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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Gott ist uns nah

Titel: Gott ist uns nah

Stichwort: Eucharistie; Transsubstantiation (Substanz) - Transsignifikation; eucharistische Anbetung

Kurzinhalt: Hier aber, wo Christus begegnet, geht es um dies Eigentliche. Genau das wurde mit dem Wort "Substanz" ausgedrückt. Nicht die Quanten sind gemeint, sondern der tiefe, der eigentliche Grund des Seins.

Textausschnitt: 85a Kommen wir zu der dritten und letzten Frage: Ist die Lehre von der realen Gegenwart Christi in den eucharistischen Gaben nicht durch die Naturwissenschaft längst widerlegt, überholt? Hat die Kirche sich mit ihrem Substanzbegriff - sie redet ja von "Transsubstantiation" - nicht viel zu weit an eine im Grund primitive und überholte Wissenschaft gekettet, die heute keinen Stand mehr haben kann? Wissen wir denn nicht genau, wie die Materie zusammengesetzt ist: aus Atomen, und diese aus Elementarteilchen? Daß Brot keine Substanz ist und folglich auch schon alles Weitere nicht stimmen kann? Nun, solche Einwendungen sind im Letzten sehr oberflächlich. Wir können sie jetzt nicht im einzelnen bedenken und es ist auch gewiß nicht notwendig, daß immer jeder einzelne alles das mitbedenkt, was in der Kirche hier geistig gerungen worden ist. Wichtig ist nur, daß das Gerüst des Denkens steht, das uns dann hilft, den eigentlichen, von ihm gestützten Kern des Glaubens angstlos und heiter zu leben. Begnügen wir uns also mit ein paar Hinweisen. Ein erster: Mit dem Wort Substanz hat die Kirche gerade die Naivität weggenommen, die sich an das Greifbare und Meßbare hält. Im zwölften Jahrhundert drohte das Geheimnis der Eucharistie zerrissen zu werden zwischen zwei Gruppierungen, die je auf ihre Weise seine Mitte verfehlten. Da waren die einen, die ganz erfüllt waren von dem Gedanken: Jesus ist wirklich da. Aber "Wirklichkeit", das war für sie nur das Körperliche. Folglich kamen sie zu dem Satz: In der Eucharistie kauen wir das Fleisch des Herrn; damit aber waren sie einem bösen Mißverständnis erlegen. Denn Jesus ist auferstanden. Wir kauen nicht Fleisch, wie Menschenfresser es tun würden. Deswegen standen mit Recht andere gegen sie auf, die sich gegen solch primitiven "Realismus" wehrten. Aber auch sie waren dem gleichen Grundirrtum verfallen, nämlich nur das Materielle, das Greifbare, das Sichtbare für Wirklichkeit zu halten. Sie sagten: Weil Christus nicht in kaubarer Körperlichkeit da sein kann, kann Eucharistie nur Sinnbild Christi sein; kann das Brot den Leib nur bedeuten, aber nicht der Leib sein. In solchem Streit hat sich die Kirche dadurch geholfen, daß sie den Begriff von Wirklichkeit vertiefte. In einem schwierigen Ringen wurde die Erkenntnis aussagbar: "Wirklich" ist nicht bloß, was man messen kann. Wirklich sind nicht bloß die "Quanten", die quantitativen Dinge; die sind im Gegenteil immer nur Erscheinungen des verborgenen Geheimnisses des eigentlichen Seins. Hier aber, wo Christus begegnet, geht es um dies Eigentliche. Genau das wurde mit dem Wort "Substanz" ausgedrückt.1 Nicht die Quanten sind gemeint, sondern der tiefe, der eigentliche Grund des Seins. Jesus ist nicht da wie ein Stück Fleisch, nicht im Bereich des Meßbaren und Quantitativen. Wer so die Wirklichkeit anfaßt, der täuscht sich über sie und damit über sich selbst. Damit aber lebt er verkehrt. Deswegen ist dies kein Streit unter Gelehrten, sondern es geht um uns selbst: Wie müssen wir zur Wirklichkeit stehen? Was ist "wirklich"? Wie müssen wir selbst sein, damit wir der Wahrheit entsprechen? Auf die Eucharistie hin wird uns gesagt: Die Substanz wird verwandelt, das heißt, der eigentliche Grund des Seins. Um ihn geht es und nicht um das Vordergründige, zu dem all das Meßbare und Greifbare gehört. Mit dem so Bedachten sind wir zwar einen guten Schritt vorangekommen, aber noch nicht am Ende. Denn wir wissen nun zwar, was nicht gemeint ist, aber es bleibt die Frage: Wie ist es positiv aufzufassen? Wieder müssen ein paar Hinweise genügen, denn die Begrenzung unseres Blickfelds erlaubt uns nur, uns tastend zum Geheimnis vorzuwagen. (Fs) (notabene)

87a
a) Ein Erstes. Was der Kirche immer wichtig war, ist dies, daß hier wirkliche Verwandlung geschieht. In der Eucharistie trägt sich wirklich etwas zu. Es wird Neues, was vorher nicht war. Das Wissen um Verwandlung gehört zu den Urgegebenheiten des eucharistischen Glaubens. Es kann daher auch nicht so sein, daß der Leib Christi zu dem Brot noch hinzutritt, als ob Brot und Leib Christi zwei gleichartige Dinge wären, die auf gleicher Weise als zwei "Substanzen" nebeneinander stehen können. Wenn der Leib Christi, das heißt Christus, der auferstanden-Leibhaftige, kommt, so ist er Größeres, Anderes, nicht in derselben Art wie das Brot. Es geschieht Verwandlung, die unsere Dinge durch Aufnahme in eine höhere Ordnung in ihrem eigenen Wesen trifft und ändert, auch wenn man das nicht messen kann. Wenn materielle Dinge als Nahrung in unseren Leib aufgenommen werden bzw. wenn überhaupt Materie Teil eines lebendigen Organismus wird, bleibt sie gleich und wird doch als Teil eines Neuen auch selbst verändert.2 So Ähnliches geschieht auch hier. Der Herr bemächtigt sich des Brotes und des Weins, er hebt sie gleichsam aus den Angeln ihres gewöhnlichen Seins in eine neue Ordnung hinein; auch wenn sie rein physikalisch gleichbleiben, sind sie zutiefst Anderes geworden. (Fs) (notabene)

Kommentar (13.01.10): Seele als Operator des Leiblichen = der Auferstandene als Operator von Brot und Wein

87b Das hat eine wichtige Konsequenz, die zugleich das Gemeinte selbst noch einmal deutlicher werden läßt: Wo Christus anwesend wurde, kann es hernach nicht sein, als ob nichts gewesen wäre. Dort, wohin er seine Hand gelegt hat, ist Neues geworden. Dies verweist wiederum darauf, daß Christsein als solches Verwandlung ist, daß es Bekehrung sein muß und nicht irgendeine Verzierung zum übrigen Leben hinzu. Es greift in die Tiefe hinein und läßt uns von der Tiefe her neu werden. Je mehr wir selbst als Christen von der Wurzel her neu werden, desto mehr können wir das Geheimnis von Verwandlung überhaupt verstehen. Schließlich läßt solche Verwandelbarkeit der Dinge uns inne werden, daß die Welt selbst verwandelbar ist, daß sie als Ganze einmal neues Jerusalem, Tempel, Gefäß der Anwesenheit Gottes sein wird. (Fs)

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b) Das Zweite ist dies: Was sich in der Eucharistie abspielt, ist objektives Geschehen an der Sache selbst und nicht bloß eine Vereinbarung, die wir unter uns vornehmen. Träfe das letztere zu, so wäre Eucharistie nur eine Vereinbarung unter uns; eine Fiktion, in der wir übereinkämen, "dies" als "etwas anderes" anzusehen. Dann wäre sie nur Spiel, nicht Wirklichkeit. Ihre Feier hätte nur den Charakter eines Spiels. Die Gaben würden nur zeitweise für kultische Zwecke "umfunktioniert". Demgegenüber gilt: Was hier geschieht, ist nicht "Umfunktionierung", sondern wirkliche Umwandlung; die Kirche nennt sie Umsubstantiierung. Wir berühren damit einen Streit, der in den sechziger Jahren viel Staub aufgewirbelt hat. Da wurde gesagt, man müsse Eucharistie etwa folgendermaßen verstehen: Stellen wir uns vor, wir hätten ein Stück Tuch, das nun zu einer Nationalfahne oder etwa zu einer Regimentsfahne gemacht wird. Als Tuch ist es sich gleich geblieben, aber weil dies Stück Tuch nun Sinnbild der Nation oder Sinnbild dieses Regiments geworden ist, muß ich davor die Kopfbedeckung abnehmen. Es ist nichts anderes, bedeutet aber etwas anderes. Später wird es in einem Museum verwahrt werden und die ganze Geschichte jener Zeit in sich tragen. Man nannte die so geschehene Veränderung des Tuches Transsignifikation, zu deutsch: Bedeutungsänderung, "Umfunktionierung". Nun, ein Stück weit kann uns ein solches Beispiel durchaus verstehen helfen, daß Hineinnahme in einen neuen Zusammenhang Veränderung bewirkt.3 Aber das Beispiel reicht nicht zu. Was in der Eucharistie an Brot und Wein geschieht, geht viel tiefer; es ist mehr als Umfunktionierung. Eucharistie überschreitet den Raum des Funktionalen. Das ist ja die Not unserer Zeit, daß wir nur noch in Funktionen denken und leben, daß der Mensch selbst nach seinem Funktionswert eingestuft wird und daß wir alle nur noch Funktionen und Funktionäre sein können, wo das Sein geleugnet wird. Die Bedeutung der Eucharistie als Sakrament des Glaubens besteht eben darin, daß sie aus dem Funktionalen herausführt und den Grund der Wirklichkeit trifft. Die Welt der Eucharistie ist keine gespielte Welt; sie beruht nicht auf Abmachungen, die wir treffen und auch widerrufen können, sondern hier geht es um Wirklichkeit, um ihren tiefsten Grund. Dies ist der springende Punkt, wenn die Kirche bloße Umfunktionierung ("Transsignifikation") als ungenügend ablehnt und auf "Umsubstantiierung" besteht: Die Eucharistie ist mehr Wirklichkeit als die Dinge, mit denen wir täglich umgehen. Hier ist die eigentliche Wirklichkeit. Hier ist der Maßstab, die Mitte; hier begegnen wir jener Wirklichkeit, von der aus wir alle andere Wirklichkeit messen lernen sollten. (Fs)

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c) Daraus ergibt sich ein Letztes. Wenn es so steht, das heißt, wenn Brot und Wein nicht von uns umfunktioniert werden, sondern durch das glaubende Beten der Kirche hindurch der Herr selbst handelt und Neues wirkt, dann bedeutet das, daß seine Gegenwart bleibt. Weil sie bleibt, darum beten wir den Herrn in der Hostie an. Dagegen gibt es manche Einwendungen. Es wird gesagt, das habe man doch im ersten Jahrtausend nicht getan. Darauf ist zunächst einfach zu sagen, daß die Kirche wächst und reift im Gang der Geschichte. Man muß hinzufügen, daß sie immer schon die heiligen Gestalten aufbewahrt hat, um sie zu den Kranken zu bringen. Solches Tun beruhte auf dem Wissen, daß die Gegenwart des Herrn bleibt. Deswegen hat sie die Gestalten immer schon mit heiliger Ehrfurcht umgeben. Ein zweiter Einwand lautet: Der Herr hat sich in Brot und Wein gegeben. Das sind Dinge zum Essen. Damit habe er doch deutlich genug gezeigt, was er damit will und was nicht. Brot ist nicht zum Anschauen, sondern zum Essen da, wurde demgemäß formuliert. Im Kern ist das richtig; auch das Konzil von Trient sagt so.1 Aber erinnern wir uns zurück: Was heißt das: den Herrn empfangen? Dies ist nie nur ein leiblicher Vorgang, wie wenn ich ein Stück Brot esse. Dies kann deshalb nie nur das Geschehen eines Augenblicks sein. Christus empfangen heißt: auf ihn zugehen, ihn anbeten. Aus diesem Grund kann das Empfangen über den Moment der eucharistischen Feier hinausreichen, ja, muß es tun. Je mehr die Kirche in das eucharistische Geheimnis hineinwuchs, desto mehr hat sie begriffen, daß sie Kommunion nicht in den umgrenzten Minuten der Messe zu Ende feiern kann. Erst als so das Ewige Licht in den Kirchen entzündet wurde und neben dem Altar der Tabernakel aufgerichtet wurde, war gleichsam die Knospe des Geheimnisses aufgesprungen und die Fülle des eucharistischen Geheimnisses von der Kirche angenommen. Immer ist der Herr da. Die Kirche ist nicht bloß ein Raum, in dem in der Frühe einmal etwas stattfindet, während er den Rest des Tages "funktionslos" leer bliebe. Im Kirchenraum ist immer "Kirche", weil immer der Herr sich schenkt, weil das eucharistische Geheimnis bleibt und weil wir im Zugehen darauf immerfort im Gottesdienst der ganzen glaubenden, betenden und liebenden Kirche eingeschlossen sind. (Fs)

91a Wir alle wissen, welch ein Unterschied ist zwischen einer durchbeteten Kirche und einer solchen, die zum Museum geworden ist. Wir stehen heute sehr in Gefahr, daß unsere Kirchen Museen werden und daß es ihnen dann geht wie Museen: Wenn sie nicht verschlossen sind, werden sie ausgeraubt. Sie leben nicht mehr. Das Maß der Lebendigkeit der Kirche, das Maß ihrer inneren Offenheit wird sich darin zeigen, daß sie ihre Türen offen halten kann, weil sie durchbetete Kirche ist. Ich bitte Sie deshalb alle von Herzen, daß wir darauf einen neuen Anlauf nehmen. Entsinnen wir uns wieder dessen, daß Kirche immer lebt, daß in ihr immerfort der Herr auf uns zugeht. Die Eucharistie und ihre Gemeinschaft wird umso gefüllter sein, je mehr wir im stillen Beten vor der eucharistischen Gegenwart des Herrn uns selbst auf ihn bereiten und wahrhaft Kommunizierende werden. Solches Anbeten ist ja immer mehr als Reden mit Gott im allgemeinen. Dagegen könnte sich dann mit Recht der immer wieder zu hörende Einwand richten: Ich kann ja auch im Wald, in der freien Natur beten. Gewiß kann man das. Aber wenn es nur dies gäbe, dann läge die Initiative des Betens allein bei uns; dann wäre Gott ein Postulat unseres Denkens - ob er antwortet, antworten kann und will, bliebe offen. Eucharistie bedeutet: Gott hat geantwortet: Eucharistie ist Gott als Antwort, als antwortende Gegenwart. Nun liegt die Initiative des Gott-Mensch-Verhältnisses nicht mehr bei uns, sondern bei ihm, und so erst wird es wirklich ernst. Deshalb erreicht das Gebet im Raum der eucharistischen Anbetung eine völlig neue Ebene; erst jetzt ist es zweiseitig und so erst jetzt wirklicher Ernstfall. Ja, es ist nun nicht nur zweiseitig, sondern allumfassend: Wenn wir in der eucharistischen Gegenwart beten, sind wir nie allein. Dann betet immer die ganze eucharistiefeiernde Kirche mit. Dann beten wir im Raum der Erhörung, weil wir im Raum von Tod und Auferstehung beten, also dort, wo die eigentliche Bitte in all unseren Bitten erhört ist: die Bitte um die Überwindung des Todes; die Bitte um die Liebe, die stärker ist als der Tod.2 In diesem Beten stehen wir nicht mehr vor einem erdachten Gott, sondern vor dem Gott, der sich uns wirklich gegeben hat; vor dem Gott, der Kommunion geworden ist für uns und der so uns selbst aus Grenze zu Kommunion befreit und zur Auferstehung führt. Solches Beten müssen wir neu suchen. Es sollte die Frucht der Fastenzeit sein, daß wir wieder betende Kirche und damit offene Kirche werden. Nur die betende Kirche ist offen. Nur sie lebt und lädt die Menschen ein; sie schenkt Gemeinschaft und den Raum der Stille zugleich. Aus allem Bedachten folgt von selbst noch eine abschließende Überlegung. Der Herr schenkt sich uns leibhaft. Deswegen muß auch ihm unsere leibhaftige Antwort entsprechen. Das bedeutet vor allem, daß Eucharistie über die Grenze des Kirchenraums hinausreichen muß, in die vielfältigen Formen des Dienstes am Menschen und an der Welt. Es bedeutet aber auch, daß auch unsere Frömmigkeit, unser Gebet den Ausdruck im Leib verlangt. Weil der Herr sich als Auferstandener im Leibe gibt, müssen wir mit Seele und Leib antworten. Alle geistigen Möglichkeiten unseres Leibes gehören notwendig zur Gestalt der Eucharistie: Singen, Reden, Schweigen, Sitzen, Stehen, Knien. Wir haben vielleicht früher das Singen und das Reden zu sehr vernachlässigt und ausschließlich nebeneinander geschwiegen. Heute sind wir umgekehrt in Gefahr, das Schweigen zu vergessen. Aber nur alles drei zusammen - Singen, Reden, Schweigen - ist die Antwort, in der die Fülle unseres geistigen Leibes sich auftut für den Herrn. Das gleiche gilt für die drei körperlichen Grundhaltungen: Sitzen, Stehen, Knien. Wiederum haben wir früher vielleicht das Stehen und zum Teil auch das Sitzen als Ausdruck entspannten Hörens zu sehr vergessen und sind zu ausschließlich gekniet; heute finden wir uns auch da in der umgekehrten Gefahr. Und doch ist auch hier der eigene Ausdruck aller drei Haltungen notwendig. Zur Liturgie gehört das sitzende, besinnliche Hineinhören in das Wort Gottes. Zu ihr gehört das Stehen als Ausdruck der Bereitschaft so wie Israel das Osterlamm stehend aß, um seine Bereitschaft zum Auszug unter der Führung des Wortes Gottes zu bekunden. Stehen ist darüber hinaus auch Ausdruck für den Sieg Jesu Christi: Am Ende eines Zweikampfes ist es der Sieger, der steht. Von da erhält es seine Bedeutung, daß Stephanus vor seinem Martyrium Christus zur Rechten Gottes stehen sieht (Apg 7,56). Unser Stehen beim Evangelium ist so über die Exodus-Geste hinaus, die wir mit Israel teilen, Stehen beim Auferstandenen, Bekenntnis zu seinem Sieg. Schließlich ist auch das Knien wesentlich: als die leibhaftige Gebärde der Anbetung, in der wir aufrecht, bereit, verfügbar bleiben, aber zugleich uns vor der Größe des lebendigen Gottes und seines Namens beugen. Jesus Christus selbst hat nach dem Bericht des heiligen Lukas die letzten Stunden vor seinem Leiden auf dem Ölberg kniend gebetet (Lk 22,41). Stephanus fiel auf die Knie, als er vor seinem Martyrium den Himmel offen und Christus stehen sah (Apg 7,60). Vor ihm, dem Stehenden, kniet er. Petrus hat kniend gebetet, um die Auferweckung der Tabita von Gott zu erflehen (Apg 9,40). Paulus hat nach seiner großen Abschiedsrede vor den Presbytern von Ephesus (vor seinem Weggang nach Jerusalem in die Gefangenschaft hinein) kniend zusammen mit ihnen gebetet (Apg 20,36). Am tiefsten führt der Christushymnus des Philipperbriefs (Phil 2,6-11), der die jesajanische Verheißung der weltweiten knienden Huldigung vor dem Gott Israels auf Jesus Christus überträgt: Er ist der "Name, in dem jedes Knie sich beugt im Himmel, auf der Erde und unter der Erde" (Phil 2,10). Aus diesem Text erfahren wir nicht nur die Tatsache, daß die Urkirche vor Jesus Christus kniete, sondern auch ihren Grund: Sie huldigt ihm - dem Gekreuzigten - damit öffentlich als dem Herrscher der Welt, in dem die Verheißung der Weltherrschaft des Israels-Gottes erfüllt ist. Sie bezeugt damit den Juden gegenüber ihren Glauben daran, daß Gesetz und Propheten von Jesus sprechen, wenn sie vom "Namen" Gottes handeln; sie hält damit dem Kaiserkult - dem totalen Anspruch der Politik gegenüber - an der neuen Weltherrschaft Jesu fest, die die politische Macht begrenzt. Sie drückt ihr Ja zur Gottheit Jesu aus. Wir knien mit Jesus; wir knien mit seinen Zeugen - von Stephanus, Petrus und Paulus an - vor Jesus und dies ist ein Ausdruck des Glaubens, der ihm von Anfang an als sichtbares Zeugnis seines Gottes- und Christusverhältnisses in dieser Welt unerläßlich war. Solches Knien ist der leibhaftige Ausdruck unseres Ja zur wirklichen Gegenwart Jesu Christi, der als Gott und Mensch, mit Leib und Seele, mit Fleisch und Blut unter uns anwesend ist. (Fs)

95a "Wo wäre ein Volk, dem seine Götter so nahe sind wie uns unser Gott ist?" Bitten wir den Herrn, daß er die Freude über seine Nähe neu in uns erweckt, daß er uns neu zu Anbetenden macht. Ohne Anbetung gibt es keine Verwandlung der Welt. (E; E10 13.01.2010)

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