Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred Buch: Das eigentlich Katholische Titel: Das eigentlich Katholische Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Leibhaftigkeit des Glaubens im Zeichen der Jungfräulichkeit; "Caro cardo salutis" (Tertullian); Eu. Drewermann; Kirche als "Jungfrau"; Gnosis: Dualismus: geistig - biologisch
Kurzinhalt: Verantwortlich für dergleiche Thesen sind nicht neue exegetische Erkenntnisse, sondern die philosophischen Vorgaben der Bultmann-Schule, die wiederum auf das deistische Weltbild der Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgehen: Gott als der ... Textausschnitt: 2. Die Leibhaftigkeit des Glaubens im Zeichen der Jungfräulichkeit
218a Von Tertullian stammt der Ausspruch: "Caro cardo salutis", "das Fleisch (ist) der Angelpunkt des Heils."1 Diese Formulierung richtet sich gegen die Gnosis, die das Ärgernis der Menschwerdung Gottes idealistisch verdünnte. Das Christentum, so muß betont werden, ist nicht zunächst das Verkündigen interessanter Ideen, sondern die Verbindung mit dem ewigen Wort, das Fleisch geworden ist.2 Diese leibliche Konkretion ist nicht idealistisch oder existentialistisch aufhebbar. In dem leibhaften Moment des Heilsprozesses zeigt sich das lebendige Einwirken Gottes in die Geschichte. Die geschöpflichen Voraussetzungen werden dabei überstiegen. (Fs)
218b Zu den typischen Ausdrucksformen der leiblichen Konkretheit der Heilsgeschichte gehören die Jungfräulichkeit Mariens und die Auferstehung Jesu, die das leere Grab voraussetzt. Beide Glaubenswahrheiten werden heute auch im katholischen Raum heftig angegriffen bzw. symbolistisch umgedeutet. Ein typisches Beispiel ist hier Eugen Drewermann, für den der Leichnam Jesu im Grab verfault ist und der die Jungfräulichkeit Mariens für unmöglich erklärt.3 Verantwortlich für dergleiche Thesen sind nicht neue exegetische Erkenntnisse, sondern die philosophischen Vorgaben der Bultmann-Schule, die wiederum auf das deistische Weltbild der Aufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgehen: Gott als der Uhrmacher, der zwar im Anfang das Weltengetriebe geschaffen hat, aber dann nicht mehr einwirkt. Das Wunder als unmittelbares Einwirken Gottes wird dabei auf mehr oder weniger subtile Weise philosophisch ausgeschaltet.4
219a Ein solches Weltbild ist allerdings nur zu halten bei einer totalen Ausblendung der konkreten Erfahrung mit den Heiligen, in deren Leben oder auf deren Fürbitte hin es an übernatürlichen Manifestationen nicht mangelt. Jedes Ereignis, das offensichtlich die natürlichen Kräfte übersteigt und zugleich eine intelligente Struktur besitzt, ist geeignet, den Deismus geistig zu Fall zu bringen.5 Doch die geistige Isolation gerade auch theologischer Kreise gegenüber dem Wunder ist fast vollkommen: das Leben der Heiligen oder auch die Marienerscheinungen kommen im akademisch-theologischen Betrieb praktisch nicht vor.6 Nur bei einem solchen Erfahrungsverlust ist verständlich, daß ein Teil der deutschen katholischen Universitätstheologie heute Positionen vertritt, wie man sie geistesgeschichtlich eher im liberalen Protestantismus am Ende des letzten Jahrhunderts vermuten würde. (Fs) (notabene)
219b Gegenüber einem offenen oder latenten Deismus ist die Jungfräulichkeit Mariens ein heilsames Zeichen für die leibliche Konkretheit des Glaubens. Gewiß zeigt sich hierin auch die Geheimnishaftigkeit des Geschehens, das sich einem platten Rationalismus verschließt. Die Jungfräulichkeit Mariens ist dabei stets zu sehen in ihrem ganzheitlichen Zusammenhang: Sie ist Zeichen für die Initiative Gottes, der mit seinem schöpferischen Wirken einen neuen Anfang setzt; ein neuer Anfang, der nicht ableitbar ist aus dem Menschlichen. Ein solcher Neuanfang ist angemessen als Zeichen für die Gottheit Jesu. Der hl. Athanasius erklärt etwa: "Die Geburt aus der Jungfrau ist der sichtbarste Beweis für die Gottheit des Sohnes."7 Und umgekehrt ist die Leugnung der Jungfrauengeburt ein deutliches Indiz dafür, daß der Glaube an die Gottheit Jesu entweder fehlt oder zumindest dabei ist, Schiffbruch zu erleiden. (Fs)
220a Der jungfräuliche Lebensursprung Jesu als Zeichen der göttlichen Initiative ist für die Väter ein Vorbild der Taufe, die das Menschsein über sich selbst hinaushebt durch die Teilnahme am Leben Gottes. Der Realismus im leiblichen Bereich entspricht dem Realismus im Kraftfeld der Gnade, die den Menschen innerlich umformt zu einer neuen Schöpfung. In diesem Sinne spricht etwa Tertullian, wenn er betont: "Auf eine neue Art mußte derjenige geboren werden, welcher der Urheber einer neuen Geburt werden sollte."8
220b "Für Maria selbst besagt ihre Jungfräulichkeit, weit über den biologischen Tatbestand hinausreichend, die Haltung exklusiver Hingabe an Gott in Jesus Christus, die durch kein zweites, ähnliches Verhältnis zu einem Menschen abgelenkt sein sollte. Marias Jungfräulichkeit ist das Stigma und Zeichen jener vollkommenen Haltung der Empfänglichkeit, die die Menschheit und jeder einzelne in ihr gegenüber der Gnade Gottes bezeugen und besitzen sollte."9 Ohne das leibliche Moment, so betont René Laurentin, wäre "Maria nicht mehr die Jungfrau schlechthin, die Ikone der Jungfräulichkeit und (nach der tiefen Auffassung der Väter) die vollkommene Ikone des Glaubens, der die Seele der Jungfräulichkeit ist."10
221a Analog zur Jungfräulichkeit Mariens ist die Bezeichnung der Kirche als "Jungfrau" zu sehen. Das Konzil umschreibt die Jungfräulichkeit der Kirche als Bewahrung der Treue mit unversehrtem Glauben, fester Hoffnung und aufrichtiger Liebe.11
"Jungfräulichkeit" in einem weiteren Sinne ist von allen Christen zu leben, auch von den Verheirateten. Freilich ist dabei wichtig, daß der Stand der Jungfräulichkeit in der Kirche lebendig präsent ist. "Die Kirche bedarf wegen ihres geistigen marianischen Gepräges Menschen ..., die Jungfräulichkeit auch im Sinne einer konkreten Lebensform verwirklichen. Sonst wäre die Kirche nicht real-marianisch strukturiert."12
221b Wo die Lebensform der Jungfräulichkeit nicht mehr lebendig ist, wo ein Kampf geführt wird gegen den priesterlichen Zölibat - eine solche Situation ist ein Alarmzeichen. Denn hier kündigt sich letztlich das Unverständnis für die Transzendenz an, für den Einbruch Gottes in diese Welt, für die Inkarnation, deren personales Zeichen die Jungfrau Maria ist. (Fs) (notabene)
221c Der geistige und symbolhafte Zusammenhang, in den die Jungfräulichkeit Mariens einzuordnen ist, darf nicht ausgespielt werden gegen das leibliche Faktum, das zur personalen Prägung Mariens hinzugehört. Maria ist Dienerin des Heils nicht nur für eine begrenzte Periode, sie ist keine "Jungfrau auf Zeit", sondern "allzeit Jungfrau". "Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leib oder seine negative Sicht, die Aufteilung des Menschen ins Geistige (als dem 'eigentlichen Menschen') und ins Leibliche (Biologische), kennzeichnet die Gnosis. Gerade diese hat deshalb im Altertum die Vaterschaft Josefs vertreten. Maria war jungfräulich dem Geiste und dem Leib nach, ganz-menschlich, im Sinn einer integrativen Anthropologie."13
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