuzestodes und der Auferstehung bildet deshalb den abschließenden Höhepunkt der Menschwerdung und damit des Loskaufs des Menschen. (Fs)

b) Die zweite theologische Perspektive (die wie die synoptische Katechese und noch mehr die Paulusbriefe auch von den Schriften der apostolischen Gemeinde ausgeht) stellt das Heilswerk als eine Wiederherstellung der verletzten Gerechtigkeit und eine "Rückkehr", eine Umkehr des Menschen dar, der sich von Gott entfernt hat. Diese zweite Sichtweise neigt dazu, die Heilsdimension des Leidens und Sterbens Christi zu betonen, vor allem weil es das Geheimnis des Gehorsams des menschgewordenen Gottessohnes gegenüber dem Willen des Vaters bildet. (Fs)

63b Das heißt: Wie Verfall und Untergang im Grunde in der absurden Auflehnung und im Ungehorsam des Geschöpfes, das sich vom Lebensquell entfernt und für den Tod entschieden hat, gegenüber dem Schöpfer bestehen, so besteht umgekehrt die Erlösung in der Wieder-angleichung des Willens des Menschen an den Willen des Vaters. Der Mensch kehrt zum Ursprung des Lebens zurück, was seine vollständige Verwirklichung in der Auferstehung findet. Aber weil es Gottes absoluter und unverrückbarer Wille ist, daß das Grundprinzip der Gerechtigkeit geachtet wird, ist die Rechtschaffenheit mit Freude und die Sünde mit Schmerz verbunden und der Mensch, der "umkehrt", muß das Leiden als pflichtgemäßen Weg annehmen; d. h., der abgeirrte Mensch muß seinen deformierten Willen zurechtbiegen und dem ewigen göttlichen Plan wieder zustimmen. Indem Jesus sein Leiden und Sterben für die Sünder, seine Brüder und Schwestern, annimmt, bekundet und vollendet er seine vorbehaltlose Zustimmung zur Gerechtigkeit des Vaters. In diesem "Gehorsam" richtet sich der menschliche Wille erneut nach dem Willen Gottes und geht in umgekehrter Richtung den Weg, der zu Verfall und Tod geführt hat. (Fs)

64a Wir stellen fest, daß diese beiden Perspektiven einander nicht ausschließen, sondern ineinander verschmelzen und uns ein Stück weiterführen. Sie helfen uns, in eine Wirklichkeit einzudringen, die wir in aller Schönheit und Verständlichkeit erst dann betrachten können, wenn wir einmal jenseits des irdischen Vorhangs die volle Anschauung des Erlösers und des vom Vater beschlossenen ewigen Heilsplans genießen werden. (Fs)

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