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Autor: Lortz, Joseph

Buch: Die Reformation in Deutschland

Titel: Die Reformation in Deutschland

Stichwort: Reformation - Voraussetzungen; Geschichte; Reformation - Ursachen, Spämittelalter; 'Sprengung' der christlichen Einheit; Avignon, Humanismus usw.

Kurzinhalt: Die Reformation wurde verursacht durch die Auflösung der Grundprinzipien und Grundgestaltungen, die das Mittelalter trugen.

Textausschnitt: II. Wenn wir den Begriff 'Ursachen' in dem angegebenen Sinne der 'Voraussetzungen' nehmen, gibt es eine zwar summarische, aber tiefgreifende und weithin aufklärende Formel für die Beantwortung unserer Frage: Die Reformation wurde verursacht durch die Auflösung der Grundprinzipien und Grundgestaltungen, die das Mittelalter trugen. (Fs) (notabene)

1. Damit ist vor allem die Frage der Sprengung der Einheit des Mittelalters gestellt. Denn die Reformation ist zweifellos wesentlich auch die Sprengung dieser Einheit, oder besser die revolutionäre Vollendung dieser Sprengung. (Fs)

7c Die kürzeste Formulierung der empirischen Lage, soweit sie als für die Reformation vorbereitet erscheint, lautet etwa so: Die Einheit der 'abendländischen Christenheit' war dahin; die 'una civitas christiana' bestand bereits nicht mehr. Das bedeutet, daß die doch offenkundig noch vorhandene Einheit des dogmatischen Glaubensbesitzes und des kirchlichen Lebens wesentlich an ihrer das Dasein tragenden Tiefe eingebüßt hatte. Die Partikularisierung der einzelnen realen Bestandteile des Abendlandes und der römisch-katholischen Kirche (eben der einzelnen Nationen) war so weit gediehen, daß mit Aussicht auf Erfolg der Hebel zur Sprengung angesetzt werden konnte. Durch Luther wurde dieser Tatbestand ans Licht gehoben, freilich auch erst zum Riß erweitert. (Fs) (notabene)

7d Beweise für die vorreformatorische 'Sprengung' der christlichen Einheit oder für die Ankündigung ihres Verschwindens sind unschwer zu erbringen. Ich nenne:

a) Avignon (der vordem wirklich universale Papst wird beinahe französischer Hofbischof); das abendländische Schisma (= kirchliche Spaltung der ganzen abendländischen Kirche in zwei sich gegenseitig bannende Gefolgschaften); die national verfaßten Reformkonzilien mit der wurzelhaft partikularistischen Konziliaridee (unten S. 22 f.); die Renaissance-Päpste als italienische Landesfürsten. - Gegenüber der Bindung des mittelalterlichen Universalismus sind die genannten Erscheinungen eine Reihe sich konsequent steigernder Äußerungen des kirchlichen Nationalismus. (Fs)

b) Die nationalpolitische Aufspaltung Europas mit dem Aufsteigen der großen nationalen Monarchien im Westen und den darin eingeschlossenen nationalkirchlichen Erscheinungen, denen allmählich in Deutschland landeskirchliche Tendenzen zur Seite traten. (Fs)

c) Das Versagen des Abendlandes gegenüber den päpstlichen Aufrufen zum Krieg gegen den Feind der Christenheit; die notwendige Steigerung dieses Versagens durch den politischen Verkehr zweier Päpste mit den Türken (Innozenz VIII. als bezahlter Wächter des gefangenen Bruders des türkischen Sultans, und Alexander VI.). Schon der Fall Konstantinopels 1453 war der Ausdruck des uneinig gewordenen Europas: es setzte seine Kräfte nicht mehr gemeinsam an dasselbe Ziel. (Fs)

d) Das Ausscheiden des häretischen Böhmens aus dem christlichen Gesamtbestand. (Fs)
Die Ansätze eines neuen Einheitsbewußtseins, die der europäische Humanismus bringt, sind keine Kraft gegen das Schwinden der abendländischen christlichen Einheit, sie beschleunigen es vielmehr; denn der Humanismus als Ganzes liegt auf der Linie der Säkularisation, d. h. der Auflösung des geistlicheren Mittelalters (vgl. dazu unten S. 11 und 54 ff.). (Fs)

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