Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef Buch: Enzyklika Veritatis splendor Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor Stichwort: Moraltheologie heute; Humanwissenschaften: statistisches Konzept von Normalität - Fall, Gnade
Kurzinhalt: Während die Humanwissenschaften nämlich wie alle experimentellen Wissenschaften ein empirisches und statistisches Konzept von "Normalität" entfalten, lehrt der Glaube, daß eine solche Normalität die Spuren eines Falles des Menschen aus der Höhe seines ... Textausschnitt: 112. Der Moraltheologe muß darum im Rahmen der heute überwiegend naturwissenschaftlichen und technischen Kultur, die den Gefahren des Relativismus, des Pragmatismus und des Positivismus ausgesetzt ist, sorgfältig unterscheiden. Vom theologischen Standpunkt her sind die moralischen Prinzipien nicht vom geschichtlichen Augenblick abhängig, in dem sie entdeckt werden. Die Tatsache, daß manche Gläubige handeln, ohne die Lehren des Lehramtes zu befolgen, oder ein Verhalten zu Unrecht als sittlich richtig ansehen, das von ihren Hirten als dem Gesetz Gottes widersprechend erklärt worden ist, kann kein stichhaltiges Argument darstellen, um die Wahrheit der von der Kirche gelehrten sittlichen Normen zurückzuweisen. Die Bestätigung der sittlichen Normen fällt nicht in die Zuständigkeit der empirisch-formalen Methoden. Ohne die Gültigkeit solcher Methoden zu verneinen, aber auch ohne ihre eigene Perspektive auf diese zu beschränken, betrachtet die Moraltheologie in Treue zum übernatürlichen Sinn des Glaubens vor allem die geistliche Dimension des menschlichen Herzens und seine Berufung zur göttlichen Liebe. (Fs)
Während die Humanwissenschaften nämlich wie alle experimentellen Wissenschaften ein empirisches und statistisches Konzept von "Normalität" entfalten, lehrt der Glaube, daß eine solche Normalität die Spuren eines Falles des Menschen aus der Höhe seines ursprünglichen Zustandes in sich trägt, daß sie also von der Sünde angegriffen ist. Einzig und allein der christliche Glaube weist dem Menschen den Weg der Rückkehr zum Änfang" (vgl. Mt 19,8), ein Weg, der häufig sehr verschieden ist von dem der empirischen Normalität. So können die Humanwissenschaften unbeschadet des großen Wertes der Erkenntnisse, die sie anbieten, nicht als die entscheidenden Wegweiser für das Aufstellen sittlicher Normen angesehen werden. Es ist das Evangelium, das die ganze Wahrheit über den Menschen und über den sittlichen Weg enthüllt und so die Sünder erleuchtet und ermahnt und ihnen von der Barmherzigkeit Gottes kündet, der unablässig wirkt, um sie zu bewahren sowohl vor der Verzweiflung darüber, daß sie das göttliche Gesetz nicht erkennen und befolgen können, als auch vor der falschen Meinung, sich ohne Verdienst retten zu können. Es erinnert sie darüber hinaus an die Freude der Vergebung, die allein die Kraft dazu verleiht, im sittlichen Gesetz eine befreiende Wahrheit, eine Gnade zur Hoffnung, einen Lebensweg zu erkennen. (Fs) (notabene)
113. Die Sittenlehre schließt die bewußte Übernahme dieser intellektuellen, geistlichen und pastoralen Verantwortlichkeiten ein. Deshalb haben die Moraltheologen, die den Auftrag zur Unterweisung in der Lehre der Kirche annehmen, die schwere Aufgabe, die Gläubigen zu diesem sittlichen Unterscheidungsvermögen, zum Einsatz für das wahre Gute und zur vertrauensvollen Hinwendung zur göttlichen Gnade zu erziehen. (Fs)
Auch wenn Auseinandersetzungen und Meinungskonflikte im Rahmen einer repräsentativen Demokratie normale Ausdrucksformen des öffentlichen Lebens darstellen mögen, so kann die Sittenlehre gewiß nicht von der einfachen Befolgung eines Entscheidungsverfahrens abhängen: Sie wird überhaupt nicht durch die Befolgung von Regeln und Entscheidungsverfahren demokratischer Art bestimmt. Der von kalkuliertem Protest und Polemik bestimmte, durch die Kommunikationsmittel herbeigeführte Dissens steht im Widerspruch zur kirchlichen Gemeinschaft und zum richtigen Verständnis der hierarchischen Verfassung des Volkes Gottes. Im Widerstand gegen die Lehre der Hirten ist weder eine legitime Ausdrucksform der christlichen Freiheit noch der Vielfalt der Gaben des Geistes zu erkennen. In diesem Fall haben die Hirten die Pflicht, ihrem apostolischen Auftrag gemäß zu handeln und zu verlangen, daß das Recht der Gläubigen, die katholische Lehre rein und unverkürzt zu empfangen, immer geachtet wird: "Da er nie vergessen wird, daß auch er ein Glied des Volkes Gottes ist, muß der Theologe dieses achten und sich bemühen, ihm eine Lehre vorzutragen, die in keiner Weise der Glaubenslehre Schaden zufügt".1
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