Autor: Biffi, Giacomo Buch: Sehnsucht nach dem Heil Titel: Sehnsucht nach dem Heil Stichwort: Wer ist Jesus Christus? Antwort der Kirche: Messianität (Messias; David, Melchisedek, Gottesknecht), Auferstehung,Gottheit ; Zusammenfassung Kurzinhalt: Der Glaube der Kirche, der durch den Mund des Petrus ausgedrückt wird, unterstreicht die absolute Einmaligkeit: Jesus von Nazaret ist "der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes". Textausschnitt: B) Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
48c Während die Meinung der "Leute" pluralistisch, vielfältig ist, ist die kirchliche Antwort einheitlich. Im Bezug auf Jesus Christus gibt es in der Kirche keinen Pluralismus: Die Antwort des Petrus ist die Antwort aller. Die übereinstimmende Überzeugung eines jeden von uns mit dem Glauben des Petrus bildet den Vergleichs-"Felsen", an dem die Rechtmäßigkeit der kirchlichen Zugehörigkeit gemessen wird. Wer diesen Glauben verzerrt, hat in der Kirche keinen Raum mehr. Die apostolische Gemeinschaft neigt in diesem Punkt nicht zur Irenik. (Fs)
49a "Wenn jemand zu euch kommt und nicht diese Lehre mitbringt, dann nehmt ihn nicht in euer Haus auf, sondern verweigert ihm den Gruß" (2 Joh 10). (Fs)
"Ich warne euch vor den wilden Tieren in Menschengestalt. Ihr dürft sie nicht aufnehmen, ja, ihr sollt sie nicht einmal treffen. Ihr könnt nur für sie beten, damit sie sich bekehren; das wird aber kaum geschehen" (Ignatios, An die Gemeinde von Smyrna IV, 1). "Sie sind tollwütige Hunde, die insgeheim beißen; ihr müßt euch vor ihnen in acht nehmen, denn sie sind kaum zu heilen" (Ignatios, An die Epheser VII,!). (Fs)
Wie wir gesehen haben, neigen die weltlichen "Meinungen" über Jesus von Nazaret dazu, ihn einzuordnen. Der Glaube der Kirche, der durch den Mund des Petrus ausgedrückt wird, unterstreicht die absolute Einmaligkeit: Jesus von Nazaret ist "der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes". Jesus von Nazaret ist ein "Fall", der mit keinem andern vergleichbar ist. (Fs) (notabene)
49b Aber in welcher Hinsicht dürfen wir im Fall Jesu von "Einzigkeit" sprechen? Warum läßt sich Jesus nicht einordnen? Die apostolische Kirche, die durch den Mund des Petrus spricht und in der Welt auch heute lebendig und gegenwärtig ist, nennt drei klare Inhalte, wenn sie die "Einzigkeit" bekräftigt: die Messianität, die Auferstehung nach dem Tod und die Gottheit. (Fs)
1. Die Messianität
a) Für die Juden war der "Messias" zur Zeit Jesu die Gestalt, auf die sich alle Erwartungen Israels konzentrierten: Er sollte das Reich Davids wiederherstellen, den Gottesdienst erneuern und reinigen, den Willen Jahwes und seinen Heilsplan offenbaren und Israels schmerzlicher und demütigender Geschichte ein Ende setzen. (Fs)
Dabei ist zu berücksichtigen, daß der "Messias"-Begriff nicht unbedingt mit Einmaligkeit verbunden war. Die Juden kannten viele messianische Gestalten in der Vergangenheit: David, die Könige, die Hohenpriester, die Propheten hatten ab und zu diesen Titel erhalten, der an die Weihe durch Salbung erinnerte. (Fs)
49c Auch für die Zukunft erwarteten die Juden nicht nur einen einzigen Messias. Die in Qumran aufgefundenen Schriftrollen und die "Testamente der zwölf Patriarchen" unterrichten uns darüber, daß einige religiöse Strömungen für die Endzeit mehrere Messias-Gestalten erwarteten: Neben einem Messias des David, der mit Königswürde ausgestattet war, wurde auch - im Unterschied dazu - ein mit der Priesterwürde des Aron ausgestatteter Messias erwartet. (Fs)
50a Auch die im Deuteronomium aufgezeichnete Verheißung an Mose scheint die Erwartung eines "Propheten" geweckt zu haben, der sich vom königlichen und vom priesterlichen Messias unterscheiden sollte. (Fs)
"Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, aus deiner Mitte, unter deinen Brüdern, erstehen lassen. Auf ihn sollt ihr hören" (Dt 18,15). (Fs)
Man vergleiche auch die an Johannes den Täufer gerichtete Frage: "Bist du der Prophet?" (Joh 1,21). (Fs)
b) Jesus hatte die Bezeichnung Messias zunächst nur mit Vorbehalt angenommen, aber während der letzten Woche vor seinem Tod schien er ausdrücklich bekräftigen zu wollen, daß sich in ihm alle messianischen Erwartungen erfüllt und erschöpft hatten. Nach der Salbung in Betanien ordnet er den Einzug in Jerusalem als König und Messias des David an. Er vollbringt ungewöhnliche und bedeutsame Wundertaten, die ihn als "Propheten" auszeichnen (wie die Austreibung der Händler aus dem Tempel und die Verfluchung eines Feigenbaumes). Durch das Zeichen über Brot und Wein beim letzten Abendmahl beruft er sich auf Melchisedek und zeigt sich als priesterlicher Messias. In seinem Leiden verwirklicht er die Messianität des leidenden Gottesknechtes, von dem Deuterojesaja gesprochen hatte. Die Erscheinung des Auferstandenen und seine Himmelfahrt bezeugen ihn am Ende als den Menschensohn, den eschatologischen Messias, der in der Herrlichkeit Gottes kommt und die Menschheitsgeschichte besiegelt, und von dem Daniels Prophethien gesprochen hatten. (Fs)
c) Wir wundern uns also nicht darüber, daß die apostolische Kirche Jesus von Nazaret immer als den Christus, d. h. als den einzigen Messias, die einzige Erfüllung aller Erwartungen der Menschen darstellt. Die Glaubensaussage: "Jesus ist der Christus" ("Du bist der Messias", sagt Petrus) ist eine der am häufigsten dokumentierten Formeln in der Apostelgeschichte (vgl. Apg 2,36; 3,20; 5,42; 9,22; 17,3; 18.5; 18,28). In der jüdischen Welt war sie die meistverbreitete. Aber sie wurde wohl auch allen übrigen Gläubigen angeboten, denn der Beiname "Christus" wird in den griechischsprechenden Gemeinden sogar als Beifügung zu dem Namen Jesus verwandt. Und gerade in Antiochien, das heißt in einer nichtjüdischen Gemeinde, entsteht aus diesem Titel das Wort "Christen", mit dem die Jünger des Jesus von Nazaret bezeichnet werden (vgl. Apg 11,26). (notabene)
51a
d) Die Kirche bietet heute noch allen Menschen den Glauben des Petrus an: Jesus ist der Messias, d. h. die Antwort Gottes auf alle grundlegenden Erwartungen der Menschen. Alle Bestrebungen, die schon immer in den Menschenherzen lebendig sind in bezug auf die Wahrheit, Sicherheit, Freiheit, Sinngebung und Freude finden in Jesus von Nazaret die einzige, endgültige Erfüllung. (Fs)
Die existentielle Schlußfolgerung ist klar: Der erste Aspekt der "Einzigkeit" Jesu - Jesus, der einzige vom Menschen Erwartete und der einzige vom Vater Gesandte - schützt uns vor jedem Persönlichkeitskult und jeder Verblendung. Wenn Jesus der Messias ist, dürfen wir uns keinen anderen Menschen erwarten, der die menschliche Geschichte wirklich zu einer Lösung führen will. Jede menschliche "Größe" verringert sich in diesem Licht. Der Messias ist bereits gekommen. Kein Ideologe, kein Befreier, keine außerordentliche Persönlichkeit kann noch kommen und das Herz des wahren Christen bezaubern und besitzen. (Fs) (notabene)
51b Wie der hl. Ambrosius sagt: "Die Kirche hat schon ihren Magier." Der Christ kann aber jede neue Persönlichkeit oder neue Lehre, die auf der Weltbühne erscheint, im Licht Christi und seiner einzigen Messianität eingehend prüfen und entsprechend relativieren. (Fs)
2. Die Auferstehung
51c Durch das Bekenntnis für Jesus, den Sohn des lebendigen Gottes, scheint die Erklärung des Petrus stillschweigend die Überzeugung miteinzuschließen, die in allen Reden der Apostel vom Pfingsttag an vorherrscht: Der Sohn des lebendigen Gottes konnte nicht Gefangener des Todes und der Verwesung bleiben. "Den Urheber des Lebens habt ihr getötet - sagt Petrus -, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen" (Apg 3,14-15). Ein zweiter Aspekt der "Einzigkeit" Christi ist die Tatsache, daß er lebt. Es ist notwendig, in diesem Punkt jede Unklarheit auszuräumen. Die österliche Botschaft: "Er ist auferstanden", die den ursprünglichen Kern des christlichen Glaubens bildet, lautet, daß Jesus von Nazaret, ein Mensch, der vor zweitausend Jahren den Kreuzestod gestorben ist, heute wahrhaftig, wirklich und körperlich lebt. Er lebt von sich aus: nicht in seiner Botschaft, seinem Beispiel, seinem ideellen Einfluß auf die menschliche Geschichte, nicht in den Armen, in den Mitmenschen, in der Gemeinschaft. Das sind alles wahre, wunderbare Einwohnungen Christi, die für das kirchliche Leben entscheidend sind. Aber sie folgten erst später auf die zentrale und ursprüngliche Wahrheit, daß Christus leiblich und in seiner persönlichen Identität lebt. (Fs) (notabene)
52a Dieses Ereignis, das Jesus von Nazaret zu einem Fall für sich und zu einer unvergleichbaren und nicht einzuordnenden Person macht, macht auch diejenigen, die diese Botschaft aufnehmen, zu einem einmaligen Fall. (Fs)
52b Es ist wichtig, daß sich die Christen darüber im klaren sind:
- daß das der Grund für die tiefste und unverrückbare Spaltung zwischen den Menschen ist (vgl. Apg 25,19: "Sie führten nur einige Streitfragen gegen ihn ins Feld, die ihre Religion und einen gewissen Jesus betreffen, der gestorben ist, von dem Paulus aber behauptet, er lebe");
- daß diese Überzeugung die Gläubigen notwendigerweise in einen Zustand der "Verrücktheit" in den Augen der Nichtglaubenden versetzt (1 Kor 4,10: "Wir stehen als Toren da um Christi willen");
- es gibt und es darf keine unentschiedene Haltung geben in der Frage, ob Jesus heute leiblich lebt oder ob er heute leiblich tot ist; und es darf in diesem Punkt keinen Kompromiß zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden geben;
- daß für den Menschen, wenn Christus auferstanden ist, alles anders geworden ist: der Tod, der letzte Herrscher, ist besiegt und hat nicht das letzte Wort über den Menschen;
- daß das wirkliche "Revolutionäre" an Jesus von Nazaret die Tatsache ist, daß er, nachdem er gestorben war, wirklich, wahrhaftig, leiblich und unwiderruflich weiterlebt. (Fs) (notabene)
3. Die Gottheit
52c Petrus verkündet: "Du bist der Sohn des lebendigen Gottes". Wir haben hier das dritte, höchste und bestürzendste Merkmal der Einzigkeit des Jesus von Nazaret vor uns, das heißt seine göttliche Person oder, einfacher, seine Gottheit. (Fs)
52d Es war geschichtlich undenkbar, daß die Vergöttlichung eines Menschen "auf natürlichem Weg" innerhalb der jüdischen Kultur entstehen konnte, die ganz streng und radikal monotheistisch war. Und doch gelangte die apostolische Kirche zu dieser bestürzenden Überzeugung, weil sie durch das Licht der Auferstehung dazu gezwungen war: "Mein Herr und mein Gott" (Joh 20,28) lautet das Glaubensbekenntnis des ungläubigen Thomas, das am Schluß der Katechese des Johannes steht. (Fs)
53a Die apostolische Kirche drückt diesen schwierigen Bestandteil unseres Glaubens unterschiedlich aus, aber immer ganz klar und unter allen Aspekten:
- Paulus: Jesus ist "Gott gleich" (Phil 2,6) und "ihm wurde der Name verliehen, der größer ist als alle Namen" (Phil 2,9);
- Johannes: Jesus ist das Wort : "... das Wort war bei Gott, ... das Wort war Gott" (Joh 1,1);
- Matthäus stellt den Sohn auf dieselbe Ebene wie Gott den Vater und Gott den Heiligen Geist: "... auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" (Mt 28,19);
- Der Hebräerbrief bekräftigt im Hinblick auf den Sohn: "Dein Thron, o Gott, steht für immer und ewig" (Hebr 1,8). (Fs)
53b Im Licht von Ostern gelangte die apostolische Kirche zu dieser Überzeugung, denn sie hatte in diesem Licht endlich begriffen, daß Jesus in den Reden und Taten während seines Lebens auf Erden für sich die göttlichen Eigenschaften vielfach, aber behutsam geltend gemacht hatte. (Fs)
- Er stellt sich auf dieselbe Ebene mit dem Gesetzgeber vom Sinai: "Ich aber sage euch" (Mt 5-7). (Fs)
- Er nimmt sich das Recht heraus, Sünden zu vergeben (Mt 9,2; Lk 36,50). (Fs)
- Er hält sich für den Richter der Menschen und der Geschichte. (Fs)
- Er behauptet, "Herr des Sabbat" und mehr als der Tempel zu sein (Mt 12,6.8). (Fs)
- Er sagt, daß er der einzige Lehrer sei, der immer recht hat und der sogar "die Wahrheit ist". (Fs)
- Er stellt sich höher als die Engel (Mt 13,41). (Fs)
- Er bietet sich als Objekt einer Liebe an, die die Liebe des Vaters, der Mutter, der Ehefrau, der Kinder, der Geschwister übersteigt (Mk 10,37; Lk 14,26). (Fs)
Er hält sich nicht für einen der Gottessöhne, sondern für den einzigen Sohn (Mt 21,33-34). (Fs)
- Nach seinen Worten stehen Gott und er auf derselben Ebene: "Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn ..." (Mt 11,27; Lk 10,22). (Fs)
53c Alle diese unzweifelhaften "Logien" (Aussagen), daß Jesus selbst sich als Gott vorgestellt hat, sind historisch fest untermauert. Deshalb ist jene wohlwollende, ausgleichende, "gemäßigte" Auffassung von Christus unannehmbar, die viele "vernünftige Menschen" von ihm haben, die Jesus als weisen, gerechten und großen Menschen hochschätzen wollen, ihn aber nicht als Herrn und als Gott anerkennen. Eine solche "Mäßigung" wird von der ganzen Dokumention der Evangelien widerlegt, die wir besitzen: Ein Mensch, der solche Aussagen von sich macht, kann nämlch weder als weise noch als gerecht, noch als groß beurteilt werden; er hat keinen Anspruch auf unsere Hochachtung oder Verehrung. (Fs)
54a Es sei denn, daß alles, was er von sich sagt und was die apostolische Kirche von ihm behauptet, wahr ist. (Fs) (notabene)
Die schlichte Hochachtung gegenüber Christus ist in sich niemals vollkommen stimmig: Entweder lehnt man ihn ab und verachtet ihn, oder man wirft sich vor ihm auf die Knie. Jesus selbst hatte das vorhergesehen: "Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung" (Lk 12,51). Und im Kindheitsevangelium nach Lukas wird die Überzeugung ausgedrückt, er sei dazu bestimmt, "daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden", und daß er in der Welt bleibe als "ein Zeichen, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden" (Lk 2,34-35). (Fs)
Zusammenfassung
54b Wie wir gesehen haben, besteht das christologische Kernproblem in der Frage: Ist Jesus "einer von ..." oder "der" Messias? Ist er einzuordnen, oder ist er ein Fall für sich? Ist die zweifellos bedeutsame Tatsache seines Kommens in die Welt mit unseren Urteilsmaßstäben zu messen, oder ist es ein einmaliges, entscheidendes, unwiederholbares Ereignis? Das ist die Frage. (Fs)
Christsein bedeutet, begriffen zu haben, daß Jesus nicht "einer von", sondern "der" Messias ist; daß es keine ihm angemessene Bezeichnung gibt, daß er absolut einzig ist. (Fs)
54c Daraus ergibt sich als existentielle Konsequenz, daß auch unsere Beziehung zu ihm nur "einzig" sein kann. Unsere Erkenntnis über ihn kann nicht so sein, wie die über andere Dinge und andere Personen, sondern sie ist ein Licht, das uns von oben geschenkt wird: "Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel." Die Anerkennung seiner Herrschaft ist nicht die Schlußfolgerung eines Lehrsatzes, sondern Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist: "... keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet" (1 Kor 12,3). Unsere Liebe zu ihm verträgt keinen Vergleich: "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig" (Mt 10,37). Wenn wir unser Leben für ihn einsetzen, dann kann es nur ganz, absolut und endgültig geschehen und muß sich von jeder noch so vernünftigen Gefolgschaft abheben: "Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen" (Mt 10,39). (Fs) ____________________________
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