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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Die Einsicht

Titel: Die Einsicht Bd. I und II

Stichwort: Methode der Metaphysik; Position - Gegenposition; Beispiel: Descartes; Philosophie: Basis (Erkenntnistheorie) - Erweiterung

Kurzinhalt: Drittens, die unvermeidbare philosophische Kompenente, die der Formulierung einer Erkenntnistheorie immanent ist, wird entweder eine Basis-Position oder eine Basis-Gegenposition sein.

Textausschnitt: 447c Erstens, in jeder Philosophie ist es möglich, zwischen ihrer Erkenntnistheorie und, andererseits, ihren Aussagen zu metaphysischen, ethischen und theologischen Fragen zu unterscheiden. Wir wollen die Erkenntnistheorie die Basis, die übrigen Aussagen die Erweiterung nennen. (Fs)

448a Zweitens, die Basis hat zwei Aspekte. Einerseits wird die Erkenntnistheorie dadurch bestimmt, daß man sich auf die Daten des Bewußtseins und die historische Entwicklung der menschlichen Erkenntnis beruft. Andererseits kann eine Erkenntnistheorie nicht vollständig formuliert werden, ohne zu Grundfragen der Philosophie Stellung zu beziehen. (Fs)

448b Drittens, die unvermeidbare philosophische Kompenente, die der Formulierung einer Erkenntnistheorie immanent ist, wird entweder eine Basis-Position oder eine Basis-Gegenposition sein. [388]

Sie wird eine Basis-Position sein,
(1) wenn das Wirkliche das konkrete Universum des Seins und nicht eine Unterabteilung des "Jetzt-schon-da-draußen" ist;
(2) wenn das Subjekt dadurch erkannt wird, daß es sich selbst intelligent und vernünftig bejaht und deshalb nicht schon in einem vorhergehenden "existentiellen" Zustande als erkannt gilt; und
(3) wenn die Objektivität aufgefaßt wird als eine Konsequenz intelligenter Untersuchung und kritischer Reflexion und nicht als eine Eigenschaft vitaler Vorwegnahme, Extraversion und Befriedigung. (Fs) (notabene)
Andererseits wird sie eine Basis-Gegenposition sein, wenn sie einer oder mehreren der Basispositionen widerspricht. (Fs)

448c Viertens, jede philosophische Aussage zu einer epistemologischen, metaphysischen, ethischen oder theologischen Frage wird eine Position genannt werden, wenn sie kohärent ist mit den Grundpositionen bezüglich des Wirklichen, der Erkenntnis und der Objektivität; und sie wird eine Gegenposition genannt werden, wenn sie kohärent ist mit einer oder mehreren der Basis-Gegenpositionen. (Fs)

448d Fünftens, alle Gegenpositionen fordern eine Umkehrung heraus. Denn jedes Fehlen von Kohärenz ruft den intelligenten und vernünftigen Forscher dazu auf, Kohärenz zu schaffen. Die Gegenpositionen aber, wenn sie auch unter sich kohärent sind, wenn auch die Eingabe ihrer symbolischen Äquivalenten in ein elektronisches Datensystem zu keinem Zusammenbruch desselben führen würde, sind doch inkohärent mit den Tätigkeiten, mit denen sie intelligent erfaßt und vernünftig bejaht werden. Denn diese Aktivitäten enthalten die Basis-Positionen; und die Basis-Positionen widersprechen jeglicher Gegenposition. Man kann eine Gegenposition erfassen und akzeptieren, vorschlagen und verteidigen; aber diese Aktivität verpflichtet einen dazu, das eigene Erfassen und Akzeptieren zu erfassen und zu akzeptieren; und diese Verpflichtung beinhaltet ein Erfassen und Akzeptieren der Grundpositionen. Es gibt nur einen kohärenten Weg, eine Gegenposition aufrechtzuerhalten, nämlich den des Tieres; denn die Tiere sprechen nicht nur nicht, sie geben auch keine Rechtfertigung ihres Schweigens. (Fs) (notabene)

449a Sechstens, alle Positionen fordern eine Entwicklung heraus. Denn sie sind nicht nur kohärent miteinander, sondern auch mit den Tätigkeiten der untersuchenden Intelligenz und der reflektierenden Vernunft; weil diese Tätigkeiten kohärent sind mit dem schon Erreichten, ist ihr Vollzug möglich, weil das schon Erreichte noch unvollständig ist, ist eine weitere Entwicklung gefordert. (Fs)

449b Ein einfaches Beispiel mag den Sinn dieser abstrakten Aussagen erhellen. Gehen wir davon aus, daß der Kartesische Dualismus sowohl eine Basis-Position wie auch eine Basis-Gegenposition enthält. Die Basis-Position ist das cogito, ergo sum, und weil Descartes es nicht mit der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit [389] ausstattete, führt dies zu seiner Weiterentwicklung durch Fragen vom Typ wie "Was ist das Ich?", "Was heißt Denken?", "Was ist das Sein?", "Welches sind die Beziehungen zwischen ihnen?" Andererseits ist die Basis-Gegenposition die Behauptung der res extensa; sie wird als wirklich vorgestellt im Sinne einer Unterabteilung des "Jetzt-schon-da-draußen"; ihre Objektivität ist eine Angelegenheit der Extraversion; Erkennen ist nicht eine Angelegenheit der Untersuchung und der Reflexion. Diese Gegenposition fordert eine Umkehrung heraus, nicht nur wegen ihrer Verbindung mit der anderen erwähnten Komponente im Kartesischen Denken, sondern auch wenn sie für sich allein im Denken eines Subjektes gesetzt wird. So versuchte Hobbes Descartes' Dualismus dadurch zu überwinden, daß er der res cogitans nur dann Wirklichkeit zugestehen wollte, wenn sie ebenfalls als res extensa aufgefaßt würde, als ein anderer Fall nämlich von Materie in Bewegung. Hume überwand Hobbes dadurch, daß er alle Fälle des "Jetzt-schon-da-draußen Wirklichen" auf ebensoviele Fälle des Mannigfaltigen der Sinneseindrücke reduzierte, die durch Gewohnheiten und Meinungen verbunden sind. Die Intelligenz und Vernünftigkeit von Hume bei seiner Kritik waren nun aber offensichtlich sehr verschieden von der Erkenntnis, die er so erfolgreich kritisierte. Können wir nicht die Erkenntnis eher mit der kritisierenden Aktivität gleichsetzen als mit den kritisierten Materialien? Wenn dem so ist, dann wird der Kartesische Dualismus auf einer anderen Marschroute eliminiert. Man ist dann zurückgeworfen auf das denkende Subjekt, und am Ende dieser Rück-Wendung wird die eigene Philosophie nicht nur durch eine stärkere Bejahung der Grundposition bereichert, sondern auch durch eine explizite Verneinung der Basis-Gegenposition. (Fs)

449c Im Lichte dieser Dialektik wäre dann die historisch gegebene Reihe von Philosophien als eine Reihenfolge von Beiträgen zu einem einzigen aber komplexen Ziel zu betrachten. Bedeutsame Entdeckungen, die ja nicht das Prärogativ völlig erfolgreicher Philosophen sind, werden entweder als Positionen oder als Gegenpositionen ausgedrückt. Die Positionen aber fordern zu einer Entwicklung auf, und deshalb sollte die Reihenfolge der Entdeckungen, die als Positionen ausgedrückt werden, eine vereinheitlichte kumulative Struktur bilden, die durch die Hinzufügung jener Entdeckungen bereichert werden kann, die anfänglich als Gegenpositionen ausgedrückt wurden. Andererseits, weil die Gegenpositionen zu einer Umkehrung auffordern, sollte eine freie Entfaltung des menschlichen Denkens dahin tendieren, die Entdeckung von den Entstellungen ihres Urhebers zu trennen, indem sie die Voraussetzungen dieser Entdeckung untersucht und ihre Implikationen überprüft. (Fs)

450a Nun geht aber die Dialektik selbst von einer nicht unbedeutenden Vorannahme aus, daß nämlich die Erkenntnistheorie einen grundlegenden Einfluß auf Metaphysik, Ethik und theologische Aussagen ausübt. Diese Vorannahme verdient es, weiter untersucht zu werden. Im vorliegenden Kapitel soll deshalb der Versuch unternommen werden, die Metaphysik zu definieren, ihre Methode darzulegen und diese Methode dadurch zu klären, daß wir sie anderen Methoden gegenüberstellen. In den [390] nachfolgenden Kapiteln werden wir die Methode in einem Umriß der Metaphysik, einer Skizze der Ethik und einer Darstellung der transzendenten Erkenntnis zu artikulieren versuchen. (Fs)

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