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Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Kirche, Wahrheit, Vertrauen; 2000 Jahre ohne Schiffbruch; Stürme: Arius, Glaubensirrtümer der Antike, Glaubensspaltung; das Zeugnis der Heiligen

Kurzinhalt: In seiner ganzen Überzeugungskraft zeigt sich dieser jedoch, wenn wir rückschauend überblicken, unter welchen geschichtlichen Bedingungen sich diese Dauerhaftigkeit der Kirche bisher hat bewähren müssen.

Textausschnitt: Zweitausend Jahre ohne Schiffbruch

15b Fassen wir nun aber das Problem von einer ganz anderen Seite an. Wenn unsere bisherigen Feststellungen wahr sein sollen, dann müssen die Verheißungen Christi sich seither bewährt haben. Und das kann unschwer durch einen Rückblick auf zweitausend Jahre Kirchengeschichte überprüft werden. Allein die Tatsache, daß wir heute im Jahre 2007 überhaupt diese Frage stellen können, nimmt schon die Antwort vorweg. Wir könnten dies gar nicht als Katholiken tun, wenn die Kirche inzwischen aufgehört hätte zu existieren. Die bloße Existenz der Kirche im Jahre 2007 ist also schon ein unwiderlegbarer Beweis für ihre Dauerhaftigkeit. (Fs)

15c In seiner ganzen Überzeugungskraft zeigt sich dieser jedoch, wenn wir rückschauend überblicken, unter welchen geschichtlichen Bedingungen sich diese Dauerhaftigkeit der Kirche bisher hat bewähren müssen. Dabei stellt sich heraus, daß schon die Anfänge der Kirche von inneren Gegensätzen ebenso wie von äußeren Verfolgungen belastet waren, die die glaubensmäßige wie institutionelle Loslösung von der Synagoge mit sich brachte. Gleichermaßen problembeladen war die Inkulturation der jungen Kirche in das Imperium Romanum mit seiner römisch-griechischen Kultur. Hierin sind nicht nur die Unterdrückungsmaßnahmen des römischen Staates, sondern auch die Ausbildung der frühen Irrlehren begründet, die sich etwa mit dem Namen Markion oder dem Begriff der Gnosis verbinden. (Fs)

16a Letztere also, die Glaubenslehre betreffenden Konflikte, wurden durch die Anerkennung des Christentums seit Konstantin dem Großen keineswegs beendet, sondern noch verschärft, wie die Jahrzehnte dauernde arianische Krise zeigt. Diese war so umfassend und konnte die Fundamente des christlichen Glaubens so sehr erschüttern, daß zu Zeiten die arianische Partei in Verbindung mit der staatlichen Gewalt die Macht im Osten fast völlig in Händen hatte, während etwa der hl. Athanasius nicht nur mehrfach von seinem Bischofssitz vertrieben wurde, sondern sogar um sein Leben fürchten mußte. Ebenso fielen die Germanen für zwei Jahrhunderte dem Arianismus anheim. Dessen Sieg aber hätte das Ende des wahren christlichen Glaubens bedeutet. (Fs)

16b Die Spätantike war auch von anderen immer wieder aufbrechenden Glaubensirrtümern gekennzeichnet - man denke nur an den Monophysitismus, den Monotheletismus, den Donatismus und manch andere Häresie. Diese Geschichte häretischer Bestreitung und damit natürlich auch Bedrohung des genuin christlichen, katholischen Glaubens hat seither - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - beständig neue Fortsetzungen erfahren, die schließlich in der großen Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts ihren bislang nicht wieder erreichten Höhepunkt erlebte. Gerade in den Ländern deutscher Zunge waren um 1530 nahezu vier Fünftel der Bevölkerung zu Luther und den übrigen Neuerern abgefallen, und der verbliebene Rest schrie "Tod dem Papst!". England, Schottland, Skandinavien, Teile Polens, Ungarns und nicht geringe Teile Frankreichs trennten sich von der Kirche. Im wesentlichen blieben Italien und Spanien, Bayern und mit Mühe die von Bayern politisch bestimmten Fürstbistümer Köln und Münster treu. Dem gegenüber haben politische Gewaltmaßnahmen zur Unterdrückung der Kirche wie etwa durch die Französische Revolution und die atheistischen Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts zwar große Blutopfer gekostet, den Bestand der Kirche aber weit weniger zu gefährden vermocht als die in ihrem Inneren wirksamen Kräfte des Irrtums. (Fs)

Wie dem auch immer sei: Die Kirche hat die in ihr wie um sie tobenden Stürme von zweitausend Jahren überstanden. Nicht immer strahlend, nicht triumphal, aber ungebrochen. Da und dort leck geschlagen, manchmal mit einem zerbrochenen Mast und zerfetztem Segel - untergegangen ist das Schifflein Petri nicht. Und wenn dies bisher so gewesen ist, wird es - selbst nach bloßem menschlichen Ermessen - auch so bleiben. (Fs)

17a Man betrachte aber nicht nur das oft mühsame Überdauern der Kirche in den Stürmen der Geschichte, sondern auch die großen geistigen, die kulturellen und sittlichen Werte, die sie der Menschheit vermittelt hat. Es ist unbestreitbar und unbestritten, daß all das, was wir heute als unser abendländisches Kulturerbe betrachten, angefangen von der Kunst bis hin zur Wissenschaft, selbst der Technik, auf dem Mutterboden der Kirche gewachsen ist. Jene Institution, die den wissenschaftlichen Fortschritt in all den Jahrhunderten angeführt hat, die Universität, ist eine legitime Tochter der Kirche. Reden wir gar nicht erst von der Kunst in allen ihren Zweigen: Wo haben die Künste bis zu der alles in Frage stellenden Kulturrevolution der sechziger und siebziger Jahre eine Heimat gefunden, wenn nicht in der Kirche?

17b Vor allem aber ist jener mittlerweile natürlich längst säkularisierte Respekt vor der Persönlichkeit und Freiheit des einzelnen, der sich aus der Gottebenbildlichkeit des Menschen und seiner Berufung zum Heil in Christus ergibt, das heute kaum mehr als solches erkannte Erbe einer aus dem Geist der Kirche lebenden Vergangenheit. Etwas von dem gegenüber allen vor- und außerchristlichen Kulturen - sieht man einmal vom Judentum ab - grundsätzlich Neues, als dessen Herold die Kirche von Anfang an aufgetreten ist, sind Mitleid, Nächstenliebe, Feindesliebe. Wo hat es schließlich außerhalb des geistigen Umfeldes der Kirche jemals eine Bewegung wie den "Gottesfrieden" des 11. und 12. Jahrhunderts gegeben?

Noch manches andere wäre hier zu nennen, was, wie die angeführten sittlichen Haltungen, konsequenterweise da aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit verschwindet, wo die prägende Kraft der kirchlichen Verkündigung nicht mehr wirksam ist. (Fs)

Das Zeugnis der Heiligen

17c All das Gesagte findet vom Anfang der Kirchengeschichte an bis auf unsere Tage seinen überzeugendsten Ausdruck, seine nicht mehr überbietbare Verwirklichung im Leben jener, die wir Heilige der Kirche nennen. Ihre Zahl ist in allen Jahrhunderten so groß, daß allein ihre Lebensbeschreibungen bis etwa zum Ende des Mittelalters die mittlerweile circa 72 Foliobände der "Acta Sanctorum" füllen. Es waren Menschen, in deren Leben Glaube, Hoffnung, Gottes- und Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Selbstlosigkeit, Edelmut, Frömmigkeit und Hingabe, kurzum alles, was einen Menschen wertvoll macht, in beispielhafter Weise sichtbar geworden ist. Sie alle haben diese Größe erlangt als Glieder der Kirche. Ihre Lehre, ihre Weisung, ihre Gnadenvermittlung, kurzum die Kirche selbst war es, die sie hervorgebracht hat, wie ein Baum seine Früchte hervorbringt. Wie gut aber muß der Baum sein, der solche Früchte trägt! Es sind in der Tat die Heiligen, die den eindrucksvollsten Grund für unser Vertrauen in die Kirche darstellen. Wer demgegenüber darauf verweisen will, daß die Welt trotz zweitausendjährigem Einfluß der Kirche nicht besser geworden sei, der muß sich fragen lassen, wie die Welt denn ohne das Wirken der Kirche aussehen würde. Und: Kann der Bach etwas dafür, wenn der Kieselstein, der in ihm liegt, auch nach zweitausend Jahren in seinem Inneren hart und trocken ist? Umgekehrt ist aber zu sagen, daß überall, "wo auch immer die Botschaft der Kirche gehört, ergriffen und verwirklicht worden ist, "das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens" (Präfation vom Christkönigsfest) Gestalt angenommen hat, das Reich Gottes. (Fs)

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