Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Uneinigkeit in der Hierarchie (Beispiele):
Kurzinhalt: Sogar im Kreise ein und derselben Bischofskonferenz kommt es durch das Vorgehen eines Mitglieds zu Zwietracht und Spaltung. Die kollegiale Regelung wirkt sich so aus, daß durch Mehrheitsbeschluß der einzelne, zur Minderheit zählende Bischof ... Textausschnitt: 61. Die in ihrer Hierarchie zerstrittene Kirche
136b Anstelle des Kennzeichens der Kirche, eine felsenfeste Einheit zu sein, was gelobt oder mißbilligt wurde, ist in der nachkonziliaren Kirche das Kennzeichen der Nichteinheit, ebenso Gegenstand des Lobs oder Mißfallens, getreten. Die Uneinigkeit in der Glaubenslehre behandeln wir später. Hier nehmen wir uns die Tatsache der Uneinigkeit in der Hierarchie vor. (Fs)
136c Mgr. Gijsen, Bischof von Roermond, erklärte im Zusammenhang mit dem Pluralismus in der niederländischen Kirche, es sei dann schlecht möglich, daß Konfrontation in der Kirche herrsche, wenn der eine dieser, der andere jener Kirche anhängen wolle. In diesem Falle handle es sich (so sagte er) um Konfrontation zwischen Kirchen und nicht innerhalb der Kirche. Auf die Frage, ob die Kluft zwischen den niederländischen Bischöfen so tief sei, daß man von verschiedenen Kirchen sprechen könne, reagierte er mit »natürlich« und machte deutlich, daß seine Kollegen vom Episkopat der Niederlande behaupteten, die römische Kirche stehe auf der gleichen Stufe wie die niederländische, und damit also das katholische Dogma vom Primat Petri und seiner Nachfolger leugneten1. Die Diagnose des katholischen Bischofs entspricht haargenau derjenigen, die evangelische Gemeinschaften stellten: »In Wirklichkeit sehen wir uns nicht mehr einem Katholizismus gegenüber, sondern verschiedenen Arten von Katholizismus«2. (Fs)
137a Wie bedeutsam solche Aussagen über die innere Zerrissenheit des Katholizismus sind, wird noch begreiflicher, wenn man bedenkt, daß der Vielheit des Protestantismus stets die unerschütterliche Einmütigkeit der Ecclesia Romana gegenübergestellt wurde, um diese entweder zu preisen oder zu verwerfen. Die vom Prinzip der privaten Erleuchtung im Protestantismus ausgelöste Zersplitterung war bis zum Konzil ein gängiges Motiv der katholischen Apologetik. (Fs)
137b Daß man tatsächlich von einem Pluralismus im Episkopat reden kann, geht aus widersprüchlichen Stellungnahmen zu denselben Themen hervor. So mißbilligte z.B. der deutsche Episkopat 1974 die Forderungen der Würzburger Synode, in Bigamie lebende Geschiedene zu den Sakramenten zuzulassen sowie den nichtkatholischen Christen die Teilnahme an der Eucharistie zu gestatten. Gleichwohl wurden diese Forderungen in der gleichen Fassung von der Synode vorgelegt und vom Schweizer Episkopat gebilligt. Sogar im Kreise ein und derselben Bischofskonferenz kommt es durch das Vorgehen eines Mitglieds zu Zwietracht und Spaltung. Die kollegiale Regelung wirkt sich so aus, daß durch Mehrheitsbeschluß der einzelne, zur Minderheit zählende Bischof die eigenständige Autorität einbüßt, wobei allerdings keineswegs geklärt ist, inwieweit er sich zu unterwerfen hat und woher die Verpflichtung dazu eigentlich kommt. So verliert einerseits jeder Bischof seine Autorität, hat andererseits aber freie Hand, nicht nur über die eigene Konferenz, sondern auch über alle anderen Bischöfe und Konferenzen sein Urteil abzugeben3 . (Fs)
138a Mgr. Riobé, Bischof von Orleans, ergriff 1974 öffentlich Partei für die Vicaires catéchistes de France, die von der Bischofskonferenz und von Kardinal Marty ausdrücklich gerügt worden waren (ICI, Nr. 537, 1979, S. 49). Kardinal Döpfner ließ für die Aufführung des die Muttergottes schmähenden Sacro-Pop-Musicals Ave Eva oder der Fall Mariä die Basilika St. Bonifatius in München zur Verfügung stellen, was ihm Tadel und Protest von Mgr. Graber, dem Bischof von Regensburg, einbrachte. Der mexikanische Episkopat widersprach dem Bischof von Cuernavaca, Mgr. Mendez Arceo, der erklärt hatte, der Marxismus sei unentbehrlich für die Verwirklichung der christlichen Lehre (»Der Fels«, August 1978, S. 252). Mgr. Simonis, Bischof von Rotterdam, verließ die Sitzung des Dritten Niederländischen Pastoralgesprächs, während seine Amtsbrüder ihm weiterhin beiwohnten und ein offenes Ohr für die Vorschläge hatten, Frauen und verheirateten Männern die Priesterweihe zu erteilen (»Das neue Volk«, 1978, Nr. 47). Der Bischof von Roermond, Mgr. Gijsen, hinwiederum sagte sich praktisch vom übrigen holländischen Episkopat los, indem er ein eigenes Seminar eröffnete und sich gegen die neue Pädagogik der Priesterbildung stemmte. Mgr. Simonis prangerte die These an, daß die katholische Kirche nur ein Teil der Kirche Christi sei. Darauf widersprach ihm der Bischof von Breda, Mgr. Ernst, und Mgr. Groot erklärte, die Doktrin Mgr. Simonis' »steht in glattem Gegensatz zur Lehre des II. Vatikanum« (ICI, Nr. 449,1974, S. 27). (Fs)
138b Was das Verhältnis zur Politik anbelangt, sind die Bischöfe der gleichen Nation oft uneinig. Bei den mexikanischen Präsidentschaftswahlen 1982 z.B. empfahl die Mehrheit einen bestimmten Kandidaten, während eine starke Minderheit sich für die Kandidaten einer Gegenpartei einsetzte (ICI, Nr. 577,15. August 1982, S. 53). (Fs)
138c Verblüffend sind die einander entgegengesetzten Positionen der französischen und der italienischen Bischöfe in Sachen Kommunismus. Die Italiener verkündeten, daß es nicht miteinander zu vereinbaren sei, gleichzeitig Christ und Anhänger des atheistischen Marxismus zu sein. Die Entscheidungsfreiheit in politischen Dingen hat ihre Grenzen in dieser grundsätzlichen Unvereinbarkeit. Dagegen entzogen die französischen Bischöfe auf ihrer Konferenz im Jahre 1975 allen katholischen Bewegungen der Jugend, der Arbeiter sowie der katholischen Aktion das Apostolat. Sie beschlossen, es den Bewegungen freizustellen, »die von ihnen gewünschten politischen Optionen zu treffen«. Die spezifisch katholischen, sozial engagierten Bewegungen wurden aufgelöst, weil »keine Bewegung jemals an sich allein das dem Evangelium gemäße Zeugnis in seiner Fülle kundtun kann« (IQ, Nr. 492,1975, S. 7). Außer der Tatsache, daß die beiden Episkopate in der Lehre voneinander abweichen1, ist der Beweggrund auf französischer Seite bemerkenswert. Dort wird davon ausgegangen, daß alle Formen, Zeugnis abzulegen, nur gleichwertige Spezies ein und desselben Genus seien und es dabei keine Spezies eines völlig anderen Genus gebe2. Dort wird außerdem der katholischen Kirche indirekt zum Vorwurf gemacht, sie sei unzulänglich. Sie bedürfe nämlich des Marxismus, um ein vollständiges Zeugnis zu geben. Es wird ein Synkretismus3 in allen sozialen Belangen angepriesen, der die Gegensätzlichkeit der Ideen völlig verwischt, ja aufhebt. Siehe §§ 111-113. (Fs)
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