Autor: Biffi, Giacomo Buch: Sehnsucht nach dem Heil Titel: Sehnsucht nach dem Heil Stichwort: Glaubensentscheidung; 3 existentiellen Dilemmata; Gegensatz von Denkalternativen: das Absurde - Geheimnis; "göttlich-menschliche" Natur des Glaubensaktes Kurzinhalt: Diese Gedankenfolge soll beweisen, daß die einzige vernünftige Haltung des Geistes darin besteht, das Geheimnis anzunehmen... Gottes Eingreifen, die Offenbarung, die den "Glauben" weckt, scheint gleichsam die menschliche Entscheidung für das Geheimnis ... Textausschnitt: C) Die Glaubensentscheidung
27b
1. Im Bereich der drei existentiellen Dilemmata gibt es für den Menschen zwei Möglichkeiten, sich zu entscheiden: Das heißt, daß die Verschiedenheit, ja der Gegensatz jeweils zweier in sich homogener Denkalternativen zu respektieren ist, will man nicht in eine Art gefährlicher und untragbarer Schizophrenie verfallen. Wenn mir ein Plan zugrunde liegt, dann wird er doch fortdauern und dem, was nach meinem Erdenleben geschieht, Sinn geben. Wenn es einen Plan gibt und jemanden, der ihn erdacht und gewollt hat, dann gibt es etwas und jemanden jenseits der sichtbaren Welt. Wenn mir hingegen der Zufall zugrunde liegt, dann wird auch der Untergang, mit dem mein Leben auf Erden endet, blind und zufällig sein, und es gibt keine Hoffnung. Wenn alles aus Zufall geschieht, dann haben sich die Dinge auf Grund ihrer gleichen, zufälligen Herkunft nur angehäuft, das heißt, sie sind nicht sinnvoll miteinander verbunden. (Fs)
Die erste Möglichkeit setzt eine existierende Wirklichkeit voraus, die mich allseits übersteigt: Sie zu erkennen bedeutet, die Existenz des Geheimnisses anzunehmen. (Fs)
Die zweite Alternative besagt, daß alles unwichtig ist: meine Herkunft, mein Schicksal und das Universum, das von sich aus keinen Grund zu existieren hat: Diesen Stand der Dinge anzuerkennen bedeutet, das Absurde als Sinngehalt der Wirklichkeit anzunehmen. Fs)
27c Der Mensch steht also vor der Wahl zwischen dem Absurden und dem Geheimnis. Das Dilemma ist im Grunde nur eins. Die grundlegende und unausweichliche Entscheidung, an die sich jedes Denken, jedes Handeln, jeder Augenblick konsequent zu halten hat, lautet: zu wählen zwischen dem augenscheinlich sinnlosen Ganzen und der verborgenen, transzendenten Sinngebung.
28a Oder anders gesagt: Diese Gedankenfolge soll beweisen, daß die einzige vernünftige Haltung des Geistes darin besteht, das Geheimnis anzunehmen. D.h., bereitwillig darauf zu warten, daß eine Offenbarung unsere völlige Unzulänglichkeit füllt, und zu wünschen, daß für uns unvorhergesehene Rettung von irgendwoher kommt. (Fs)
2. Gottes Eingreifen, die Offenbarung, die den "Glauben" weckt, scheint gleichsam die menschliche Entscheidung für das Geheimnis und gegen das Absurde zu bestätigen. (Fs)
Nur dieses Eingreifen vermag zumindest auf psychologischer Ebene eine Hypothese in eine existentielle Gewißheit zu verwandeln und den "Knaben" in uns ermutigen, von dem Cebete sprach: "Sokrates, es ist wirklich so: Wir haben irgendwie Angst, stärke uns du. Oder, noch besser, nicht wir haben Angst, aber in uns steckt vielleicht ein Knabe, der diese Ängste hat" (Platon, Phaidon, 24). (Fs)
3. Hier können wir nun die zu Beginn erwähnte Antinomie einordnen und gewissermaßen lösen. (Fs)
28c Das frei geschenkte und unerwartete Eingreifen Gottes, der in seinem Plan für uns auch sich selbst offenbart, ist gewiß ein Geschenk des Himmels. Aber dieses Eingreifen ist auch eine Antwort auf die Grundfragen, die im Innersten des Menschen eingeschrieben sind. Gottes Eingreifen übertrifft sicher alle unsere Erwartungen. Aber es gibt dieser Aussage des "Geheimnisses" zugleich Festigkeit, positiven Gehalt und Unzweifelhaftigkeit. Es offenbart eine Wirklichkeit, die uns übersteigt und dadurch imstande ist, uns zu erlösen. Der Mensch gelangt zaudernd und unmerklich zu dem "Geheimnis", wenn er sich davon überzeugt, daß es notwendig und vernünftig ist, dem Absurden nicht zuzustimmen. (Fs)
Nun wird allmählich die sogenannte "göttlich-menschliche" Natur des Glaubensaktes deutlich, der voll göttlichen Lichtes und zugleich ganz menschlich ist. (Fs)
28d Wenn wir uns nicht täuschen, haben wir nun den Glaubensakt im geistlichen Leben des Menschen wenigstens hypothetisch vorbereitet. Dieser Akt, ursprünglich himmlisch und göttlich, hat auch ganz menschliche und irdische Wirkungen. (Fs) ____________________________
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