Autor: Amerio, Romano Buch: Iota Unum Titel: Iota Unum Stichwort: Kirche: Krise durch mangelnde Anpassung (aggiornamento); Kondeszendenz; Anpassung - Widerspruch - höhere Bestimmung
Kurzinhalt: Allerdings besteht die der Kirche wesensgemäße Angleichung nicht darin, mit der Welt übereinzustimmen, .... sondern darin, daß sie ihren Widerspruch zur Welt auf die je verschiedenen historischen Zusammenhänge einstimmt und ... Textausschnitt: 4. Krise durch mangelnde Anpassung
3b Noch verbreiteter ist das Urteil, wonach die Krise der Kirche auf der fehlenden Anpassung an die fortschreitende moderne Kultur und Zivilisation beruhe und die Überwindung der Krise durch eine Öffnung oder nach dem Motto Johannes' XXIII. - ein aggiornamento - eine »Verheutigung« - des Geistes der Religion zu erstreben sei, der auf diese Weise veranlaßt wird, im Einklang mit dem Zeitgeist zu wehen. (Fs)
3c Dazu ist der Hinweis geboten, daß es der Kirche von ihrer Natur her gegeben ist, die Welt zu durchdringen. Sie, Sauerteig für die Welt (Lk. 13,21), schritt, wie die Geschichte zeigt, zur Einvernahme aller Bereiche des irdischen Lebens. Schrieb sie nicht sogar den Kalender und die Speisen vor? Diese Einvernahme ist so weit gegangen, daß man die Kirche anklagt, sie habe über die weltliche Sphäre widerrechtlich Macht ergriffen, und man sich für die Notwendigkeit stark macht, daß sie sich gewissermaßen läutere und davon lossage. In Wirklichkeit ist die Angleichung der Kirche in der Welt ein Gesetz der Religion, die einen aus Kondeszendenz Mensch gewordenen Gott verkündet. Sie ist auch ein Gesetz der Geschichte, die die bald zu-, bald abnehmende, doch stets erfolgende Beschäftigung der Kirche mit den Dingen der Welt zeigt. Allerdings besteht die der Kirche wesensgemäße Angleichung nicht darin, mit der Welt übereinzustimmen, siehe Röm. 12, 2: »werdet dieser Welt nicht gleichförmig«, sondern darin, daß sie ihren Widerspruch zur Welt auf die je verschiedenen historischen Zusammenhänge einstimmt und jenen wesensgemäßen Widerspruch abwandelt, ohne ihn aufzugeben. Dementsprechend entfaltete das Christentum gegenüber dem Heidentum eine diesem entgegengesetzte Wirkkraft, verwarf es doch Vielgötterei, Götzendienst, Knechtung durch die Sinne, Ruhmsucht, Größenwahn, und erhob es doch letztendlich alles Irdische auf ein an Gott orientiertes, von der Antike ungeahntes Ziel hin. Dennoch lebten die Christen, wenn sie diesen Gegensatz zur Welt in die Tat umsetzten, in der Welt wie Wesen, die auch eine irdische Bestimmung haben. Nach Aussage des Diognetbriefes waren sie in allen Lebensgewohnheiten von den Heiden nicht zu unterscheiden1.
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