Datenbank/Lektüre


Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Evangelium vitae

Stichwort: Angriff auf das Leben 2 (vielfältige Faktoren); Euthanasie, unheilbare Kranke, Leid als Übel; Prometheushaltung des Menschen; Bevölkerungswachstum als Alptraum der Mächtigen


Kurzinhalt: Aber es wird nicht versäumt, dem kulturellen Gesamthorizont auch eine Art Prometheushaltung des Menschen einzuprägen, der sich derart der Illusion hingibt, Herr über Leben und Tod werden zu können, daß er über sie entscheidet, während er

Textausschnitt: 15. Nicht minder schwerwiegende Bedrohungen kommen auch auf die unheilbar Kranken und auf die Sterbenden in einem Sozial- und Kulturgefüge zu, das bei einer sich immer schwieriger gestaltenden Auseinandersetzung mit dem Leiden und seinem Ertragen die Versuchung verstärkt, das Problem des Leidens dadurch zu lösen, daß man es an der Wurzel ausreibt und den Tod in dem Augenblick vorwegnimmt, den man selbst für den geeignetsten hält. (Fs)

In diese Entscheidung fließen oft verschiedene Elemente ein, die leider diesem schrecklichen Ausgang zustreben. Entscheidend mag beim Kranken Angstgefühl sowie das Gespür von Verbitterung, ja Verzweiflung sein, hervorgerufen durch die Erfahrung eines intensiven und langen Schmerzes. Dies stellt das manchmal ohnehin schon ins Wanken geratene Gleichgewicht des persönlichen und familiären Lebens auf eine harte Probe, so daß der Kranke einerseits trotz der immer wirksamer werdenden Mittel medizinischer und sozialer Assistenz Gefahr läuft, sich von der eigenen Gebrechlichkeit erdrückt zu fühlen; andererseits kann bei denen, die ihm liebevoll verbunden sind, ein Gefühl verständlichen, wenn auch mißverstandenen Mitleids wirksam sein. Dies alles wird von einem kulturellen Umfeld verschlimmert, das im Leid keinerlei Bedeutung oder Wert sieht; im Gegenteil, es betrachtet das Leid als das Übel schlechthin, das es um jeden Preis auszumerzen gilt; diese Haltung tritt vor allem dann ein, wenn man keine religiöse Einstellung hat, die helfen kann, das Geheimnis des Schmerzes positiv zu deuten. (Fs) (notabene)

Aber es wird nicht versäumt, dem kulturellen Gesamthorizont auch eine Art Prometheushaltung des Menschen einzuprägen, der sich derart der Illusion hingibt, Herr über Leben und Tod werden zu können, daß er über sie entscheidet, während er in Wirklichkeit von einem Tod überwunden und erdrückt wird, der sich jeder Sinnperspektive und jeder Hoffnung unrettbar verschließt. Einem tragischen Ausdruck von alledem begegnen wir in der Verbreitung der maskiert und schleichend oder offen durchgeführten und sogar legalisierten Euthanasie. Sie wird mit einem angeblichen Mitleid angesichts des Schmerzes des Patienten und darüber hinaus mit einem utilitaristischen Argument gerechtfertigt, nämlich um unproduktive Ausgaben zu vermeiden, die für die Gesellschaft zu belastend seien. So schlägt man die Beseitigung der mißgestalteten Neugeborenen, der geistig und körperlich Schwerstbehinderten, der Leistungsunfähigen, der Alten, vor allem wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, und der Kranken vor, deren Leben zu Ende geht. Und auch angesichts anderer, heimlicherer, aber nicht minder schwerwiegender und realer Formen von Euthanasie dürfen wir nicht schweigen. Sie könnten sich zum Beispiel dann ereignen, wenn man, um mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung zu haben, die Entnahme dieser Organe vornimmt, ohne die objektiven und angemessenen Kriterien für die Feststellung des Todes des Spenders zu respektieren. (Fs)

16. Ein weiteres aktuelles Phänomen, mit dem häufig Bedrohungen und Angriffe gegen das Leben einhergehen, ist das Bevölkerungswachstum. Es stellt sich in den verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlicher Weise dar: in den reichen und entwickelten Ländern verzeichnet man einen besorgniserregenden Geburtenrückgang oder -einbruch; die armen Länder dagegen weisen im allgemeinen eine hohe Wachstumsrate der Bevölkerung auf, die auf dem Hintergrund geringer wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung oder gar schwerwiegender Unterentwicklung kaum tragbar ist. Angesichts der Überbevölkerung der armen Länder fehlt es auf internationaler Ebene an weltweiten Maßnahmen - eine ernsthafte Familien- und Sozialpolitik, Programme kultureller Entwicklung und einer gerechten Produktion und Verteilung der Ressourcen -, während weiter eine geburtenfeindliche Politik betrieben wird. (Fs)

Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung müssen gewiß zu den Ursachen gezählt werden, die zum Zustand des starken Geburtenrückganges beitragen und ihn wesentlich bestimmen. Die Versuchung, dieselben Methoden und Angriffe gegen das Leben auch in Situationen von »Bevölkerungsexplosion« anzuwenden, mag auf der Hand liegen. (Fs)

Der alte Pharao, der die Anwesenheit der Söhne Israels und ihre Vermehrung als Alptraum empfand, setzte sie jeder nur möglichen Unterdrückung aus und befahl, jedes männliche Neugeborene der jüdischen Frauen zu töten (vgl. Ex 1, 7-22). Genauso verhalten sich heutzutage viele Mächtige der Erde. Sie empfinden die derzeitige Bevölkerungsentwicklung als Alptraum und befürchten, daß die kinderreicheren und ärmeren Völker eine Bedrohung für den Wohlstand und die Sicherheit ihrer Länder darstellen. Statt diese schwerwiegenden Probleme aufzugreifen und sie unter Achtung der Würde der einzelnen und der Familien und des unantastbaren Rechtes jedes Menschen auf Leben zu lösen, fördern sie daher lieber eine massive Geburtenplanung und setzen sie mit jeglichem Mittel durch. Selbst die Wirtschaftshilfen, die zu leisten sie bereit wären, werden ungerechterweise von der Annahme einer geburtenfeindlichen Politik abhängig gemacht. (Fs) (notabene)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt