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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Methode in der Theologie

Titel: Methode in der Theologie

Stichwort: Religion; Ausdruck religiöser Erfahrung; Hierophanien; Friedrich Heiler

Kurzinhalt: Nun ist es nicht schwer einzusehen, so meine ich, wie diese sieben gemeinsamen Züge der Weltreligionen implizit in der Erfahrung eines uneingeschränkten In-Liebe-Seins enthalten sind.

Textausschnitt: 4. Ausdrucksweisen religiöser Erfahrung

24/4 Religiöse Erfahrung zeigt sich spontan in veränderten Einstellungen, in jener Ernte des Geistes: in Liebe, Freude und Friede, in Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Sie ist aber auch mit ihrer Grundlage und ihrer Mitte im mysterium fascinans et tremendum befaßt, und der Ausdruck dieses Anliegens ändert sich sehr, wenn man von den früheren zu späteren Stadien der Bedeutung übergeht. (116; Fs)

25/4 Im frühesten Stadium ergibt sich der Ausdruck aus der Einsicht in wahrnehmbare Darstellungen und Vorstellungen. Da wird mit einer gewissen Leichtigkeit das Räumliche, nicht aber das Zeitliche herausgestellt, das Besondere, nicht aber die Gattung, das Äußere, nicht aber das Innere, das Menschliche, nicht aber das Göttliche. Nur insofern das Zeitliche, die Gattung, das Innere und das Göttliche auf irgendeine Weise mit dem Räumlichen, dem Besonderen, dem Äußeren und dem Menschlichen assoziiert oder - in der Sprache des naiven Realisten - darauf 'projiziert' werden kann, kommt eine Einsicht zustande und kann sich daher ein Ausdruck ergeben. So ergibt sich aus der assoziativen Verbindung religiöser Erfahrung mit ihrem äußeren Anlaß, daß die Erfahrung zum Ausdruck gebracht und dadurch für das menschliche Bewußtsein zu etwas Bestimmtem und Deutlichem wird. (116f; Fs) (notabene)

26/4 Solche äußeren Anlässe nennt man Hierophanien, und sie sind zahlreich. Wenn jede einzelne von den zahlreichen etwas Bestimmtes und zu den anderen nicht in Beziehung Stehendes ist, offenbaren die Hierophanien die sogenannten Götter des Augenblicks. Wenn sie zahlreich sind, aber als mit einer Familienähnlichkeit ausgestattet erkannt werden, dann hat man es mit einem lebendigen Polytheismus zu tun, wie er sich heute in den 800 000 Göttern des Shintoismus darstellt.1 Wenn bestimmte religiöse Erfahrungen mit einem einzigen Ort in Verbindung gebracht werden, so entsteht der Gott dieses oder jenes Ortes. Geht es um die Erfahrungen einer einzigen Person und sind die Erfahrungen in der Einheit dieser Person vereinigt, dann geht es um den Gott dieser Person, etwa um den Gott Jakobs oder den Gott Labans.2 Erfolgt aber die Vereinigung der Erfahrungen sozial, erstehen die Götter oder der Gott einer Gruppe. (117; Fs) (notabene)

27/4 Vermutlich gibt es kein eindeutiges Beweismaterial dafür, daß solche religiöse Erfahrung dem von mir aufgestellten Modell entspricht - abgesehen von jener vorgängigen Wahrscheinlichkeit, die auf der Tatsache beruht, daß Gott gut ist und allen Menschen hinreichend Gnade zu ihrem Heil gibt. Zumindest einen Gelehrten gibt es, bei dem man eine ausdrückliche Aussage über Gemeinsamkeiten der Weltreligionen - Christentum, Judentum, Islam, zoroastrischer Mazdaismus, Hinduismus, Buddhismus und Taoismus - findet. Friedrich Heiler hat sieben solcher Gemeinsamkeiten recht ausführlich beschrieben.3 Zwar kann ich hier nicht den ganzen Reichtum seines Denkens wiedergeben, wenigstens aber eine Liste der Themen aufstellen, die er behandelt: Es gibt eine transzendente Wirklichkeit; sie ist dem Menschenherzen immanent; sie ist höchste Schönheit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte; sie ist Liebe, Barmherzigkeit, Mitleid; der Weg zu ihr ist Reue, Selbstverleugnung und Gebet; derselbe Weg ist Nächstenliebe, ja sogar Feindesliebe; der Weg ist Liebe zu Gott, so daß Seligkeit als Gotteserkenntnis, als Vereinigung mit ihm oder als Auflösung in ihm verstanden wird. (117; Fs)

28/4 Nun ist es nicht schwer einzusehen, so meine ich, wie diese sieben gemeinsamen Züge der Weltreligionen implizit in der Erfahrung eines uneingeschränkten In-Liebe-Seins enthalten sind. In-Liebe-Sein heißt mit jemanden in Liebe zu sein. Ohne Einschränkungen, Bedingungen, Vorbehalte oder Grenzen in Liebe zu sein heißt mit jemand in Liebe zu sein, der transzendent ist. Ist aber jemand, der transzendent ist, mein Geliebter, so ist er in meinem Herzen, so ist er für mich real von innen her. Wenn diese Liebe die Erfüllung meines grenzenlosen Drangs nach Selbst-Transzendenz durch Einsicht, Wahrheit und Verantwortlichkeit ist, so muß derjenige, der diesen Impuls an sein Ziel bringt und erfüllt, der Höchste an Intelligenz, Wahrheit und Güte sein. Da er zu mir kommen will durch das Geschenk der Liebe zu ihm, muß er selbst Liebe sein. Da ihn zu lieben mein Transzendieren meiner selbst ist, so ist es auch ein Verleugnen eben jenes Selbst, das zu transzendieren ist. Da ihn zu lieben heißt, ihm liebend Aufmerksamkeit zu schenken, ist diese Liebe Gebet, Meditation und Kontemplation. Da ihn zu lieben Früchte trägt, fließt diese Liebe über in die Liebe all derer, die er liebt oder lieben könnte. Aus einer Erfahrung der Liebe, die auf das Mysterium ausgerichtet ist, erfließt schließlich ein Verlangen nach Erkenntnis, während die Liebe selbst ein Verlangen nach Vereinigung ist; daher ist für den Liebenden, der den unbekannten Geliebten liebt, Inbegriff der Seligkeit, ihn zu erkennen und mit ihm vereint zu sein, wie immer dies zu erreichen sei. (118; Fs) (notabene)

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