Datenbank/Lektüre


Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Trennung: Wahrheit - Freiheit, Glaube - Moral

Kurzinhalt: Es ist nun dringend notwendig, daß die Christen die Eigenständigkeit ihres Glaubens und ihre Urteilskraft gegenüber der herrschenden, ja sich aufdrängenden Kultur wiederentdecken:

Textausschnitt: 88. Die Gegenüberstellung, ja die radikale Trennung von Freiheit und Wahrheit ist Folge, Äußerung und Vollendung einer anderen, noch schwerwiegenderen und schädlicheren Dichotomie, die den Glauben von der Moral trennt. (Fs)

Diese Trennung ist Gegenstand einer der vordringlichsten pastoralen Sorgen der Kirche im heutigen Säkularisierungsprozeß, in dem viele, allzu viele Menschen denken und leben, äls ob es Gott nicht gäbe". Wir stehen einer Mentalität gegenüber, die oft auf tiefgreifende, weitreichende Weise und bis in die letzten Winkel der Gesellschaft hinein die Haltungen und Verhaltensweisen sogar der Christen beeinflußt, deren Glaube dadurch entkräftet wird und seine Ursprünglichkeit als eigenständiger Maßstab für das eigene Selbstverständnis und das Handeln im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Leben verliert. Die von denselben Gläubigen übernommenen Beurteilungs- und Entscheidungskriterien stellen sich im Rahmen einer entchristlichten Kultur tatsächlich oft so dar, als hätten sie mit den Kriterien des Evangeliums nichts zu tun oder stünden sogar im Widerspruch zu ihnen. (Fs) (notabene)

Es ist nun dringend notwendig, daß die Christen die Eigenständigkeit ihres Glaubens und ihre Urteilskraft gegenüber der herrschenden, ja sich aufdrängenden Kultur wiederentdecken: "Denn einst wart ihr Finsternis - so belehrt uns der Apostel Paulus -, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor. Prüft, was dem Herrn gefällt, und habt nichts gemein mit den Werken der Finsternis, die keine Frucht bringen, sondern deckt sie auf! ... Achtet also sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht töricht, sondern klug. Nutzt die Zeit, denn diese Tage sind böse" (Eph 8,8-11.15-16; vgl. 1 Thess 5,4-8). (Fs)

Es ist dringend notwendig, das wahre Antlitz des christlichen Glaubens zurückzugewinnen und wieder bekannt zu machen; dies ist ja nicht lediglich eine Summe von Aussagen, die mit dem Verstand angenommen und bestätigt werden müssen. Er ist vielmehr eine gelebte Kenntnis von Christus, ein lebendiges Gedächtnis seiner Gebote, eine Wahrheit, die gelebt werden muß. Ein Wort wird schließlich nur dann wahrhaft angenommen, wenn es in die Handlungen übergeht, wenn es in die Praxis umgesetzt wird. Der Glaube ist eine Entscheidung, die die gesamte Existenz in Anspruch nimmt. Er ist Begegnung, Dialog, Liebes- und Lebensgemeinschaft des Glaubenden mit Jesus Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14,6). Er schließt einen Akt des Vertrauens und der Hingabe an Christus ein und gewährt uns zu leben, wie er gelebt hat (vgl. Gal 2,20), das heißt in der je größeren Liebe zu Gott und zu den Brüdern. (Fs)

89. Der Glaube besitzt auch einen sittlichen Inhalt: er schafft und verlangt ein konsequentes Engagement des Lebens, er unterstützt und vollendet die Annahme und Einhaltung der göttlichen Gebote. Wie der Evangelist Johannes schreibt, "Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm. Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit ... Wenn wir seine Gebote halten, erkennen wir, daß wir ihn erkannt haben. Wer sagt: Ich habe ihn erkannt, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner, und die Wahrheit ist nicht in ihm. Wer sich aber an sein Wort hält, in dem ist die Gottesliebe wahrhaft vollendet. Wir erkennen daran, daß wir in ihm sind. Wer sagt, daß er in ihm bleibt, muß auch leben, wie er gelebt hat" (1 Joh 1,5-6; 2,3-6). (Fs)

Durch das sittliche Leben wird der Glaube zum "Bekenntnis", und das nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen: es wird ein Zeugnis abgelegt. "Ihr seid das Licht der Welt - hat Jesus gesagt -. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen" (Mt 5,14-16). Das sind vor allem jene der Nächstenliebe (vgl. Mt 25,31-46) und der wahren Freiheit, die sich in der Selbsthingabe kundtut und lebt. Bis zur völligen Selbsthingabe, wie es Jesus getan hat, der am Kreuz "die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat" (Eph 5,25). Das Zeugnis Christi ist Quelle und Maß (Paradigma) für das Zeugnis des Jüngers, der aufgerufen ist, denselben Weg einzuschlagen: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Lk 9,23). Dem Anspruch des evangelischen Radikalismus entsprechend kann die Liebe den Glaubenden zum äußersten Zeugnis des Martyriums bringen. Über das Vorbild des am Kreuz sterbenden Jesus schreibt Paulus an die Christen von Ephesus: "Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt" (Eph 5,1-2). (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt