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Autor: May, Georg

Buch: Die Ökumenismusfalle

Titel: Die Ökumenismusfalle

Stichwort: Luther; Gnade, Rechtfertigung; Fiduzialglaube, Erbsünde; forensische Imputation der Gerechtigkeit Christi; simul iustus et peccator;


Kurzinhalt: Gnade ist dort [Protestantismus] nichts anderes als die Huld, die gnädige Gesinnung Gottes. Gnade als heiligmachendes, innerlich verwandelndes, übernatürliches Lebensprinzip kennt man nicht.

Textausschnitt: II. Rechtfertigung und Gnade

79b Ein zentraler Begriff und eine fundamentale Wirklichkeit im Christentum ist die Gnade. Nach katholischer Lehre ist Gnade jede übernatürliche Gabe, die Gott dem Menschen zur Erlangung des ewigen Heils verleiht. Die wichtigsten Arten der Gnade sind die Gnade des Beistands und die heiligmachende Gnade. Die heiligmachende Gnade ist eine übernatürliche Wirklichkeit, die der Seele von Gott eingegossen wird und ihr nach Art einer Seinsbeschaffenheit anhaftet. Der Begriff der Gnade ist im Protestantismus wesentlich von dem der katholischen Kirche verschieden. Gnade ist dort nichts anderes als die Huld, die gnädige Gesinnung Gottes. Gnade als heiligmachendes, innerlich verwandelndes, übernatürliches Lebensprinzip kennt man nicht. Wegen dieses bleibenden Gegensatzes sind alle gemeinsamen Erklärungen über die Rechtfertigung Makulatur. Bei diesem Gegenstand klafft ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen katholischer Lehre und protestantischer Ansicht. Nach der letzteren ist das menschliche Wesen durch die Erbsünde so verdorben, daß es nur zum Bösen fähig ist. Der erbsündige Mensch ist gemäß Luther wie ein Stein oder Klotz, der sich Gott gegenüber nur passiv verhalten kann. Es gibt keine menschliche Vorbereitung oder Mitwirkung bei der Rechtfertigung. Gott wirkt alles allein, der Mensch kann nichts. Gegenüber diesen irrigen Ansichten hält die katholische Lehre mit Schrift und Tradition daran fest, daß die menschliche Natur durch die Erbsünde zwar verwundet ist, aber fähig bleibt, in der Gnade Gottes zur Rechtfertigung mitzuwirken. Das subjektive Prinzip der Rechtfertigung ist der Glaube. Auch hier besteht ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen protestantischer Meinung und katholischer Lehre. Der Protestantismus huldigt dem Fiduzialglauben, d.i. dem Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit. Nach katholischer Lehre ist der Glaube die persönliche Bindung an Gott und gleichzeitig die freie Zustimmung zu der von Gott geoffenbarten Wahrheit. Schließlich unterscheiden sich protestantische Ansicht und katholische Lehre auch bezüglich der Wirkung des Vorgangs der Rechtfertigung. Die Gerechtigkeit Christi, die der Sünder im Glauben ergreift, deckt nach protestantischer Meinung die menschliche Sündhaftigkeit lediglich zu (forensische Imputation der Gerechtigkeit Christi). Die innere Sündhaftigkeit bleibt auch im gerechtfertigten Menschen (simul iustus et peccator). Nach katholischer Lehre bewirkt die Rechtfertigung eine wahre innere Heiligung. Endlich unterscheiden sich katholische Lehre und protestantische Meinung auch in der Bewertung der Rechtfertigungslehre. Diese ist für die Protestanten so etwas wie ein "Überdogma". Sie ist das entscheidende Kriterium für die "Kirchlichkeit". Mit diesem Maßstab werden katholische Lehren und Einrichtungen als unchristlich oder bloß menschlich abgelehnt. (Fs)

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