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Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Mathäus Kapitel 19 (Mt 19,16): der reiche Jüngling; Freiheit - Gebote, Gesetz; Augustinus: Freiheit - Knechtschaft

Kurzinhalt:
Wer "nach dem Fleische" lebt, empfindet das Gesetz Gottes als eine Last, ja als eine Verneinung oder jedenfalls eine Einschränkung der eigenen Freiheit.

Textausschnitt: 17. Wir wissen nicht, wie weit der junge Mann des Evangeliums den tiefen und anspruchsvollen Inhalt der ersten Antwort verstanden hat, die ihm von Jesus gegeben wurde: "Wenn du das Leben erlangen willst, halte die Gebote!"; es ist jedoch gewiß, daß der Eifer, den der junge Mann angesichts der sittlichen Forderungen der Gebote erkennen läßt, den unentbehrlichen Boden darstellt, auf dem das Verlangen nach Vollkommenheit keimen und reifen kann, also nach der Verwirklichung ihres Sinngehaltes in der Nachfolge Christi. Das Gespräch Jesu mit dem jungen Mann hilft uns, die Voraussetzungen für das sittliche Wachstum des zur Vollkommenheit berufenen Menschen zu begreifen: der junge Mann, der alle Gebote befolgt hat, erweist sich als unfähig, aus eigener Kraft den nächsten Schritt zu tun. Um ihn zu tun, bedarf es einer reifen menschlichen Freiheit: "Wenn du willst", und des göttlichen Geschenkes der Gnade: "Komm und folge mir nach". (Fs)

Die Vollkommenheit erfordert jene Reife in der Selbsthingabe, zu der die Freiheit des Menschen berufen ist. Jesus weist den jungen Mann auf die Gebote als die erste, unverzichtbare Voraussetzung hin, um das ewige Leben zu erlangen; die Aufgabe all dessen, was der junge Mann besitzt, und die Nachfolge des Herrn nehmen hingegen den Charakter eines Angebots an: "Wenn du willst". Das Wort Jesu enthüllt die besondere Dynamik des Wachstums der Freiheit zur Reife und bezeugt zugleich die fundamentale Beziehung der Freiheit zum göttlichen Gesetz. Die Freiheit des Menschen und das Gesetz Gottes widersprechen sich nicht, sondern im Gegenteil, sie fordern einander. Der Jünger Christi weiß, daß seine Berufung eine Berufung zur Freiheit ist. "Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder" (Gal 5,13), verkündet der Apostel Paulus mit Freude und Stolz. Aber sogleich präzisiert er: "Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!" (ebd.). Die Festigkeit, mit der sich der Apostel dem widersetzt, der seine Rechtfertigung dem Gesetz anvertraut, hat nichts gemein mit der "Befreiung" des Menschen von den Geboten, die im Gegenteil im Dienst der praktisch geübten Liebe stehen: "Wer den andern liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren! und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Röm 13,8-9). Nachdem der hl. Augustinus von der Befolgung der Gebote als der ersten unvollkommenen Freiheit gesprochen hat, fährt er fort: "Warum noch nicht vollkommen?, wird mancher fragen. Weil 'ich spüre, daß in meinen Gliedern ein anderes Gesetz im Konflikt mit dem Gesetz meiner Vernunft steht'. Teils Freiheit, teils Knechtschaft: noch nicht vollkommen, noch nicht rein, noch nicht voll ist die Freiheit, weil wir noch nicht in der Ewigkeit sind. Zum Teil bewahren wir die Schwäche und zum Teil haben wir die Freiheit erlangt. Alle unsere Sünden sind bei der Taufe getilgt worden, aber ist etwa die Schwachheit verschwunden, nachdem die Ungerechtigkeit ausgemerzt worden ist? Wäre sie verschwunden, würde man auf Erden ohne Sünde leben. Wer wird das zu behaupten wagen, außer einer, der anmaßend und daher der Barmherzigkeit des Befreiers unwürdig ist?... Da also eine Schwäche in uns geblieben ist, wage ich zu sagen, daß wir in dem Maße, in dem wir Gott dienen, frei sind, während wir in dem Maße, in dem wir dem Gesetz der Sünde folgen, Sklaven sind"1. (Fs)

18. Wer "nach dem Fleische" lebt, empfindet das Gesetz Gottes als eine Last, ja als eine Verneinung oder jedenfalls eine Einschränkung der eigenen Freiheit. Wer hingegen von der Liebe beseelt ist und "sich vom Geist leiten läßt" (Gal 5,16) und den anderen dienen will, findet im Gesetz Gottes den grundlegenden und notwendigen Weg zur praktischen Übung der frei gewählten und gelebten Liebe. Ja, er spürt den inneren Drang - ein echtes und eigenes "Bedürfnis" und nicht etwa einen Zwang -, nicht bei den Minimalforderungen des Gesetzes stehenzubleiben, sondern sie in ihrer "Fülle" zu leben. Es ist ein noch unsicherer und brüchiger Weg, solange wir auf Erden sein werden, der aber ermöglicht wird von der Gnade, die es uns gewährt, die volle Freiheit der Kinder Gottes zu besitzen (vgl. Röm 8,21) und somit im sittlichen Leben auf die erhabene Berufung zu antworten, "Söhne im Sohn" zu sein. (Fs)

Diese Berufung zu vollkommener Liebe ist nicht ausgewählten Gruppen vorbehalten. Die Aufforderung: "Geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen", mit der Verheißung: "so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben", betrifft alle, denn sie ist eine grundlegende Erneuerung des Gebotes der Nächstenliebe, wie die folgende Einladung "Komm und folge mir nach" die neue konkrete Form des Gebotes der Gottesliebe ist. Die Gebote und die Einladung Jesu an den reichen Jüngling stehen im Dienst einer einzigen, unteilbaren Liebe, die aus eigenem Antrieb nach Vollkommenheit strebt und deren Maß allein Gott ist: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Im Lukasevangelium präzisiert Jesus den Sinn dieser Vollkommenheit weiter: "Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!" (Lk 6,36). (Fs)
"Komm und folge mir nach!" (Mt 19,21)

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