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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Die Einsicht

Titel: Die Einsicht Bd. I und II

Stichwort: Sein - Theorien: Parmenides; Sein als Essenz

Kurzinhalt: Weil das Sein ist, kann es nicht Nicht-Sein und auch nicht Werden oder Aufhören-zu-sein sein. Umgekehrt ist weder Nicht-Sein noch Werden noch Aufhören-zu-sein das Sein;

Textausschnitt: 422c Es wurde unterschieden zwischen der spontan operativen Notion des Seins, die allen Menschen gemeinsam ist, und den theoretischen Darstellungen dieser Notion, welche von einer Philosophie zur anderen differieren. Wir haben unsere eigene theoretische Darstellung gegeben. Wir wollen sie nun weiter klären, indem wir sie mit einigen Sichtweisen kontrastieren, die von anderen vorgeschlagen wurden. (Fs)

422d Für Parmenides war das Sein eines, ohne Ursprung oder Ende, homogen und unteilbar, unbeweglich und unwandelbar, voll und sphärisch.1
Den Ursprung dieser Position wird man sich wie folgt vorstellen müssen. Parmenides eliminierte die Alternative der glatten Verneinung, und deshalb blieb ihm nur die Alternative der Bejahung übrig. Die Bejahung kann vernünftig begründet sein, und dann ist sie der Weg der Wahrheit, oder sie kann der Vernunftgründe entbehren, und dann ist sie der Weg des Scheinens. Parmenides gelangte zu seiner Notion von Sein, indem er dem Weg der Wahrheit folgte. (Fs)

423a Was impliziert nun die Wahl der vernünftigen Bejahung, daß das Sein ist? Wenn man irgendeine Bejahung akzeptiert, dann hat man auch die korrekte Behauptung der Bedeutung, der Annahmen und Konsequenzen dieser Bejahung zu akzeptieren. Jedes Urteil benötigt einen Kontext, und ohne das Bejahen dieses Kontextes verliert das anfängliche Urteil seine Bedeutung. Vernünftiges Bejahen muß deshalb das Bejahen eines Satzes von Urteilen sein, die ein einziges Ganzes bilden, und das Bejahte ist damit ein entsprechendes einziges Ganzes. (Fs)

423b Was ist dieses einzige Ganze, von dem behauptet wird, es sei? Die geeignete Antwort besteht darin, Untersuchen und Reflektieren im Hinblick auf das Ganze der Erfahrung in Gang zu setzen. Das zu erkennende Ganze entspricht der Gesamtheit korrekter Urteile. Parmenides aber wählte eine Abkürzung. Er beachtete die Tatsache nicht, daß Sein nicht mehr als eine Definition zweiter Ordnung zuläßt. Er behandelte die Notion von Sein, als wäre sie ein Begriff wie "Mensch" oder [365] "Kreis". Er nahm an, sie sei eine bestimmte Essenz mit bestimmten Annahmen und bestimmten Konsequenzen. Weil das Sein ist, kann es nicht Nicht-Sein und auch nicht Werden oder Aufhören-zu-sein sein. Umgekehrt ist weder Nicht-Sein noch Werden noch Aufhören-zu-sein das Sein; und deshalb müssen alle drei Nichts sein. Ferner, das Sein kann nicht differenziert werden; was sich vom Sein unterscheidet, ist nicht Sein; und was nicht Sein ist, ist nichts. Ferner, weil es im Sein keine Unterschiede gibt, kann es keine Bewegung oder Veränderung in ihm geben. Schließlich, die Leere, das Vakuum ist nichts; Sein ist nicht nichts, und so kann es nicht Leere sein; deshalb ist es voll, usw. (Fs) (notabene)

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