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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Methode in der Theologie

Titel: Methode in der Theologie

Stichwort: Lonergan; Wittgenstein, 'Philosophische Untersuchungen'; Unterschied zw. normaler und ursprünglicher Bedeutsamkeit der Sprache

Kurzinhalt: Die Entdeckung einer neuen Anwendung ist ein geistiger Akt, der durch den neuen Gebrauch zum Ausdruck kommt. Die Erfindung eines neuen Wortes ist ein geistiger Akt, der durch das neue Wort zum Ausdruck kommt.

Textausschnitt: 64/X In einem wertvollen Beitrag, der auf der dreiundzwanzigsten Jahresversammlung der 'Catholic Theological Society of America' gehalten wurde, erklärte Edward MacKinnon: (258; Fs)

65/X 'Seit der Veröffentlichung von Wittgensteins 'Philosophische Untersuchungen' gibt es einen wachsenden Konsens, daß die Bedeutsamkeit der Sprache wesentlich öffentlich und nur im abgeleiteten Sinne privat sei. Wenn dies nicht so wäre, könnte Sprache nicht als Vehikel intersubjektiver Kommunikation dienen. Folglich wird die Bedeutung eines Terminus hauptsächlich durch Klärung seines Gebrauchs oder der Gruppe seiner Verwendungen erklärt, die mit ihm verknüpft sind. Dies erfordert sowohl eine Analyse, wie Termini innerhalb der Sprache fungieren, oder eine Untersuchung der Syntax, als auch eine Analyse der außersprachlichen Zusammenhänge, in denen ihr Gebrauch angemessen ist, oder der Fragen der Semantik und Pragmatik. (258; Fs) (notabene)

66/X Eine Folge dieser Position [...] ist es, daß die Bedeutung eines Wortes nicht durch Verweisung oder Rückführung auf private geistige Akte erklärbar ist. Nach herkömmlicher scholastischer Lehre haben Worte Bedeutung, weil sie Begriffe zum Ausdruck bringen. Bedeutungen liegen primär in Begriffen, in privaten geistigen Akten oder Zuständen, und dann erst abgeleitet in der Sprache, die solch einen Begriff zum Ausdruck bringt. Innerhalb dieser Sicht der Sprache stellt Transzendenz kein allzu schwieriges Sprachproblem dar. Ein Wort wie etwa 'Gott' kann ein transzendentes Wesen bedeuten, wenn es eben dies ist, was man beim Gebrauch dieses Wortes meint. So tröstend eine derart einfache Lösung sein mag - sie geht leider nicht.'1 (258; Fs) (notabene)

67/X Ich halte das für eine klare und hilfreiche Diskussionsgrundlage und möchte einige Bemerkungen anfügen, um meine eigene Position klarzumachen. (259; Fs)

68/X Erstens glaube ich nicht, daß sich geistige Akte ohne einen tragenden Ausdrucksstrom ereignen. Der Ausdruck muß nicht unbedingt sprachlich sein; er braucht nicht adäquat zu sein; er braucht auch nicht der Aufmerksamkeit anderer vorgelegt zu werden - aber er ereignet sich. In der Tat berichtet Ernst Cassirer, daß Forscher, die die Aphasie, Agnosie und Apraxie untersuchten, diese Störungen der Sprache, des Wissens und des Handelns allgemein miteinander verknüpft fanden.2 (259; Fs)

69/X Zweitens bezweifle ich nicht, daß die gewöhnliche Bedeutsamkeit der normalen Sprache ihrem Wesen nach öffentlich und nur in abgeleitetem Sinne privat ist. Denn Sprache ist ja gerade dann normal, wenn sie in gemeinsamem Gebrauch ist. Sie ist in gemeinsamem Gebrauch aber nicht, weil irgendein isoliertes Individuum zufällig entschieden hat, was sie bedeuten soll, sondern weil alle Individuen der betreffenden Gruppe verstehen, was sie bedeutet. In ähnlicher Weise lernen Kinder und Ausländer eine Sprache, indem sie zum Ausdruck gebrachte geistige Akte nachvollziehen. Aber sie lernen die Sprache, indem sie lernen, wie sie gewöhnlich gebraucht wird, so daß ihre private Kenntnis der normalen Sprache vom allgemeinen Gebrauch abgeleitet wird, der seinem Wesen nach öffentlich ist. (259; Fs)

70/X Drittens, was für die gewöhnliche Bedeutsamkeit der normalen Sprache gilt, gilt nicht für die ursprüngliche Bedeutsamkeit jedweder Sprache, ob normal oder literarisch oder fachspezifisch. Denn alle Sprache entwickelt sich, und zu jedem Zeitpunkt besteht jede Sprache jeweils aus den Ablagerungen der Entwicklungen, die bisher erfolgten und nicht veraltet sind. Sprachentwicklungen bestehen nun in der Entdeckung neuer Anwendungen für vorhandene Wörter, in der Erfindung neuer Wörter und in der Verbreitung solcher Entdeckungen und Erfindungen. Alle drei Vorgänge sind Sache zum Ausdruck gebrachter geistiger Akte. Die Entdeckung einer neuen Anwendung ist ein geistiger Akt, der durch den neuen Gebrauch zum Ausdruck kommt. Die Erfindung eines neuen Wortes ist ein geistiger Akt, der durch das neue Wort zum Ausdruck kommt. (259; Fs) (notabene)

71/X Die Kommunikation der Entdeckungen und Erfindungen kann technisch erfolgen durch Einführung von Definitionen, oder spontan, wenn z. B. A seine neue Wortkonstellation äußert, B antwortet, A in Bs Antwort erfaßt, wie erfolgreich er bei der Übermittlung des von ihm Gemeinten war, und er, je nach Ausmaß des Mißlingens, weitere Entdeckungen und Erfindungen sucht und ausprobiert. Durch einen Vorgang von Trial and Error nimmt ein neuer Wortgebrauch Gestalt an, und wenn eine genügend weite Verbreitung des neuen Wortgebrauchs erfolgt, dann ist ein neuer normaler Gebrauch eingeführt. Anders als die normale Bedeutsamkeit entsteht die Bedeutsamkeit als solche in ausgedrückten geistigen Akten, wird durch ausgedrückte geistige Akte übermittelt und vervollkommnet, und wird zur Normalsprache, wenn die vervollkommnete Kommunikation auf eine genügend große Zahl von Individuen ausgedehnt wird. (259f; Fs)

72/X Viertens scheint hinter dieser Verwechselung von normaler Bedeutsamkeit und ursprünglicher Bedeutsamkeit noch eine weitere verborgen zu sein. Denn zwei ganz verschiedene Bedeutungen kann man der Aussage beilegen, alle philosophischen Probleme seien Sprachprobleme. Wenn man Sprache als Ausdruck geistiger Akte versteht, wird man schlußfolgern, daß philosophische Probleme ihren Ursprung eben nicht nur im sprachlichen Ausdruck, sondern auch in geistigen Akten haben, und es könnte geschehen, daß man viel mehr Aufmerksamkeit den geistigen Akten widmet als dem sprachlichen Ausdruck. (260; Fs)

73/X Man kann aber auch der Meinung sein, geistige Akte seien bloß okkulte Entitäten, oder, falls sie wirklich existieren, sich die Philosophen bloß endlos abarbeiten, wenn sie ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken, oder zumindest, wenn sie sie zur Grundlage ihrer Methode machen. Bei einer reduktionistischen Auffassung, oder bei einer mehr oder minder starken methodologischen Option, kann man dafür eintreten, den philosophischen Diskurs, zumindest den grundlegenden philosophischen Diskurs auf den Gebrauch der normalen Sprache zu beschränken, die vielleicht durch die Metasprachen der Syntax, der Semantik und der Pragmatik erhellt wird. (260; Fs)

74/X Wenn man sich jedoch diesen Ansatz zu eigen macht, kann man die Bedeutsamkeit der Sprache nicht unter Berufung auf die sie hervorbringenden geistigen Akte erklären. Das wäre eine einfache Lösung. Es wäre eine wahre Lösung. Es ist aber keine zulässige Lösung, denn sie macht geistige Akte wieder zur Grundlage der Bedeutsamkeit der Sprache und tut dadurch gerade das, was die philosophische oder die methodologische Entscheidung verboten hat. Zudem übersieht man leicht innerhalb dieses Horizonts den Unterschied zwischen der Bedeutsamkeit der Sprache, die zur normalen Sprache geworden ist, und der hervorbringenden Bedeutsamkeit, die sie besitzt, wenn sie dabei ist, normale Sprache zu werden. Auf der Basis dieses Übersehens kann man behaupten, daß die Bedeutsamkeit der Sprache ihrem Wesen nach öffentlich und nur in abgeleiteter Weise privat ist. (260; Fs)

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