Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred Buch: Das eigentlich Katholische Titel: Das eigentlich Katholische Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Tradition und Lehramt; Reifung des Glaubensbewußtseins; orthodoxe Theologie (unbefleckte Empfängnis; Aufnahme in den Himmel)
Kurzinhalt: Weder das Bekenntnis zur "Gottesmutter" und noch weniger die bleibende Jungfräulichkeit Mariens kann rein "historisch-kritisch" aus dem Neuen Testament abgeleitet werden.
Textausschnitt: 3. Die Mariengestalt als Hinweis auf das Gewicht von Tradition und Lehramt
222a In der Konkretisierung des Glaubens an die Jungfräulichkeit Mariens zeigt sich, wie schon beim Titel der "Gottesgebärerin", die Bedeutung der Überlieferung der Kirche, die wie Maria das Wort Gottes in ihrem Herzen bewegt und in seiner inhaltlichen Fassung verdeutlicht. Weder das Bekenntnis zur "Gottesmutter" und noch weniger die bleibende Jungfräulichkeit Mariens kann rein "historisch-kritisch" aus dem Neuen Testament abgeleitet werden. Sicherlich finden wir im Neuen Testament genügend Hinweise, die den Titel der "Gottesgebärerin" nahelegen. Aber um hier den "Punkt" zu machen, war das Konzil von Ephesus notwendig. Gewiß läßt sich die Jungfrauengeburt mit guten historischen Gründen etwa gegen die Annahme einer mythologischen Erklärung verteidigen. Das gleiche gilt für die Tatsache, daß die sog. "Brüder Jesu" keine leiblichen Kinder Mariens sind. Aber die bleibende Jungfräulichkeit Mariens, die auch die Geburt umfaßt, setzt eine ganzheitliche Betrachtung der Mariengestalt voraus, eine innige Verbindung von leiblicher und geistiger Jungfräulichkeit. Die Gewähr für die Richtigkeit dieses Glaubens bietet uns nicht die "Schrift allein", sondern nur die verbindliche Deutung des Wortes Gottes durch die Kirche in der Tradition der ersten Jahrhunderte. Dieser verbindlichen Deutung begegnen wir auch heute in den Äußerungen des Lehramts, z. B. im "Katechismus der Katholischen Kirche."1
223a Das gleiche gilt erst recht für die Dogmen der Unbefleckten Empfängnis Mariens und ihrer leiblichen Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit. Hier bedurfte es einer jahrhundertelangen Reifung des Glaubensbewußtseins, bis 1854 und 1950 die formelle Definition erfolgte. Gerade die beiden letzten Mariendogmen zeigen mit aller Deutlichkeit, wie konkret das "marianische" und das "petrinische" Prinzip in der Kirche verbunden sind: der Petrusdienst klärt den Bereich des Marianischen. (Fs)
223b Wo dieser Dienst fehlt, läuft selbst ein Teil des altkirchlich formulierten Glaubens (wie die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel) Gefahr, zum Bereich der frommen Poesie gerechnet zu werden. So wird in der Orthodoxen Theologie zwar Maria als die "ganz Heilige" (Panhagia) gepriesen, aber in aller Regel die Unbefleckte Empfängnis abgelehnt und eine Reinigung Mariens bei der Verkündigung angenommen. Die von der Liturgie bekannte leibliche Aufnahme Mariens wird von einem Teil der orthodoxen Theologen geglaubt, während andere von einer dichterischen oder frommen Erfindung ausgehen bzw. allenfalls von einer theologischen Meinung sprechen.2 Selbst im katholischen "Marienlexikon" kommt ein orthodoxer Theologe zu Wort, der die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel als "symbolisch und erbaulich" versteht, Produkt einer legendären Überlieferung, die bestimmt sei "für das einfache Volk"3. René Laurentin hält es jedenfalls für erstaunlich, wie sehr die orthodoxe Theologie ihre eigenen Quellen außer Acht gelassen und sich protestantischem Denken geöffnet habe, sobald es um Maria gehe. Verantwortlich dafür sei der gemeinsame Widerstand gegen die päpstliche Unfehlbarkeit.4 (Fs)
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