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Autor: Schooyans, Michel

Buch: Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Ethik, Leben, Bevölkerung

Stichwort: [6] Ist die Abtreibung gerechtfertigt, wenn das empfangene Kind unerwünscht ist?

Kurzinhalt: Ein Wunschkind ist nicht zwangsläufig glücklich und ein ungewolltes Kind nicht notwendigerweise ungeliebt oder unglücklich. Viele zunächst unerwünschte Kinder werden später heiß geliebt, ebenso wie zahlreiche Wunschkinder unglücklich sind.

Textausschnitt: a) Ein Wunschkind ist nicht zwangsläufig glücklich und ein ungewolltes Kind nicht notwendigerweise ungeliebt oder unglücklich. Viele zunächst unerwünschte Kinder werden später heiß geliebt, ebenso wie zahlreiche Wunschkinder unglücklich sind. (Fs)

In jedem Fall gehen auch mit dem Wunschkind immer zahllose Risiken für die Eltern und die Gesellschaft einher. Zudem kann es durchaus nach der Geburt als unerwünscht angesehen werden, beispielsweise wegen seiner eigenen Entwicklung (etwa zum Verbrecher oder aufgrund einer speziellen, unerwünschten Veranlagung) oder wegen der Entwicklung der Eltern (Scheidung). Eine Erziehung, die darauf hinwirkt, daß jedes Kind angenommen wird, ist also unerläßlich. (Fs)

b) Psychologisch gesehen ist festzustellen, daß bei den meisten Frauen im Laufe der Schwangerschaftsmonate aus eventueller anfänglicher Angst oder Verstimmung fast immer Hinnahme und dann Liebe wird. Der Kinderwunsch verharrt nicht im Anfangsstadium, sondern er schreitet voran und reift. Wahrscheinlich waren wir selbst zumeist gar nicht erwünscht, sondern sind hingenommen worden. (Fs)

Überdies bildet das vereinte Paar, die aus zwei Menschen gebildete Familie, die natürliche Aufnahmestruktur für das Kind, und das heißt nichts anderes, als daß sie beide genug Dauer, Treue und Zuversicht mitbringen müssen, um gemeinsam im Unvorhergesehenen zu bestehen (s.a. 63). Was nottut, ist daher, daß das richtige Gesellschaftsklima an die Stelle der heutigen Tendenz tritt, bei der den Paaren allzuoft von der Selbstprojektion und Fortpflanzung abgeraten wird und man Familien mit Kindern negativ begegnet. (Fs)

c) Die soziale Indikation: Heute werden die meisten Abtreibungen durchgeführt, weil das Austragen des werdenden Kindes dem Umfeld (der Mutter, dem Vater, eventuell der Familie) sozial nicht tragbar erscheint. Daß es soziale Notlagen und persönliche Zwangssituationen in der Vergangenheit gegeben hat, heute gibt und wahrscheinlich auch in Zukunft immer geben wird, ist hinlänglich bekannt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese Notlagen der Gesellschaft die Berechtigung geben, das Problem dort zu lösen, wo es eigentlich gar nicht liegt: beim werdenden Kind. Denn dieses ist ja unschuldig an der bestehenden Lage, und die Beseitigung eines unschuldigen Wesen verändert daran nicht viel. Wenn schon soziale Kriterien herangezogen werden, dann müßten sie darauf abstellen, die Situation so zu verbessern, daß eine Abtreibung gar nicht mehr nötig wird. Auf gar keinen Fall aber können soziale Indikatoren, welche auf der täglich gelebten Realitätsebene liegen - so tragisch sie im Einzelfall sein mögen -, die Basis abgeben für eine politische und rechtliche Grundsatzregelung, die den Kern unserer Zivilisation trifft, nämlich die Definition des Rechts auf Leben für jeden einzelnen. (Fs)

d) Schließlich kann ein unerwünschtes Kind auch die Folge einer Vergewaltigung sein. Dieses für die betroffene Frau dramatische Problem wird in Kapitel 3 ausführlicher behandelt. Hier soll der Hinweis genügen, daß vom moralischen Standpunkt aus das gegenüber einer wehrlosen Frau verübte Unrecht nicht mit einem weiteren Unrecht, diesmal gegenüber dem wehrlosen Kind, vergolten werden darf. Denn nach der universellen Ethik gibt es Handlungen! die - auch wenn sie in der Realität geschehen - niemals erlaubt sein dürfen. Eine davon ist die Tötung eines Ungeborenen, weil man es des fundamentalsten aller Güter und Rechte beraubt: der Existenz, ohne welche alle zukünftige Entfaltungen der menschlichen Person unmöglich werden. (Fs)

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