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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Mangel an Mut

Kurzinhalt: Der Mangel an Mut bei vielen Oberhirten des 16. Jahrhunderts ist von den Zeitgenossen häufig ausgesprochen worden.

Textausschnitt: 4. Der Mangel an Mut

90a Tatsachen zur Kenntnis nehmen, ist nicht dasselbe wie sich mit ihnen abfinden. Wenn sich die Großen der Kirchengeschichte bei den Fakten beruhigt hätten, wäre es niemals zu den (echten) Reformbewegungen gekommen. Um jedoch die Wirklichkeit zu ändern, braucht es Mut, d. h. Überwindung der Furcht. Nun ist das Fehlen des Mutes eine allgemeinmenschliche Erscheinung; der durchschnittliche Mensch ist eben nicht mutig. Aber was bei der Menge hingehen mag, wird bedenklich, u. U. zum Verhängnis, wenn es sich bei führenden Menschen findet. Den meisten Bischöfen des 16. Jahrhunderts fehlte es an Mut. Dieser Vorwurf ist zu allgemein, als daß er bloß den Umständen zuzuschreiben sein könnte; er war ein fast durchgängiges Merkmal der Bischöfe. Zum Handeln braucht es Mut. Wer keinen Mut besitzt, der wagt nichts. Es gibt aber keine Entscheidung ohne Risiko. Eben dieses Risiko scheuten die meisten Bischöfe. Lieber warteten sie ab, machten halbe Zusagen, erklärten sich für neutral, hielten sich heraus und schoben die Dinge vor sich her, als daß sie alles auf eine Karte gesetzt hätten. "Eine durch vorherrschenden Geist geleitete Kühnheit ist der Stempel des Helden", schrieb einst Carl von Clausewitz. Solcher Heroismus war bei den deutschen Bischöfen des 16. Jahrhunderts nur höchst selten zu finden. (Fs)

90b Furcht ist ein schlechter Berater; sie führt zum Begehen von Fehlern und verleitet leicht zur Lähmung. Die Bischöfe hatten Furcht. Sie wurzelte einmal in der Drohung der Neuerer. Diese schreckten ja bekanntlich beinahe vor nichts zurück, um der Kirche Abbruch zu tun. Gerade diese Entschlossenheit hätte die Bischöfe lehren müssen, daß ihr nur mit gleicher oder noch größerer Energie begegnet werden konnte. Die Bischöfe fürchteten sodann die weitverbreitete lutherfreundliche Stimmung. Sie scheuten sich, die Massen durch Maßnahmen zu reizen, die zwar notwendig waren, aber, wie die Verhältnisse lagen, Öl ins Feuer zu gießen schienen. Indes werden die Massen von Minderheiten geführt, und wer deren Wirksamkeit zu beseitigen versteht, gewinnt auch über die Massen Gewalt. Außerdem sind diese regelmäßig durch rasches, rücksichtsloses Durchgreifen in Furcht zu versetzen und dadurch unschädlich zu machen. Die Bischöfe fürchteten schließlich den Verlust ihrer Ruhe und den Kampf. Die Bereitschaft zum Martyrium hatte kaum einer von ihnen. Damit aber begaben sie sich der Aussicht auf Erfolg. "Wer den Tod nicht fürchtet, ist mächtig in einer Welt der Angst. Die Furchtlosigkeit ist der Lohn der Wahrheit. Ihr Preis ist der Tod" (Peter Bamm). Wenn auch vielleicht nicht für alle Tage, so doch für Zeiten des Umbruchs gilt das Wort: "Nur zwei Dinge hat der Mensch zu wählen, das Opfer oder die Schuld" (Reinhold Schneider). (Fs)

91a Der Mangel an Mut bei vielen Oberhirten des 16. Jahrhunderts ist von den Zeitgenossen häufig ausgesprochen worden. Der Nuntius Girolamo Aleander schrieb Ende Februar 1521, die Bischöfe seien "voller Furcht". Am 13. April 1521 bemerkte er von neuem: "Die Prälaten zittern und lassen sich verschlingen wie Kaninchen" (li prelati tremano e se lassano davorar come coniglii). Der Nuntius Prospero Santa Croce berichtete am 6. Juni 1548 von der Feststellung eines Gewährsmannes, die Angelegenheiten der Religion würden einen anderen Verlauf nehmen, wenn die deutschen Bischöfe so wären, wie sie sein sollen; sie seien ziemlich ratlos und mutlos (di pocho consiglio e di manco animo). Von den 1555 in Augsburg versammelten oder vertretenen geistlichen Fürsten sagt Joseph Lortz: "Man vermißt bei ihnen ebenso die theologische Klarheit wie den politischen Mut, in allem aber das wichtigste, die wagende Zielsicherheit." In seinem Schreiben vom 23. Juli 1567 sprach Petrus Canisius den deutschen Bischöfen "Zuversicht und Unerschrockenheit" im Hinblick auf die Durchführung der Beschlüsse des Trienter Konzils ab. Am 20. Juni 1582 schrieb Kardinal Madruzzo aus Augsburg, viele Bischöfe seien furchtsam und stünden unter dem Verdacht, der evtl. Freistellung nicht entgegen zu sein. (Fs)

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