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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Die Einsicht

Titel: Die Einsicht Bd. I und II

Stichwort: Sein - Theorien: Aristoteles; Sein als Form

Kurzinhalt: ... und so bezeichnete Aristoteles das ontologische Prinzip Form als den Seinsgrund in den Dingen, und den Erkenntnisakt des Erfassens der Form als die Einsicht, aus der der begriffliche Inhalt, Sein, hervorgeht.

Textausschnitt: 424b Aristoteles hielt an der Platonischen Definition des Urteils als Synthese fest.1 Aber er unterschied scharf zwischen den Fragen nach Einsicht (Was ist es? Warum ist es so?) und den Fragen nach Reflexion (Ist es? Ist es so?)2 mit dem Resultat, daß er den Tatsachen gegenüber einen gesunden und klarsichtigen Respekt zeigte, ohne seine genauen Implikationen zu erreichen. Er wäre mit dem Empiristen nicht einverstanden gewesen, der die Tatsache nicht in das virtuell Unbedingte versetzt, sondern in die sinnliche Erfüllung, durch die das Bedingte als Unbedingtes erfaßt wird. Doch würde man ihn vor eine Frage stellen, die er nicht hinreichend bedacht hatte, fragte man ihn, ob das virtuell Unbedingte eine dritte Komponente in unserer Erkenntnis sei, oder nur ein Signet der Zustimmung, welcher der begrifflichen Vereinung ihrer sinnlichen und intelligiblen Komponenten aufgedrückt wird. (Fs)

425a Diese ungelöste Zweideutigkeit kommt sowohl in seiner Methodologie als auch in seiner Metaphysik zum Ausdruck. Für ihn war die höchste Frage die der Existenz. Doch war dies eine Frage, die schon in der deskriptiven Erkenntnis beantwortet worden war; diese Antwort mußte vorausgesetzt werden bei der Suche nach Erklärung; und die Funktion der Erklärung war einfach die, zu bestimmen, was die Dinge sind, und warum sie die Eigenschaften haben, die sie besitzen. Der wesentlich hypothetische Charakter der Erklärung und daß sie ein weiteres, verifizierendes Urteil braucht, wurden übersehen. Ferner, Aristoteles fragte, was das Sein sei. Diese Frage drückt die Forderung nach Verstehen, nach Erkennen der Ursache aus. [367] Aristoteles antwortete ganz natürlich, daß der Grund von Sein seine immanente Form sei (Met. Z, 17). Sein ist primär, was durch eine substantielle Form konstituiert wird, oder, bei weiterem Nachdenken, durch die Kombination von substantieller Form und Materie. Sekundär ist Sein das, was durch akzidentelle Formen konstituiert wird; "Weiße", "Wärme", "Stärke" sind nicht nichts, auch wenn sie nicht einfach das sind, was unter Sein verstanden wird. Sein ist weiter die Sammlung existierender Substanzen mit ihren Eigenschaften und akzidentiellen Modifikationen; aber wenn Sein auch das tatsächlich Existierende bezeichnet, ist Existieren doch nicht mehr als die Realität der substanziellen Formen zusammen mit ihren hauptsächlich immanenten Voraussetzungen und Konsequenzen3. (Fs) (notabene)

425b Diese Position wird nun evidentermaßen die Frage nach der Einheit der Notion des Seins aufwerfen. Aristoteles brach mit seinen Parmenideischen und Platonischen Vorgängern, indem er das Sein mit dem konkreten Universum identifizierte, so wie es in der Tat zu sein erkannt wird. Aber Aristoteles brach nicht mit ihrer Annahme, daß die Notion des Seins ein begrifflicher Inhalt sei. Er fragte, was das Sein sei. Mit anderen Worten, er setzte voraus, daß das Sein ein begrifflicher Inhalt sei, und er fragte, welcher Verstehensakt vor der Formulierung dieses Inhaltes vorkomme. Wie wir aber gesehen haben, kann das Sein von uns nur indirekt definiert werden, und deshalb war Aristoteles nicht in der Lage, irgendeinen spezifischen Akt des Verstehens anzugeben, der den begrifflichen Inhalt des Seins ergäbe. Der hervorragende Typus aber des Verstehensaktes ist die Einsicht, welche eine intelligible Form erfaßt, die in den sinnlichen Daten aufscheint; und so bezeichnete Aristoteles das ontologische Prinzip Form als den Seinsgrund in den Dingen, und den Erkenntnisakt des Erfassens der Form als die Einsicht, aus der der begriffliche Inhalt, Sein, hervorgeht. (Fs)

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