Autor: May, Georg Buch: Reformation und deutsche Bischöfe Titel: Reformation und deutsche Bischöfe Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Abwesenheit der Einigkeit
Kurzinhalt: "Während der ganzen Reformationszeit ist es nie zu einem gemeinsamen Vorgehen aller Kirchenfürsten gekommen" (Theodor Wolters).
Textausschnitt: 3. Die Abwesenheit der Einigkeit
80b Einigkeit macht stark. "Vereint sind auch die Schwachen mächtig" (Friedrich Schiller). An dieser Einigkeit fehlte es die längste Zeit im 16. Jahrhundert, obwohl sie angesichts der ungeheuren Bedrohung bitter notwendig gewesen wäre. Einigkeit ist nur möglich, wenn Weitblick, Unterordnung und Opferbereitschaft zusammentreffen. Aber diese Tugenden waren meist nicht bei den Trägern des Bischofsamtes vorhanden. (Fs)
81a Die Bischöfe waren sich einmal untereinander nicht einig. Sie fanden sich nicht zu raschen Maßnahmen zusammen und unterstützten auch den Kaiser nicht genügend. Zu keinem Zeitpunkt der Epoche der Glaubensspaltung vermochten sich die deutschen Bischöfe zu einem vereinten Handeln aufzuraffen. "Während der ganzen Reformationszeit ist es nie zu einem gemeinsamen Vorgehen aller Kirchenfürsten gekommen" (Theodor Wolters). Die Verantwortung für das Ganze war nicht bei allen Bischöfen genügend ausgebildet. Manche sahen nur sich und ihren Bereich. Ein Verräter wie Franz von Waldeck stand sogar auf der Gegenseite und bemühte sich jahrelang um Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund. (Fs)
81b Es bestand sodann keine Einigkeit unter den katholischen Reichsständen. Mehrfach wurden Vereinigungen katholischer Reichsfürsten gegründet; niemals aber gelang es, alle Fürsten oder auch nur alle geistlichen Fürsten dafür zu gewinnen. Dem in Nürnberg 1538 geschlossenen "heiligen Bund" zur Abwehr der Schmalkaldener gehörten nur zwei Bischöfe, die Metropoliten von Salzburg und Magdeburg, an. Der Nuntius Morone trat mit Recht unzählige Male dafür ein, das Bündnis der katholischen Fürsten zu festigen. Er entwickelte beispielsweise am 6. Juli 1539 den Plan eines Vorgehens. Es solle ein Bündnis der katholischen Fürsten in religiöser und militärischer Hinsicht zusammengebracht werden, dem sich womöglich Frankreich und der Papst anschließen sollten. Auf diese Liga gestützt, solle man an die Aufgabe der concordia herangehen. Aber das Projekt wurde nicht verwirklicht. Morone verglich am 11. April 1540 die Katholiken mit "aufgelösten Besen" (scope disciolte); die Kräfte der Lutheraner seien durch ihre Einigkeit und die Uneinigkeit der Katholiken gewachsen. (Fs)
81c Es fehlte weiter auch an Einigkeit zwischen dem Apostolischen Stuhl und den deutschen Bischöfen. Viele von ihnen glaubten sich noch Opposition und Obstruktion leisten zu können, als bereits Deutschland in Flammen stand. Schon bei den Beratungen des Kardinalskollegiums über die Bulle gegen Luther Ende Mai 1520 machten den Kardinälen die zweideutige Haltung und der passive Widerstand der wichtigsten deutschen Kirchenfürsten in dem Verfahren gegen den Häresiarchen schwere Sorgen. Rivalitäten zwischen Bischöfen und Papst, namentlich wegen der Besetzung von Benefizien, lähmten die Schlagkraft der Verteidiger des katholischen Glaubens. Es gab Bischöfe, die in der Römischen Kurie einen größeren Feind sahen als in Luther und seinem Anhang. Eck erklärte in seinem Schreiben an Contarini vom 13. März 1540, die Bischöfe hätten sich im stillen über Luthers Auftreten gefreut, weil sie hofften, der drückenden Abgaben an den Papst ledig zu werden. Der Nuntius Morone schrieb am 12. Oktober 1540, die deutschen Bischöfe möchten das Joch des Apostolischen Stuhles abwerfen und selber Papst in ihrem Hause sein. Es ist unbegreiflich, wie Fragen der Verteilung der geistlichen Macht in einem Augenblick eine Rolle spielen konnten, in dem die Macht selbst aus den Angeln gehoben wurde. Der Gedanke, die Geistlichkeit und das Volk könnten erneuert werden, wenn die kirchliche Zentralgewalt geschwächt werde, war selbstverständlich irrig; in die Räume, die der Apostolische Stuhl freigab, rückte unweigerlich die weltliche Gewalt ein. (Fs)
82a Ein unmeßbarer Schaden war schließlich die Uneinigkeit, die viele Jahre zwischen Kaiser und Papst bestand. Statt die Kräfte nach außen zu wenden, wurden sie im inneren Kampfe verbraucht. Clemens VII. gab dynastischen Interessen den Vorzug vor den Belangen des Glaubens. Sein Konflikt mit Karl V. erreichte seinen tragischen Höhepunkt in dem Sacco di Roma von 1527/28. Die Uneinigkeit der Träger der beiden höchsten Gewalten trug erheblich dazu bei, daß die Rückführung der Getrennten zur katholischen Kirche nicht gelang. (Fs)
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