Datenbank/Lektüre


Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Weichheit und die Bequemlichkeit der Bischöfe

Kurzinhalt: Nicht wenige Bischöfe waren einfach zu bequem; um die Anstrengungen des Kampfes und des Widerstandes gegen den sich entfaltenden Protestantismus auf sich zu nehmen.

Textausschnitt: 6. Die Weichheit und die Bequemlichkeit der Bischöfe

93a Viele Bischöfe waren ausgesprochen weiche Persönlichkeiten. Das heißt im einzelnen, daß sie leicht beeinflußbar, nachgiebig, unentschieden, ja schlapp und rückgratlos waren. Es gebrach ihnen an Festigkeit, die sich von Bitten und Klagen nicht erweichen läßt, wenn es um übergeordneter Gesichtspunkte willen notwendig ist. Regieren ist ohne Festigkeit unmöglich, ohne gelegentliche Härte schwer denkbar. Für Anstrengung und Entbehrung, für Kampf und Krieg waren sie nicht zu haben. Sie waren weichlich, und sie lebten weichlich; sie waren nicht abgehärtet und schon gar nicht gestählt. Joseph Schmidlin stellt von den deutschen Bischöfen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts fest: "Die meisten Bischöfe waren verweltlichte Fürsten- oder Herrensöhne, Jagden und Vergnügungen, dem Trunk und Spiel ergeben, vielfach wegen ihrer Unsittlichkeit verrufen, fast nur auf ihre weltlichen Befugnisse und Einnahmen, wenig oder gar nicht auf das geistliche Wohl ihrer Diözese und Herde bedacht, um Weihe, Residenzpflicht und Pontifikalien sich nicht kümmernd."
93b Nicht wenige Bischöfe waren einfach zu bequem; um die Anstrengungen des Kampfes und des Widerstandes gegen den sich entfaltenden Protestantismus auf sich zu nehmen. Sie zogen das Hofleben fährnisreichen Visitationen vor, sie beschäftigten sich mit Spiel und Musik statt mit Predigen und Spendung der Firmung, sie widmeten sich Liebhabereien an Stelle des harten Dienstes am Evangelium. Allzu viele Bischöfe wollten die Gefährlichkeit der Lage nicht wahrnehmen und den Kampf nicht aufnehmen, weil beides sie im Genuß des Lebens gestört hätte; sie wollten aber nicht gestört sein. Zeitgenossen bezeugen, daß viele Bischöfe angesichts der ungeheuerlichen Ereignisse, die um sie herum geschahen, in Wohlleben und Genußsucht verharrten. Manche hatten den Eindruck, daß die Oberhirten jetzt erst recht noch etwas vom Leben haben wollten, weil ihnen die dunkle Ahnung kam, daß es mit ihren Einkünften bald zu Ende gehen könnte. (Fs)

94a Giovanni Morone klagte am 22. Oktober 1537, daß Bischöfe und Geistliche in Deutschland mehr Zeit für den Lebensgenuß aufwendeten als für den Dienst Gottes. Der bayerische Herzog Ludwig schrieb im Jahre 1540 aus Hagenau, daß die Bischöfe "wenig achten, wie es um die Religion stund, wenn sie nur möchten Fried haben". Morone sprach am 26. Februar 1541 davon, daß die Bischöfe allein ihr geruhsames Leben in der Gegenwart ins Auge faßten und sie der Zusammenbruch der Religion nicht berühre (risguardano solo alla lor presente quiete ... et non si curano, ehe la Religione ruini). Nach dem Bericht Morones vom 2. Juni 1540 bezichtigte König Ferdinand die geistlichen Fürsten der Nachlässigkeit, der Unwissenheit, des schlechten Lebenswandels und des schlechten Willens. Am 15. Juni 1540 stellte Morone fest: "Die Bischöfe wollen in Frieden leben, wenigstens während ihres Lebens" und schrieb er an den Kardinal Farnese, ein Wort König Ferdinands aufnehmend: "Die Seelen der Bischöfe sind tatsächlich in den Dingen, wo sie mannhaft sein müßten, weibisch, wie beim Widerstand gegen die Feinde unseres Glaubens, in den Dingen, in denen sie weiblich sein sollten, wie im Trinken und im Halten von Konkubinen, dagegen männlich." Viele Jahre später hatte sich das Urteil Morones nicht geändert. Am 25. Mai 1576 schrieb er aus Innsbruck, die Bischöfe wollten lediglich für ihre Lebensdauer das Leben genießen (cercano vivere et godere al suo tempo, et resta poi il mondo come si vuole); unter ihnen befänden sich viele schwankende Gestalten (tra essi ne sono molti que claudicano). (Fs)

94b Weiche und weichliche Menschen sind gegenüber anderen meist milde. Wie sie selbst auf Nachsicht angewiesen sind, sehen sie auch anderen durch die Finger. Auf diese Weise werden Eigennutz, Korruption und Pflichtvergessenheit geradezu gezüchtet. "Lauheit und Gutmütigkeit sind politisch größere Verbrechen als offene Ungerechtigkeit" (Julius Leber). Eben diese Haltung ist bei vielen Bischöfen des 16. Jahrhunderts (aber nicht nur dieser Zeit!) zu beobachten. Weil sie sich selbst schonten und von anderen geschont sein wollten, verfuhren sie auch mit Versagern und Verrätern sanft. Aus dieser Haltung heraus wollten die Bischöfe niemandem wehe tun, auch wenn anders Gefahren für Glauben und Kirche nicht abgeholfen werden konnte. Der Schutz der Schätze, welche der Kirche anvertraut sind, zwingt eben unter Umständen dazu, Menschen wehe zu tun. Viele Bischöfe des 16. Jahrhunderts liefern den Beweis, daß wenige Eigenschaften für Regenten so gefährlich sind wie Gutmütigkeit. Es soll freilich nicht verkannt werden, daß die Bischöfe mit dieser Haltung nicht allein stehen. Der katholische Menschentyp besitzt nicht die Härte, die dem protestantischen Typ zu eigen ist; er ist weicher und gutmütiger, eher zum Nachgeben bereit. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt