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Autor: Dawson, Christopher

Buch: Gestaltungskräfte der Weltgeschichte

Titel: Gestaltungskräfte der Weltgeschichte

Stichwort: Augustinus, Gottesstaat; sittlicher Dualismus, aber Festhalten an einer universalen, vernünftigen Ordnung (lex aeterna, Vorsehung); Au. - Tertullian - Origenes; Hymnus an Zeus von Kleanthes

Kurzinhalt: [Augustinus] ... Ebenso glaubt er, daß die Unordnung und Verwirrung der Geschichte nur scheinbar sind und daß Gott alle Ereignisse in seiner Weisheit zu einer universalen Harmonie ordnet, die dem Verstand der Kreatur nicht faßbar ist.

Textausschnitt: 350a Überdies unterscheidet sich der heilige Augustinus, wenn er auch den von der christlichen Lebensanschauung unzertrennlichen sittlichen Dualismus so stark betont, von den älteren Vertretern der afrikanischen Schule durch seine intensive Erkenntnis einer universalen und vernunftmäßigen Ordnung, welche die gesamte Natur zusammenhält und den Lauf der Sterne ebenso bestimmt wie den Aufgang und Untergang der irdischen Reiche. Dieser Glaube ist eines der grundlegendsten Elemente seines Denkens. Er beherrschte seinen Geist in den ersten Tagen seiner Bekehrung, als er die Abhandlung "De ordine" schrieb, und verließ ihn nicht bis zuletzt. Er findet seinen typischen Ausdruck in der folgenden Stelle aus dem "Gottesstaat": "Der wahre Gott, von dem alles Sein ist, Schönheit, Form und Zahl, Gewicht und Maß, Er, von dem alle Natur, gering und hervorragend, alle Samen der Formen, alle Formen der Samen, alle Bewegungen der Formen und Samen herrühren und Ursprung haben ... Er (sage ich), der nicht nur Himmel und Erde, nicht nur Engel und Menschen, sondern auch den inneren Bau des unscheinbarsten Wesen, ja die Feder eines Vogels, die Blüte einer Pflanze und das Blatt an einem Baum nicht ohne Ineinanderpassung seiner Teile und ohne eine Art von Frieden ließ - von diesem Gott darf niemand glauben, daß er die Rechte der Menschen und Herrschaft und Knechtschaft außerhalb der Gesetze seiner Vorsehung stellen wollte1."

350b Hier kommt Augustinus Origenes näher als Tertullian; ja, dieses grundlegende Konzept des universalen Gesetzes - lex aeterna - leitet sich aus rein griechischen Quellen her. Es ist die charakteristische griechische Idee der kosmischen Ordnung, die sich in der gesamten griechischen Tradition von Heraklit und Pythagoras bis zu den späteren Stoikern und Neuplatoni-kern findet und die Augustinus über Cicero und Plotin kennengelernt hatte2. Dieser griechische Einfluß zeigt sich vor allem in Augustinus' tiefem Sinn für die ästhetische Schönheit der Ordnung und in seiner Lehre, daß selbst das Böse und das Leiden der Welt ihre ästhetische Rechtfertigung in der universalen Harmonie der Schöpfung finden - ein Gedanke, den schon die großartigen Zeilen des Hymnus an Zeus von Kleanthes ausgedrückt hatten:

"Du kannst eben machen, was uneben ist, ordnen, was in Unordnung befindlich ist, und Unschönes ist für dich schön. Denn auf diese Weise vereinest du alle Dinge, das Gute mit dem Bösen, so daß aus ihnen allen eine vernunftgemäße Ordnung entsteht, die auf immer währet."

351a So konnte der heilige Augustinus die Geschichte von einem viel weiteren Gesichtspunkt aus betrachten als Tertullian oder die Donatisten. Er kann zugeben, daß auch die irdische Stadt ihren Platz in der universalen Ordnung hat und daß die sozialen Tugenden der weltlich Gesinnten, die von einem religiösen Standpunkt aus oft nur "prächtige Laster" sind, doch in ihrer eigenen Ordnung einen echten Wert besitzen und im sozialen Leben ihre entsprechenden Früchte tragen. Ebenso glaubt er, daß die Unordnung und Verwirrung der Geschichte nur scheinbar sind und daß Gott alle Ereignisse in seiner Weisheit zu einer universalen Harmonie ordnet, die dem Verstand der Kreatur nicht faßbar ist. (Fs)

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