Datenbank/Lektüre


Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Papst, Papsttum - Primat; Pastor aeternus; ex cathedra

Kurzinhalt: Es kann z.B. nicht im entferntesten die Rede davon sein, daß hier behauptet würde, der Papst könne nicht sündigen, könne keine Fehler begehen, habe in allen seinen Äußerungen recht und dergleichen mehr. Vielmehr schränkt das Konzil die ...

Textausschnitt: 19a Am 18. Juli 2005 waren es 135 Jahre, daß das 1. Vatikanische Konzil die Stellung des Papstes in der katholischen Kirche erstmals umfassend umschrieben und verkündet hat. Blitz und Donner gingen damals über St. Peter in Rom hernieder, während Pius IX. die Konstitution "Pastor aeternus" verlas und damit in Kraft setzte. Das Gewitter bedeutete den einen den Protest des Himmels, während die anderen darin das Toben der Hölle vernahmen. Die Konzilskonstitution enthielt nämlich die beiden Dogmen vom Universalprimat und der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes. (Fs)
Tags darauf donnerten am Rhein die Kanonen - der deutschfranzösische Krieg war ausgebrochen, das Konzil zerstreute sich in alle Winde, sein Werk blieb ein Torso, es wartete auf die Ergänzung durch das 2. Vatikanum. (Fs)

Was meint "Primat des Papstes"?

19b Befassen wir uns zunächst nun mit dem Inhalt der Konstitution "Pastor aeternus". Sie lehrt, daß Jesus Christus selbst dem hl. Petrus die oberste Hirtengewalt über die ganze Kirche übertragen habe, und daß dessen Primat in den römischen Bischöfen fortdauere. Von diesem obersten Hirtenamt heißt es sodann: "Wir lehren und erklären, daß die römische Kirche auf Anordnung des Herrn die ordentliche Leitungsgewalt über alle übrigen Kirchen innehat und daß diese Jurisdiktionsvollmacht des römischen Bischofs, die wahrhaft bischöflich ist, unmittelbar ist: Ihr gegenüber sind die Hirten und Gläubigen jedes Ritus und jedes Ranges sowohl einzeln für sich als auch alle zugleich zu hierarchischer Unterordnung und wahrem Gehorsam verpflichtet, nicht nur in Angelegenheiten, die den Glauben und die Sitten, sondern auch in solchen, die die Disziplin und die Leitung der über den ganzen Erdkreis ausgebreiteten Kirche betreffen, so daß durch die Wahrung der Einheit sowohl der Gemeinschaft als auch desselben Glaubensbekenntnisses mit dem römischen Bischof die Kirche Christi eine Herde unter einem obersten Hirten sei. Dies ist die Lehre der katholischen Wahrheit, von der niemand ohne Schaden für seinen Glauben und sein Heil abweichen kann."

20a Das nun bedeutet zum ersten, daß der Papst oberster Gesetzgeber ist, der für die ganze Kirche ebenso wie für deren einzelne Teile verbindliche Gesetze erlassen kann. Kraft der gleichen Vollmacht kann er Gesetze seiner Vorgänger oder auch solche von Allgemeinen Konzilien aufheben oder abändern, sofern sie nicht göttliches Recht oder die Glaubenswahrheit betreffen. Auch die authentische Interpretation von kirchlichen Gesetzen steht ihm zu. Gleiches gilt von der Einberufung, Leitung und Auflösung Allgemeiner Konzilien und ihrer abschließenden Bestätigung. Grenzen der päpstlichen Vollmacht sind, wie gesagt, das göttliche Recht, das Naturrecht und die Wahrheiten des Glaubens. (Fs)

Zur obersten Gesetzgebungsgewalt kommt die oberste Verwaltungshoheit. Allein der Papst kann ihr zufolge Bistümer usw. errichten oder unterdrücken. Er kreiert die Kardinale, ernennt oder bestätigt die Bischöfe und kann grundsätzlich alle Kirchenämter besetzen. Auch die Regelung der Liturgie, der Selig- und Heiligsprechung, der Gewährung von Ablässen sowie die Bestätigung von Ordensgemeinschaften und ihren Regeln ist Sache des Papstes. Außerdem steht ihm die oberste Verwaltung des gesamten Kirchenvermögens zu und auch das Recht, Abgaben für die Leitung der Gesamtkirche zu erheben. Diese Rechte übt der Papst in diesem Umfang jedoch nur in der lateinischen Kirche aus, für den Bereich der katholischen Ostkirchen sieht das orientalische Kirchenrecht -das allerdings auch vom Papst erlassen ist - manch andere der ostkirchlichen Überlieferung angemessene Regelungen vor. (Fs)

Die Ausübung des Obersten Hirtenamts erfordert sodann auch ein oberstes Aufsichtsrecht über die ganze Kirche, das der Papst durch Nuntien, Legaten und andere ausübt. (Fs)
Schließlich ist der Papst letzte Beschwerdeinstanz für alle Glieder der Kirche, die sich in ihren Rechten beeinträchtigt sehen. Organe des Papstes für die Wahrnehmung dieses Auftrags sind die einzelnen Kongregationen und Ämter der Römischen Kurie. (Fs)

21a Ganz wichtig ist auch die oberste richterliche Gewalt des Papstes. Er hat für die Einhaltung des kirchlichen Rechts zu sorgen und ist letzte Appellationsinstanz für alle Urteile nachgeordneter kirchlicher Gerichte. Diese Funktion übt der Papst durch die Gerichtshöfe der Sacra Romana Rota und der Signatura Apostolica aus. (Fs)

Von Bedeutung ist sodann, daß der Papst die Kirche und ihre Interessen den weltlichen Mächten gegenüber vertritt. Dem Heiligen Stuhl kommt von alters her Rechtspersönlichkeit im Sinne des Völkerrechts zu - unabhängig davon, daß der Papst seit den Lateranverträgen des Jahres 1929 auch Souverän des Staates der Vatikanstadt ist, wodurch sichergestellt wird, daß der Papst niemandes Untertan ist und darum die Weltkirche in voller Freiheit leiten kann. Alle diese Rechte leiten sich aus der dem Petrusnachfolger eigenen geistlichen Gewaltenfülle ab. (Fs)

Mit dieser Umschreibung des universalen Jurisdiktionsprimates sind Auffassungen definitiv zurückgewiesen, die - so etwa die Orthodoxie, aber auch der Episkopalismus und Gallikanismus des Westens - dem römischen Bischof nur einen Ehrenvorrang, nicht aber oberste Hirtengewalt einräumen wollen. Vollends wird dadurch die Vorstellung vom Papst als einer Art "Generalsekretär der vereinigten christlichen Konfessionen" als unmöglich erwiesen. (Fs)

Wiewohl nun der eben skizzierte Jurisdiktionsprimat das eigentliche Wesen des päpstlichen Amtes ausmacht, ist doch die in diesem enthaltene oberste Lehrautorität, das unfehlbare Lehramt des Papstes, weitaus bekannter und auch umstrittener. (Fs)

In bezug darauf lehrt das 1. Vatikanum im Kapitel 4 von "Pastor aeternus" - und das ist die eigentliche definitorische Formel: "Wenn der römische Bischof ex cathedra spricht, d. h., wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirt und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten apostolischen Autorität entscheidet, daß eine Glaubens- oder Sittenlehre von der ganzen Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet wissen wollte. Und daher sind solche Definitionen des römischen Bischofs aus sich, nicht aber auf Grund der Zustimmung der Kirche unabänderlich."

Bei einigermaßen aufmerksamer Lektüre dieses Textes wird klar, daß eine Reihe von üblicherweise erhobenen Einwänden gegen diese Glaubenslehre ins Leere stoßen. Es kann z.B. nicht im entferntesten die Rede davon sein, daß hier behauptet würde, der Papst könne nicht sündigen, könne keine Fehler begehen, habe in allen seinen Äußerungen recht und dergleichen mehr. Vielmehr schränkt das Konzil die wirkliche Irrtumslosigkeit des Papstes inhaltlich auf Gegenstände der Glaubens- bzw. Sittenlehre ein und formal auf das Sprechen "ex cathedra". Worin dieses besteht, sagt das Konzil: Der Papst müsse sich dabei ausdrücklich auf seine oberste apostolische Autorität berufen und sich mit seinem Spruch an die gesamte Kirche wenden. Nur wenn diesen Kriterien entsprochen ist, kann es sich um eine irrtumslose und darum aus sich heraus unabänderliche Entscheidung handeln. Hinzu kommt noch, daß diese auf den göttlichen Beistand zurückgeführt wird, der dem hl. Petrus verheißen ist. Es geht bei einem ex-cathedra-Spruch also nicht um einen dogmatisch-schöpferischen Akt des Papstes, sondern um die göttliche Garantie, daß das Evangelium Jesu Christi vor jeder Verfälschung bewahrt bleibt. So das 1. Vatikanische Konzil. (Fs)

22a Das 2. Vatikanum nimmt diese Lehren in vollem Umfang wieder auf und ergänzt sie lediglich, indem es die Stellung des Papstes als Haupt des Bischofskollegiums hervorhebt. Der Petrusnachfolger ist also oberster Hirt der Kirche und authentischer Interpret der Offenbarung Gottes. Durch seinen weltumspannenden Jurisdiktionsprimat und seine lehramtliche Unfehlbarkeit ist er instand gesetzt, sowohl die Einheit der Kirche Jesu Christi auf der ganzen Welt wie auch die Unversehrtheit ihrer Glaubensgrundlage zu gewährleisten. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt