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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strkuturen katholischen Glaubens 4 - marianische Struktur der Mitwirkung am Heil; petrinisch - marianisch; Mitwirken (cooperatio), Gnade; Mythos d. Androgyn: Einebnung d. Geschlechtlichen

Kurzinhalt: Im ganzen kann die marianische Struktur der Kirche auf das Prinzip der Mitwirkung, der Cooperatio des Menschen am Heil, zurückgeführt werden, was freilich zum protestantischen Prinzip des "sola fide" und des "sola gratia" in Spannung steht.

Textausschnitt: V. Die marianische Struktur der Mitwirkung am Heil

31a Wenn man das Strukturgesetz des Autoritativ-Amtlichen, das man auch als das petrinische Prinzip1 bezeichnen kann, als das in der Kirche allein gültige ansehen wollte, würde man einer Fehldeutung anheimfallen und sich einer gänzlichen Unterbewertung des Anteils der Gläubigen am Sein und Werden des Leibes Christi schuldig machen. Tatsächlich gilt aber, was das Zweite Vatikanum im Dekret über das Laienapostolat erklärt, daß auch die Laien "aktiven Anteil am Leben und Tun der Kirche"2 haben. Sie sind zwar Empfänger des Heils, aber deshalb nicht reines Objekt im Leben der Kirche, sondern auch Subjekt beim Aufbau des Leibes Christi. Ihre Empfangshaltung gegenüber dem Heil ist keine bloße Passivität, sondern aktive Empfänglichkeit, durch die die Empfänger der Gnade zu einem Konprinzip und einer Mitursache der gesamten Heilsverwirklichung in der Kirche werden. Darin ist grundsätzlich jene Haltung und jenes Mittun notwendig, das Maria in ihrem von Glaube und Liebe erfüllten Fiat bewährte, das tatsächlich in der von Gott verfügten Heilsordnung zur Vollverwirklichung der Erlösung von Seiten der empfangenden Menschheit notwendig war. (Fs)

31b Die Hl. Schrift und die Tradition haben diesen Gedanken in realsymbolischen Begriffen ausgedrückt, in denen sie die das Heil empfangende Kirche als Jungfrau, als Braut, als Frau oder als Mutter bezeichneten. Hier deutet sich eine symbolhafte, aber durchaus wirklichkeitserfüllte Unterscheidung an zwischen dem väterlichen Amts- und Autoritätsprinzip in der Kirche, das an die Apostel gebunden ist, und einem fraulich-mütterlichen Lebensprinzip, das die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden von innen her bestimmt. Das männlich-väterliche Prinzip tritt besonders deutlich in dem Wort des Apostels hervor: "In Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden" (1 Kor 4,15), das fraulich-mütterliche Prinzip findet seinen Ausdruck in dem anderen Wort des Paulus, in dem es heißt: "Ich habe euch einem einzigen Manne verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen" (2 Kor 11,2). Es kann kein Zweifel sein, daß diese Grundbefindlichkeit der Kirche prototypisch in Maria verkörpert ist. (Fs)

32a Durch die Differenzierung und den lebensvollen Ausgleich zwischen dem männlich-väterlichen Prinzip und dem fraulich-mütterlichen, personifiziert in Maria, erweist sich die katholische Kirche heute in der Welt auch als die einzige Kulturmacht, die dem zerstörerischen Unwesen der Einebnung der Geschlechter und dem wiederaufkommenden heidnischen Mythos vom Androgyn Widerstand leistet. (Fs) (notabene)

32b Durch die jungfräuliche Gottesmutter empfängt die Kirche im ganzen ein marianisches Gepräge. Es besteht in den Eigenschaften, die auch den Personalcharakter Marias ausmachen: in der Haltung des hingabevollen Glaubens, in restloser Verfügbarkeit für den Erlöser, im dienenden Magdsein gegenüber dem Herrn und Urheber des Heils. Maria setzt den menschlich-personalen Aspekt frei, der zum Verständnis der Erlösung als autoritativ von oben ergehendes Wort Gottes und als demütige, empfangende, aber so mitbeteiligte Antwort der Menschheit und der Kirche notwendig ist. Es handelt sich um ein Mitwirken, das schon unter der Macht der Gnade steht, aber das trotzdem den Menschen in seiner ganzen Geschöpflichkeit in das Erlösungsgeschehen miteinbezieht. Im ganzen kann die marianische Struktur der Kirche auf das Prinzip der Mitwirkung, der Cooperatio des Menschen am Heil, zurückgeführt werden, was freilich zum protestantischen Prinzip des "sola fide" und des "sola gratia" in Spannung steht. (Fs)

33a Maria ist so die stärkste, höchste Garantie für die Konkretion des Göttlichen im Geschöpflichen, des Übernatürlichen unter Beanspruchung des Natürlichen. Die Frau, die Christi Mutter war, ist wie kein anderes göttliches Werk dafür geeignet, die Verwurzelung des göttlichen Heils im Menschlichen und Natürlichen zu intensivieren, seine Konkretisierung im Weltlichen zu befördern und damit auch die totale Beanspruchung des Menschlichen durch Gott in der Erlösung aufzuzeigen. (Fs)

33b Das hat verständlicherweise auch Auswirkungen auf die katholische Spiritualität. Es ist der katholischen Spiritualität, die den ganzen Menschen in die Begegnung mit Gott bringt, eigen, daß sie auch den ganzen Menschen anfordert. In diesem Sinne sind katholische Frömmigkeit und Spiritualität im Gegensatz zu jedem Quietismus eine tätige, entschiedene, aktive Geisteshaltung, die dem Menschen Hohes abverlangt in Entsprechung zu dem höchsten Einsatz des Gottmenschen, den er schon in der Menschwerdung und dann am Kreuz leistete. Katholische Spiritualität vertritt diese Entschiedenheit trotz des Wissens um die Schwäche und Hinfälligkeit des Menschen, für die die Kirche, die auch eine Kirche der Sünder ist, ein eigenes Sakrament der Versöhnung bereithält. Zu diesem entschiedenen Einsatz gehören auch grundsätzlich in der Kirche die Berufung zum Leben nach den evangelischen Räten, zur Gleichgestaltung mit Christus in seiner Nachfolge, zum priesterlichen Zölibat; sogar die Berufung zum Martyrium, das der Kirche als ganzer niemals fehlte, was Maria ebenfalls schon unter dem Kreuz bewies. (Fs)

33c Das menschlich-personale Prinzip, das im Mittun Marias, im ma-rianischen Fiat als Kraft des Glaubens und der Liebe zum Ausdruck kommt, verleiht auch dem Amtsprinzip in der Kirche eine Ausgewogenheit, die das Amt ohne das marianische Grundelement nicht besäße. Das autoritativ bevollmächtigte Amt, das wegen des einzigartigen Ursprungs des Heils in Christus notwendig ist, empfängt durch die demütig dienende und liebende Gestalt Marias gleichsam eine innere Beseelung, die es der Versuchung der Macht entziehen kann und ihm den Charakter eines demütigen Dienstes aufprägt. So erweist sich Maria als eine Seelenmacht in der Kirche und darüber hinaus auch als eine geistige Formkraft im Bildungsprozeß des Einzelmenschen wie der ganzen Menschheit.31

34a Das alles gilt auch dann, wenn solche aus den Tiefen des Glaubens hervorgeholten Gedanken (wie diese ganze Lehre von den Strukturen des Katholischen) heutigen Ohren fremd sind und in der Verkündigung der Kirche allgemein keinen Widerhall finden. Die Kirche muß zu ihnen zurückgehen und sie in der Neuevangelisierung mutig verkünden. Nur so wird sie in der tiefgreifenden Identitätskrise wieder ihr Selbst finden. (Fs)

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