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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - das Schwanken und das Entgegenkommen gegenüber den Neuerern

Kurzinhalt: Viele Bischöfe zeigten angesichts der Irrlehre eine merkwürdige Unentschiedenheit. Sie schienen nicht zu erkennen oder nicht erkennen zu wollen, worum es sich bei den Ansichten des Wittenbergers handelte.

Textausschnitt: 4. Das Schwanken und das Entgegenkommen gegenüber den Neuerern

82b Viele Bischöfe zeigten angesichts der Irrlehre eine merkwürdige Unentschiedenheit. Sie schienen nicht zu erkennen oder nicht erkennen zu wollen, worum es sich bei den Ansichten des Wittenbergers handelte. Lange Zeit versuchten nicht wenige Bischöfe, Luthers Aufstellungen harmlos zu deuten und seine Thesen abschwächend auszulegen. Ein Mann wie Eck erkannte die Gefährlichkeit der lutherischen Lehre viel früher als die meisten Bischöfe. Die theologischen Fakultäten der Universitäten Köln und Löwen verwarfen Luthers Erfindungen als Irrlehren, noch bevor sich der Heilige Stuhl dazu geäußert hatte. Es mußte etwas geschehen, um das Feuer auszutreten, das der Wittenberger angezündet hatte. Aber viele Bischöfe gingen nicht daran, sondern bemühten sich im Gegenteil, die besorgten Vorkämpfer des Glaubens zu beschwichtigen und die lutherische Bewegung zu bagatellisieren. (Fs)

82c Erst recht wollten die Bischöfe nicht an konkrete Maßnahmen zur Unterdrückung des Aufruhrs herangehen. Der unermüdliche Johannes Eck hatte ungeheure Mühe, die deutschen Bischöfe zur Vollziehung der Bulle gegen Luther zu bewegen. Feige und furchtsam, wie sie waren, suchten manche ihm die Veröffentlichung der Bulle "Exsurge Domine" zuzuschieben. "Die Fürsten sind voller Unentschlossenheit, die Prälaten voller Furcht; keiner weiß einen Weg, der Ketzerei entgegenzutreten, vielmehr reden selbst jene zu Luthers Gunsten, die ihn fürchten", schrieb Aleander am 28. Februar 1521 aus Worms. Luther revanchierte sich für solche Dienste auf seine Art, indem er nämlich den Tenor seiner Schriften bis zur Siedehitze steigerte. Es ist richtig festgestellt worden: Die Mehrzahl der geistlichen Fürsten "konnte sich weder für noch gegen die Reformation entscheiden und ließ der Entwicklung freien Lauf" (Theodor Wolters). Dieses Schwanken war verhängnisvoll. "Die Ausbreitung der Reformation ist in starkem Maße durch die unschlüssige Haltung der geistlichen Fürsten dieser Zeit gefördert worden" (Theodor Wolters). (Fs)

82d Viele deutsche Bischöfe ließen es sogar an Entgegenkommen gegenüber den Neuerern nicht fehlen. Das Verhalten Erzbischof Albrechts von Mainz in bezug auf Luther ist das bekannteste Beispiel dafür. Manche kamen sich sehr klug vor, indem sie davor warnten, durch übereilte oder zu scharfe Maßnahmen Luther in die Ketzerei zu treiben. Sie sahen nicht oder wollten nicht sehen, daß dieser nicht mehr aus der Kirche hinausgedrängt werden konnte, weil er längst außerhalb ihrer stand. In Wirklichkeit gestatteten Unentschlossenheit und Nachgiebigkeit der Bischöfe lediglich die lautlose Verbreitung der Neuerung. August Franzen spricht in diesem Zusammenhang von der "Tragik" der katholischen Kirche Deutschlands im 16. Jahrhundert: "Es ist die Tragik der Kirche, die in den entscheidenden Auseinandersetzungen von ihren Führern im Stiche gelassen wurde." Manche Bischöfe behandelten die religiösen Aufrührer rücksichtsvoll und schonend, während sie gegen die Verteidiger des Glaubens kühl und abweisend waren, ein Verhalten, das bekanntlich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verblüffende Parallelen hat. Nur wenige waren klar und kompromißlos. Ein Mann wie der Kölner Erzbischof Adolf von Schaumburg war ein Gegner aller Zugeständnisse und sah von ihnen richtig nur Gefahren für die katholische Kirche ausgehen. (Fs)

83a Immer wieder beobachtet man bei den Bischöfen Abwarten, Zögern, Schielen auf den Nachbarn. Die Suffraganbischöfe beriefen sich zur Rechtfertigung ihrer Säumigkeit, gegen die religiöse Neuerung einzuschreiten, auf das lässige und zögernde Verhalten ihres Metropoliten. Der Metropolit behauptete, nicht allein vorgehen zu können, ohne daß die Suffraganbischöfe mitzögen. So wartete einer auf den andern, und es geschah nichts. Das kaiserliche Mandat gegen Luther erging am 8. Mai 1521 zu Worms. Darin wurde über ihn die Reichsacht ausgesprochen. Aber die Durchführung des Wormser Edikts verzögerte sich, und je länger sie aufgeschoben wurde, um so weniger konnte es verhindern, daß die Neugläubigen in ihren Gebieten vollendete Tatsachen schufen. Es fehlte nicht an Überlegungen und Zusammenkünften der Bischöfe, aber sie kamen regelmäßig vor lauter Beratungen nicht zum Handeln. Freilich muß zugegeben werden, daß viele Bischöfe in ihrer Arglosigkeit der Hinterlist und Niedertracht so mancher Anhänger der religiösen Neuerung nicht gewachsen waren. (Fs)

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