Datenbank/Lektüre


Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Evangelium vitae

Stichwort: Verfinsterung des Sinns für Gott und Mensch 2; praktischer Materialismus, Utilitarismus; Körper, Sexualität: Funktionalisierung

Kurzinhalt: Im selben kulturellen Umfeld wird der Körper nicht mehr als für die Person typische Wirklichkeit, nämlich als Zeichen und Ort der Beziehung zu den anderen, zu Gott und zur Welt, wahrgenommen. Er ist auf einen rein materiellen Charakter verkürzt: ...


Textausschnitt: 23. Die Verfinsterung des Sinnes für Gott und den Menschen führt unvermeidlich zum praktischen Materialismus, in dem der Individualismus, der Utilitarismus und der Hedonismus gedeihen. Auch hier offenbart sich die ewige Gültigkeit dessen, was der Apostel schreibt: »Und da sie sich weigerten, Gott anzuerkennen, lieferte Gott sie einem verworfenen Denken aus, so daß sie tun, was sich nicht gehört« (Röm 1, 28). Auf diese Weise werden die Werte des Seins durch jene des Habens ersetzt. Das einzige Ziel, auf das es ankommt, ist die Erlangung des eigenen materiellen Wohlergehens. Die sogenannte »Lebensqualität« wird vorwiegend oder ausschließlich als wirtschaftliche Leistung, hemmungsloser Konsumismus, Schönheit und Genuß des physischen Lebens ausgelegt, wobei die tiefer reichenden - beziehungsmäßigen, geistigen und religiösen - Dimensionen des Daseins in Vergessenheit geraten. (Fs)

In einem solchen Gesamtrahmen wird das Leiden, eine unvermeidbare Belastung der menschlichen Existenz, aber auch ein Faktor möglichen personalen Wachstums, »beanstandet», als unnütz zurückgewiesen, ja als immer und auf jeden Fall zu vermeidendes Übel bekämpft. Kann man es nicht überwinden und schwindet die Aussicht wenigstens auf künftiges Wohlergehen, dann scheint das Leben jede Bedeutung verloren zu haben, und im Menschen wächst die Versuchung, das Recht zu seiner Beseitigung geltend zu machen. (Fs) (notabene)

Im selben kulturellen Umfeld wird der Körper nicht mehr als für die Person typische Wirklichkeit, nämlich als Zeichen und Ort der Beziehung zu den anderen, zu Gott und zur Welt, wahrgenommen. Er ist auf einen rein materiellen Charakter verkürzt: er ist nur ein Komplex von Organen, Funktionen und Kräften, die nach reinen Kriterien von Genuß und Leistung zu gebrauchen sind. Infolgedessen wird auch die Sexualität entpersönlicht und instrumentalisiert: aus Zeichen, Ort und Sprache der Liebe, das heißt der Selbsthingabe und der Annahme des anderen, wie sie dem ganzen Reichtum der Person entspricht, wird sie immer mehr zu einer Gelegenheit und einem Werkzeug der Bestätigung des eigenen Ich und der egoistischen Befriedigung der eigenen Begierden und Instinkte. So wird der ursprüngliche Inhalt der menschlichen Sexualität entstellt und verfälscht, und die zwei Bedeutungen, die das Wesen des ehelichen Aktes ausmachen, nämlich Vereinigung und Zeugung, werden künstlich getrennt: auf diese Weise wird die Vereinigung verraten, und die Fruchtbarkeit wird der Willkür des Mannes und der Frau unterworfen. Da wird die Zeugung zum »Feind«, die es bei der Ausübung der Sexualität zu vermeiden gilt: wenn man sie zuläßt, dann nur deshalb, weil sie den eigenen Wunsch oder geradezu den eigenen Willen zum Ausdruck bringt, »um jeden Preis« ein Kind zu haben, jedoch nicht, weil sie totale Annahme des anderen und damit Offenheit für die Lebensfülle besagt, deren Träger das Kind ist. (Fs) (notabene)

In der bisher beschriebenen materialistischen Sicht erfahren die zwischenmenschlichen Beziehungen eine schwerwiegende Verarmung. Die Ersten, die unter den Schäden dieser Verarmung zu leiden haben, sind die Frau, das Kind, der kranke oder leidende und der alte Mensch. An die Stelle des eigentlichen Kriteriums der Personwürde - nämlich das der Achtung, der Unentgeltlichkeit und des Dienstes - tritt das Kriterium der Leistungsfähigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Nützlichkeit: der andere wird nicht für das anerkannt und geschätzt, was er »ist«, sondern für das, was er »hat, tut und leistet«. Das ist die Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren. (Fs) (notabene)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt