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Autor: May, Georg

Buch: Die Ökumenismusfalle

Titel: Die Ökumenismusfalle

Stichwort: Luther, Protestantismus; Ethik, 2 Hauptgrundsätze der protestantischen Sittenlehre; Ehe, Abtreibung

Kurzinhalt: Der Formalismus Kants beherrscht weite Teile der protestantischen Ethik. Im Sinne der kantischen Autonomie kann der Einzelne der persönlichen Glaubenserfahrung folgen. Die Sittlichkeit wird so sehr in die Gesinnung verlegt, daß ...

Textausschnitt: VI. Ethik

88a Die protestantischen Ansichten von Ethik und die katholische Sittenlehre sind durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt. Der Formalismus Kants beherrscht weite Teile der protestantischen Ethik. Im Sinne der kantischen Autonomie kann der Einzelne der persönlichen Glaubenserfahrung folgen. Die Sittlichkeit wird so sehr in die Gesinnung verlegt, daß die objektive Wertigkeit der äußeren Handlung auf der Strecke bleibt. Zwei Hauptgrundsätze der protestantischen Sittenlehre seien erwähnt. Erstens. Der Protestantismus kennt keine ausnahmslos geltenden Gesetze, sondern lediglich Regeln des sittlichen Handelns, die je nach den Umständen auch Ausnahmen zulassen. Bei entsprechenden Gründen kann man sich jedes Gebotes entschlagen. Ein Beispiel: Der Protestantismus verwirft die Lüge nicht bedingungslos, gestattet vielmehr die Nutzlüge. Zweitens. Der Protestantismus kennt keine in sich schlechten Handlungen1, die immer, überall und unter allen Umständen verboten sind. Wer gute Gründe für solche Handlungen hat, darf sie setzen. Der Protestantismus ist die Religion der ethischen Konzessionen. In der Haltung gegenüber der geschlechtlichen Sittlichkeit wird der Gegensatz zur Kirche besonders deutlich. Man denke an Empfangnisverhütung, Ehebruch, Ehescheidung, Homosexualität und Abtreibung. Die absichtliche Verhinderung der Empfängnis durch mechanische oder chemische Mittel ist für den Protestantismus kein Problem. Wer sich außerhalb der Ehe geschlechtlich betätigt, kann dies bei genügenden Gründen unbesorgt tun. Die Ehescheidung ist bei Vorliegen entsprechender Gründe nicht nur gestattet, sondern kann sogar pflichtmäßig sein; der Wiederverheiratung Geschiedener steht nichts entgegen. Die Lutheraner wissen 2000 Jahre nach dem Kommen des Logos noch nicht, ob Homosexualität eine Sünde ist2. Dieses Laster findet im Protestantismus immer ungescheuter Zustimmung und Anerkennung. In vielen evangelischen "Kirchen" werden Verbindungen von Homosexuellen "kirchlich" gesegnet3. Am Beispiel der Abtreibung der Kinder im Mutterleib zeigt sich die protestantische Ethik in ihrer Wirklichkeit. Selbstverständlich wird mit vielen Worten das Leben des kleinen Menschen beschworen, wird gesagt, Abtreibung sei unzulässig. Aber wenn bestimmte Umstände eintreten, darf man doch die Abtreibung vornehmen. Ja, die Synode der EKD, das höchste Verfassungsorgan der deutschen Protestanten, erklärte, man könne sich auch schuldig machen, wenn man die Abtreibung verweigere4. Richtig bemerkte Hans Apel, im deutschen Protestantismus gebe es nur "verklusternde Meinungen zum Thema Abtreibung"5. (Fs)

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