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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Nachkonzilszeit; Kirche: Unmöglichkeit einer radikalen Veränderung - kopernikanischer Wende;

Kurzinhalt: Es muß gesagt werden, daß der Glaube eines späteren Konzils der Glaube aller vorausgegangenen Konzile ist und sie alle verbindet. Man darf deshalb, was zusammengehört, nicht auseinanderbringen und absondern, ...

Textausschnitt: 53. Die Unmöglichkeit einer radikalen Veränderung innerhalb der Kirche

116b Da erheben sich nun tatsächlich unüberhörbare Stimmen im Episkopat für einen grundlegenden Wandel. Die Krise der Kirche scheint nicht in dem zu bestehen, was sie um ihrer Selbsterhaltung willen zu durchleiden hat, sondern in den Schmerzen, die ein anderes Wesen hervorbringen. Laut Kardinal Marty, dem Alt-Erzbischof von Paris, liegt das Neue in einer fundamentalen Option, aufgrund deren »die Kirche aus sich selbst hinausgetreten ist, um die Botschaft zu verkünden« und somit missionarisch zu werden. Mgr. Matagrin, der Bischof von Grenoble, wird nicht weniger deutlich und spricht von »kopernikanischer Wende, mit der (die Kirche) sich selbst und ihre Institutionen als Mittelpunkt aufgegeben hat, um sich mittelpunktmäßig Gott und den Menschen zuzuwenden« (IQ, Nr. 586, S. 30, 15. April 1983). Doch sich zwei Mittelpunkten, Gott und Mensch, zuwenden, mögen schöne Worte sein, eine Konzeption ist das nicht. Die behauptete fundamentale Option, sprich die Option für ein anderes Fundament, ist in katholischer Sicht absurd. Erstens, weil das Hinausgehen der Kirche aus der Kirche im Grunde Apostasie bedeutet. Zweitens, weil wie I. Kor. 3,11 besagt: »Keiner kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist, das ist Jesus Christus«1. Drittens, weil es nicht möglich ist, die Kirche in ihrer historischen Seinsweise, in ihrer kontinuierlichen Abfolge als apostolische, konstantinische, gregorianische, tridentinische abzulehnen und programmäßig die Jahrhunderte zu überspringen, wie es Pater Congar eingestandenermaßen vorhat: »der Plan ist, fünfzehn Jahrhunderte zu überspringen«. Viertens, weil das Hinausgehen der Kirche in die Welt zum Zwecke der Mission nicht verwechselt werden darf mit dem Hinaustreten der Kirche aus sich selbst. Letzteres bedeutet nämlich, daß die Kirche vom Sein zum Nichtsein übergeht, während sie im ersteren Falle ihr Wesen auf die Welt überträgt und in ihr verbreitet. Betrachtet man die Geschichte, ist es im übrigen unangemessen, die gegenwärtige Kirche, die niemanden mehr bekehrt, als missionarisch hinzustellen, und derjenigen Kirche dagegen diese Eigenschaft abzusprechen, die noch vor nicht allzulanger Zeit Gemelli, Papini, Psichari, Claudel, Peguy und andere zur Konversion führte. Natürlich ganz zu schweigen von den bis in die jüngere Vergangenheit hinein blühenden und rühmlichen Missionen der Propagandakongregation. (Fs)

117a Pater Congar bleibt dabei, daß die Kirche Pius' IX. und Pius' XII. zu Ende sei. Wie kann es katholische Ausdrucksweise sein, von der Kirche dieses oder jenes Papstes oder der Kirche des II. Vatikanum zu reden anstatt von der universalen und immerwährenden Kirche im II. Vatikanum! Und Mgr. Polge, Erzbischof von Avignon, hat im OR vom 3. September 1976 in aller Deutlichkeit gesagt, die Kirche des II. Vatikanum sei neu und der heilige Geist sei unaufhörlich am Werk, ihr die Unbeweglichkeit zu nehmen. Für den Prälaten besteht ferner die Neuartigkeit in einem neuen Selbstverständnis der Kirche, d.h. im Entdecken ihrer neuen Wesensart, und diese besteht darin, daß die Kirche »wieder angefangen hat, die Welt zu lieben, sich ihr zu öffnen, dialogfähig zu sein«. (Fs)

118a Die Überzeugung von einem neuen Geschehen in der Kirche, das bereits mit der allseitigen, von den Ideen bis zu den Dingen und Namen reichenden Veränderung belegt ist, zeigt sich auch in der ständigen Bezugnahme auf den Glauben des II. Vatikanischen Konzils und nicht mehr auf den einen und katholischen Glauben, der der Glaube aller Konzile ist2. Sie zeigt sich nicht weniger deutlich in dem Aufruf Pauls VI. zum Gehorsam, der ihm und dem Konzil gebühre, statt zum Gehorsam gegenüber allen seinen Vorgängern und der gesamten Kirche. Es muß gesagt werden, daß der Glaube eines späteren Konzils der Glaube aller vorausgegangenen Konzile ist und sie alle verbindet. Man darf deshalb, was zusammengehört, nicht auseinanderbringen und absondern, noch vergessen, daß die Kirche die eine im Raum und mehr noch, die eine in der Zeit ist. Sie ist das gesellschaftliche Individuum Christi in der Geschichte. (Fs)

118b Abschließend läßt sich feststellen, allerdings mit der nur relativen Genauigkeit jedes geschichtlichen Vergleichs, daß sich die Kirche in unserem Jahrhundert in der umgekehrten Lage als in der Zeit des Konzils von Konstanz befindet: Damals gab es mehrere Päpste und nur eine Kirche, heute dagegen gibt es nur einen Papst und mehrere Kirchen, die des Konzils und die anderen der Vergangenheit, die auf ein totes Gleis geschoben und ihrer Geltung beraubt werden sollen. (Fs)

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