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Autor: Beckmann, Jan P.

Buch: Wilhelm von Ockham

Titel: Wilhelm von Ockham

Stichwort: Ockham; Logik - Termini; Terminus - Begriff; terminus prolatus, scriptus, conceptus

Kurzinhalt: Termini sind, wie schon gesagt, Worte oder Wortgruppen mit selbständiger Bedeutung, die im Satz an Subjekt- oder Prädikatstelle auftreten (können). Begriffe ('conceptus') hingegen stellen nicht syntaktische, sondern mentale Phänomene dar.

Textausschnitt: 1. Termini

67b Am Anfang steht nach Ockham, anders als in der aristotelisch-boethianischen Logiktradition, nicht die Analyse des Satzes, sondern die des einzelnen Terminus in seiner nominalen, intentionalen und universalen Funktion, gefolgt von der Klassifikation der Termini sowie deren unterschiedlicher Supposition. Erst im Anschluß hieran folgt, was bei Aristoteles im Vordergrund steht: die Lehre von den Sätzen und den Wahrheitsbedingungen derselben und anschließend die Theorie der Schlüsse. Den Abschluß bildet die Lehre von den Konsequenzen und den Fehlschlüssen. Ockham beginnt mit den Termini deswegen, weil sie die kleinsten bedeutungstragenden Bestandteile wissenschaftlicher Argumentation bilden. 'Terminus' ist nicht einfach mit 'Wort' gleichzusetzen: Nicht jedes Wort kann als Terminus fungieren. So können synkategorematische Ausdrücke wie 'und', 'auch', 'ein', 'der' etc. weder als Subjekt- noch als Prädikatterm auftreten. Diese Funktion ist den kategorematischen Ausdrücken vorbehalten, Wörtern also mit selbständiger Bedeutung. Doch auch hier ist zu beachten, daß nicht jeder Terminus lediglich durch ein Wort repräsentiert wird; es können deren auch zwei oder mehrere sein, wie z.B. 'der musikalische Sokrates' in der Aussage "Der musikalische Sokrates ist Philosoph". Vor allem aber gilt: 'Terminus' ist ein syntaktischer Begriff; ein Wort oder eine Wortgruppe mit eigenständiger Bedeutung heißt nur dann 'Terminus', wenn es bzw. sie im Satz an Subjekt- oder Prädikatstelle auftritt bzw. auftreten kann. (Fs)

68a An dieser Stelle ist ein Blick auf den Zusammenhang zwischen Terminus und Begriff am Platz. Termini sind, wie schon gesagt, Worte oder Wortgruppen mit selbständiger Bedeutung, die im Satz an Subjekt- oder Prädikatstelle auftreten (können). Begriffe ('conceptus') hingegen stellen nicht syntaktische, sondern mentale Phänomene dar. Begriffe sind Produkte des Denkens ("per animam fabricata"), welches mit ihnen bestimmte Absichten zum Ausdruck bringt; daher der Status der Begriffe als 'gedankliche Zugriffe' ('intentiones animae'). Die Frage, welchen ontologischen Status die Begriffe besitzen, "ob sie real im Denken existieren oder nicht, gehört nicht in die Logik, sondern in die Metaphysik", so Ockham emphatisch (OP II, 7). Für den Logiker wichtig ist die Bestimmung, daß der Begriff etwas vom Verstande Begriffenes bezeichnet ("cognitum ab intellectu ... significat aliquid quod mens concipit". OT IV, 50). Der Zusammenhang zwischen Begriff und Terminus besteht darin, daß etwas vom Verstande Begriffenes im Satz als Subjekt- oder Prädikatterm auftreten kann. Einen solchen Terminus kann man aussprechen ('terminus prolatus'), man kann ihn niederschreiben ('terminus scriptus'), man kann ihn aber auch nur einfach denken ('terminus conceptus'). Während die geschriebenen und die ausgesprochenen Termini notwendig solche einer bestimmten Sprache sind, des Lateinischen, des Griechischen oder des Arabischen etwa, gehören die Begriffstermini keiner bestimmten Sprache an, sie sind "nullius linguae" (vgl. OP I, 11f), wie schon Augustinus betont hat.1 Die mentalen Termini sind gleichsam Bestandteile einer inneren, allen denkenden Wesen gemeinsamen Universalsprache. Aus dem Gesagten ist deutlich, daß jeder Begriff als Terminus fungieren kann und daß umgekehrt jeder Terminus ein begriffliches Korrelat besitzt. Doch darf dies nicht den Unterschied zwischen beiden verwischen. Denn der Begriff kann seiner Funktion nach als Terminus auftreten, hinsichtlich seines Inhalts aber ist er daran nicht gebunden. (Fs)

69a Zu Begriffen gelangt unser Denken mit Hilfe der Abstraktion, welche sowohl in einem Absehen von etwas als auch in einem Zusammensetzen von etwas besteht. Abstrahieren heißt nämlich zum einen, vom situativen, individuellen, raum-zeitlichen Gegebensein des Einzelfalls absehen, und es heißt zum anderen eine Mehrheit von Einzelfällen unter einem ihnen gemeinsamen Aspekt zusammenfassen. Dies hat nicht etwa zur Folge, daß in der Abstraktion der Einzelfall völlig ausgeblendet würde; vielmehr heißt abstrahieren einen bestimmten Aspekt einer Sache begreifen und einen anderen auslassen ("intelligendo unum, non intelligendo aliud") oder an einem Einzelfall dasjenige betrachten, was er mit einer Vielzahl anderer Einzelfälle gemeinsam hat ("intelligendo unum commune ad multa". OT I, 30/1). Die erstgenannte Seite der Abstraktion knüpft an die Tradition der 'aphairesis', des Aussonderns an, während die zweitgenannte Funktion der Abstraktion mit der Konstitution der Universahen zu tun hat. Diese entstehen nach Ockham freilich, wie wir sehen werden, nicht dadurch, daß man aus einer Reihe von Einzelfällen eine in diesen angeblich vorhandene gemeinsame Qualität heraushebt, sondern dadurch, daß festgestellt wird, daß einer bestimmten Klasse von Einzeldingen ein gemeinsames Prädikat zugesprochen werden kann. Daß Rosen oder Sonnenuntergänge 'rot' genannt werden können, verpflichtet nicht auf die Annahme des Vorhandenseins von 'Röte' in denselben, sondern besagt lediglich, daß von der Klasse dieser Dinge bzw. Erscheinungen in gleicher Weise der Ausdruck 'rot' ausgesagt werden kann. Die Identität der Bedeutung eines Begriffs ist nicht Ausfluß einer identischen, in den Dingen vorhandenen Qualität, sondern Produkt der abstraktiven Fähigkeit des Geistes. (Fs)

70a Sobald Begriffe im Satz Verwendung finden, spricht man von Termini. Diese treten im Satz an Subjekt- und Prädikatstelle auf. Unter 'Subjekt' versteht Ockham formal denjenigen Teil des Satzes, welcher Gegenstand einer Aussage ist (vgl. OP I, 92). Da Aussagen, sofern bestimmte Regeln beachtet werden, zu Beweisen verknüpft werden können, meint 'Subjekt' im speziellen Sinne den Aussagegegenstand einer Konklusion. Sofern die Aussagegegenstände der Schlußfolgerungen einer Wissenschaft in einer hierarchischen Ordnung stehen, kann es auch so etwas wie ein ausgezeichnetes Subjekt einer Wissenschaft geben. Wissenschaftstheoretisch meint 'subiectum', wie wir gesehen haben, dasjenige, worüber etwas gewußt wird, logisch hingegen dasjenige, wovon etwas prädiziert wird. Wie auch immer die Beziehung zwischen Wissensgegenstand ("illud quod scitur") und Aussagegegenstand ("illud de quo praedicatur") näherhin zu bestimmen ist, wichtig ist aus der Sicht der Logik, daß das eine formal vom anderen unterschieden wird. Ähnlich steht es mit dem Prädikatterminus: Er steht in einem wahren Satz für die über das Subjekt getroffene Aussage und ist insoweit formal nicht identisch mit dem ihm entsprechenden realen Sachverhalt. (Fs)

70b Ockham legt großen Wert darauf, daß zwischen logischer Aussagestruktur und ontologischem Sachverhalt prinzipiell unterschieden wird. Auch wenn dasjenige, worüber im Satz etwas ausgesagt wird, für einen Sachverhalt steht, von dem etwas gewußt wird, so ist doch das eine formal nicht identisch mit dem anderen. Ähnliches gilt für den Prädikatterminus und damit a fortiori für die Beziehung zwischen Subjekt- und Prädikatterm im Hinblick auf den realen Sachverhalt: das eine ist nicht das andere, auch wenn das eine (nämlich Subjekt- und Prädikatterm) für das andere (nämlich den Sachverhalt) stehen mag. Die formale Seite von Aussagen, ihre Eigentümlichkeiten und Eigengesetzlichkeiten, von den Dingen, ihrem Status und ihrer Struktur nicht zu unterscheiden hieße Logik und Ontologie vermischen. (Fs)

71a Das Subjekt-Prädikat-Schema der Logik ist nicht, zumindest nicht notwendig, dem Substanz-Akzidens-Verhältnis verwandt. So wird etwa in der Aussage "Der Mensch ist ein Seiendes" keineswegs dem Menschen die Eigenschaft 'seiend' zugesprochen. Daß letzteres von ersterem ausgesagt werden kann, impliziert nicht das Vorliegen eines Träger-Eigenschafts-Verhältnisses. Der Mensch ist nicht eine Substanz, der 'Sein' zukommt, innewohnt oder sonst wie zu eigen ist. Daß er existiert, ist keine Eigenschaft, die ihm zukommt oder auch abgehen könnte, sondern - im Rahmen der grundsätzlichen Kontingenz alles Geschaffenen - eine Eigentümlichkeit ('proprium'), welche mit ihm untrennbar verbunden ist. Mit Nachdruck wendet sich Ockham in diesem Zusammenhang gegen die sog. 'Inhärenz-Theorie' der Prädikation, welche das Verhältnis zwischen Subjekt- und Prädikatterm im Satz in Analogie zur Beziehung zwischen Substanz und Akzidens deutet: So wie die Akzidentien den Substanzen 'innewohnen', so soll nach der Inhärenztheorie der Prädikatterm im Subjekt -term 'enthalten' sein. Ockham hält diese Theorie, welche anfangs von Abälard vertreten, später aber von ihm verworfen worden ist,2 für grundfalsch und für die Ursache vieler Irrtümer, weil hier die ontologische Struktur der Dinge und ihrer Eigenschaften mit der logischen Struktur der Aussage und ihrer Bestandteile vermengt wird. Wie in der Aussage "Hund beißt Herrn" der Subjektterm dem Prädikatterm keineswegs ein Leid zufügt, so sind ihrer Natur nach die logischen Verhältnisse im Satz kein Spiegel der ontologischen in der Wirklichkeit. Ockham spricht daher statt von "P ist in S" lieber von "P kommt S zu" (vgl. OP I, 94/95); d.h. es liegt hier kein Enthaltensein, sondern eine bestimmte Weise der durch Prädikation erfolgenden Zuschreibung vor. (Fs)

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