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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Paul VI., Ansprache: Spaltung der Kirche

Kurzinhalt: »... die Wiederherstellung der spirituellen und realen Einheit im Innern der Kirche ist heute eines der schwierigsten und dringlichsten Probleme der Kirche«. Die schismatische Lage ist deshalb besonders ernst, weil die Spalter vorgeben, ...

Textausschnitt: 60. Die Einheit der nachkonziliaren Kirche

134a Wenn wir die Kennzeichen der nachkonziliaren Kirche behandeln, lassen wir uns davon leiten, alle Phänomene des Wachsens mit der von uns als Prinzip des Katholizismus angesehenen Auffassung vom Abhängigsein in Zusammenhang zu bringen, alle Phänomene des Absinkens mit der konträren Unabhängigkeitsidee. Der Geist der Unabhängigkeit ruft radikale Veränderungen hervor, und diese Radikalität geht ihrerseits Hand in Hand mit dem Verlangen, eine neue Welt zu schaffen. Dieser Schaffensantrieb wiederum führt letztlich zur Diskontinuität mit der Vergangenheit sowie zur Anschwärzung des historischen Erscheinungsbildes der Kirche. Unsere Aufgabe ist hier, die dem Geist der Unabhängigkeit zuzuschreibenden Folgen für die Einheit der Kirche zu erkennen. (Fs)

134c In seiner dramatischen Rede vom 30. August 1973 klagt Paul VI. über die Spaltung, die Zersetzung, die jetzt leider in nicht wenigen Kreisen der Kirche anzutreffen ist«, um ohne Umschweife zu bemerken: »... die Wiederherstellung der spirituellen und realen Einheit im Innern der Kirche ist heute eines der schwierigsten und dringlichsten Probleme der Kirche«. Die schismatische Lage ist deshalb besonders ernst, weil die Spalter vorgeben, sich nicht getrennt zu haben, und diejenigen, denen es obliegt, die Abtrünnigen ausdrücklich für getrennt zu erklären, statt dessen erwarten, daß die Schismatiker sich selbst als solche bekennen. »Die Betreffenden«, so der Papst, »wünschen unter dem Vorwand der Toleranz in jeder Hinsicht die Legalisierung ihrer offiziellen Zugehörigkeit zur Kirche, wobei jede Hypothese, es handle sich um Schisma oder Selbstexkommunikation, aufzugeben wäre«. (Fs) (notabene)

135a In der Ansprache vom 20. November 1976 behandelt der Papst erneut die Situation »der Söhne der Kirche, die ihren Bruch mit der Kirche, kanonisch gesehen, zwar nicht offiziell erklären, sich aber gleichwohl in einem anormalen Verhältnis zu ihr befinden«. Aussagen dieser Art scheinen einen Sachverhalt subjektivistisch zu verbrämen, bei dem die Kirche eine Entscheidung zu treffen hat. Schließlich ist die subjektive Annahme, man sei mit der Kirche verbunden, unzureichend, um die Tatsache der Zugehörigkeit weiterhin bestehen zu lassen. Im übrigen gibt es in der Kirche eine Behörde mit objektiver Funktion, die Bescheid weiß, in welchem Falle die Einheit zerrissen wird und dies wenn nötig bekanntgeben muß, anstatt einfach nur das Statement dessen, der sich getrennt weiß, abzuwarten und zu bestätigen. Wenn der Papst seinen »tiefen Schmerz über das Phänomen« ausdrückt, »das sich wie eine Epidemie in den kulturellen Sphären unserer kirchlichen Gemeinschaft ausbreitet«, so ist dies eigentlich eine Redeweise, die das Phänomen umgeht und es verharmlost, denn es betrifft in Wirklichkeit auch die hierarchische Sphäre. Bischöfe und Bischofskonferenzen lassen nämlich zu, daß Gruppen gebildet werden, die sich absondern und ihren eigenen Weg gehen. Sodann führt der Papst die fehlende Eintracht in der Kirche auf den Pluralismus zurück. Dieser müsse in den Schranken der Möglichkeit bleiben, den Glauben zu formulieren, greife statt dessen aber auf den Bereich der Glaubenssubstanz über. Er müsse im Kreise der Theologen bleiben, weite sich Jedoch auf die miteinander uneinigen Bischöfe aus. In derselben Rede gibt der Papst auch deutlich zu erkennen, daß eine zerstrittene Kirche nicht in der Lage ist, die Einheit aller Christen, geschweige denn aller Menschen herzustellen. (Fs)

136a In der Rede vom 29. November 1973 bezieht sich Paul VI. auf diejenigen, die (nach ihrer Ausdrucksweise) geltend machen, sie wollten Kirche werden - eine rein imaginäre Kirchlichkeit -, und gibt über den schismatischen Zustand das folgende abschwächende Urteil ab: »Einige verteidigen diese zweifelhafte Position mit an sich plausiblen Überlegungen, und zwar in der Absicht, gewisse menschliche Aspekte der Kirche, die bedauerlich und diskutabel sind, zu korrigieren oder die Kultur und Spiritualität der Kirche zu fördern oder die Kirche zu veranlassen, daß sie mit den zeitbedingten Umwandlungen Schritt hält. Somit bringen sie jene Gemeinschaft auseinander, der sie verbunden bleiben wollen«. Das Sonderbare an diesem Passus Pauls VI. ist, daß in solchen Absichten, die Kirche zu läutern, plausible Überlegungen erblickt werden. Das klingt, als ob Absichten eine falsche Argumentation, wie etwa die Behauptung, man sei in der Kirche, zugleich aber unabhängig von ihr, zu einer richtigen machen könnten, und als ob jeder Abfall von der kirchlichen Einheit durch die Abtrünnigen ins Bewußtsein zu bringen und zu erhärten wäre, um dann wirklich ein Schisma in der Kirche zu verursachen. Ist es nicht in der Geschichte eine häufige Attitüde, daß bei derartigen Konflikten der sich Trennende sein Tun bestreitet, ja sogar beteuert, er halte treuer zur Kirche als diese zu sich selbst? Gehört nicht der Schismatiker nach eigenen Angaben zur wahren Kirche, von der die katholische Kirche sich gewissermaßen trenne?

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